HFC-Präsident spricht über Vorwürfe Stasi-Vorwürfe: HFC-Präsident Michael Schädlich bezieht Stellung
Halle (Saale) - Michael Schädlich wirkt gefasst an diesem Mittwochmittag. Er ahnte schließlich, was da in dieser Woche noch auf ihn zukommen würde: Eine erneute Konfrontation mit dem düstersten Kapitel seiner Vergangenheit.
„Anfang der Woche hat mich jemand vom MDR angerufen und mich zur meiner Tätigkeit als IM des MFS befragt“, erzählt der Präsident des Halleschen FC. Warum gerade jetzt, gut eine Woche vor seiner wahrscheinlichen Wiederwahl als Chef des Fußball-Drittligisten? Darüber wollte er nicht spekulieren.
HFC-Präsident Schädlich entschuldigt sich einmal mehr für seine Stasi-Spitzelei
Schädlich (64) sagt das, was er schon vor Jahren zu seiner Stasi-Spitzelei betont hat: „Es tut mir leid.“ Dass Schädlich als IM „Walter Flegel“ zwischen 1983 und 1989 als Inoffiizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) vor allem an der Uni in Halle Studenten und Mitarbeiter ausspioniert hatte, ist nicht neu. „Das wussten alle schon, als ich 2002 erstmals zum HFC-Präsidenten gewählt wurde“, sagt Schädlich.
Doch der MDR hat offenbar neue Informationen. Das Magazin „exakt“ berichtet aus der Akte Schädlich, er habe als damaliger Uni-Dozent „umfassend über mehrere Zielpersonen detailliert berichtet. Dabei spitzelte er teilweise sogar bis in den privatesten Bereich hinein. Er habe seine IM-Aufgaben übererfüllt.“
Die Ankündigung zu neuen Stasi-Enthüllungen über Schädlich war am Mittwoch auf der MDR-Homepage aufgeploppt. Und schlug sofort hohe Wellen. Beim HFC setzte Aktionismus ein. Schädlichs Vorstands-Mitstreiter Jürgen Fox und Jens Rauschenbach fielen aus allen Wolken - und waren zunächst nicht erreichbar. Meinungsfindung dauert eben manchmal.
Stasi-Vorwürfe: Tritt Michael Schädlich zur Präsidiumswahl an?
Schädlich machte sich derweil schon Gedanken über seine Zukunft. „Ich muss mir jetzt erst einmal ein Stimmungsbild einholen, dann entscheide ich, ob ich mich tatsächlich noch einmal zur Wahl für den HFC-Vorstand stelle“, sagte er. Er wollte mit den Kollegen sprechen und sich abends bei einem schon länger geplanten „Fan-Stammtisch“ in einer halleschen Gaststätte auch kritischen Fragen stellen.
Im Internet wurde derweil der MDR-Beitrag fleißig geteilt. Darin wurde Historiker Harry Waibel zu Schädlich zitiert: „Er war beteiligt an der Unterminierung der Kollegialität. Seine Überangepasstheit führte dazu, dass er sehr, sehr viel weitergemeldet hat. Eine Vorbildfunktion hat er von heute aus gesehen nicht und von damals aus gesehen schon gar nicht.“
Einer, den Schädlich bespitzelt habe, sei Professor Wolfgang Lassmann gewesen - später Pro-Rektor der Martin-Luther-Universität in Halle. Der sagte dem MDR: „Ich war natürlich traurig, wenn man erfährt dass ein Schüler oder später ein Kollege, mit dieser Energie, die an den Tag gelegt wurde, seinen eigenen Lehrer verrät. Das tut weh.“
Michael Schädlich hat seine Stasi-Akte selber nie gelesen
Der Bundesbeauftragte der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, sagte „exakt“: „Wichtig ist der Umgang mit der Vergangenheit, dass man sich der Verantwortung stellt, dass man nicht untertaucht.“ Und, „dass man die Dinge offen auf den Tisch legt“.
Das tut Schädlich. Auch, wenn er seine gut 300 Seiten dicke Akte bei der Stasi „bis heute nicht gelesen hat“, stellt er sich der Aufarbeitung. „Zum Fall Lassmann kann ich nicht viel sagen“, so Michael Schädlich zur MZ. „Ich weiß, dass er für die Koko der DDR in der BRD eine Firma aufbauen sollte. Und ich wurde zu meiner Meinung über ihn befragt. Was ich damals in einem Gespräch gesagt habe, weiß ich nicht mehr“, so Schädlich. Zur Erinnerung: Die Koko, die Kommerzielle Koordinierung im Außenhandel, kümmerte sich auch um die Devisenbeschaffung für den Arbeiter- und Bauernstaat.
Wie Michael Schädlich zur Stasi kam
Wirtschaftsfachmann Schädlich ist zur Stasi gekommen, „weil ich für Auslandseinsätze vorgesehen war. Deshalb wurde ich kontaktiert“. Wie fast jeder, der in der Fremde zu tun hatte. Schädlich erzählt: „Ich habe dann aber nie im Ausland gearbeitet. Ich wollte meine Familie mitnehmen, das wurde mir nicht gestattet. Da habe ich den Einsatz abgelehnt.“
Was laut seiner Aussage nicht gut ankam. „Ich glaube, ich sollte nach Angola oder Mosambik gehen.“ Weil es dazu wegen seiner Weigerung nicht kam, „wurde ich parteilich bestraft. 1988 hieß es, ich hätte an der Uni keine Perspektive mehr.“ Schädlich ging.
Ab 1991 baute er das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) in Halle auf. Um das seit geraumer Zeit eine Berateraffäre wabert. Das ISW soll - auch durchs Schädlichs freundschaftliche Kontakte zum einstigen Finanzminister Sachsen-Anhalts, Jens Bullerjahn - lukrative Aufträge zugeschanzt bekommen haben.
Stasi- und ISW-Berichte ermüden Michael Schädlich
Inzwischen wird dort seit über einem Jahr ein Gesellschafter-Wechsel angestrebt. Der Fortgang bei diesem Plan? „Es sieht gut aus“, sagt Schädlich. Er klingt müde. Und auch zermürbt von den immer wieder aufploppenden Stasi - und ISW-Berichten. Womöglich zieht er sich entnervt ganz zurück - sogar von seinem geliebten HFC.
Denn dass er nach dem Finanzschlamassel der letzten Jahre, überhaupt antritt, um sich erneut zum Präsidenten wählen zu lassen, das passt in Halle nicht jedem. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) etwa wollte Schädlich schon zum Rücktritt drängen.
Schließlich hätte das unbesonnene Wirtschaften unter seiner Verantwortung den Verein beinahe in die Insolvenz geführt. Zu Jahresbeginn fehlten - für die Öffentlichkeit überraschend - 1,4 Millionen Euro. Der Rettungsplan funktionierte dank der Extra-Zuschüsse von Sponsoren und durch Spenden von Fans.
„Ich habe damals einen großen Fehler gemacht“
Auf der Mitgliederversammlung am übernächsten Sonntag wird verkündet, dass das so kritische letzte Geschäftsjahr (bis Ende Juni) mit einem Plus von 100.000 Euro abgeschlossen wurde. Auf dieser wirtschaftlich guten Basis hätte der Wahl von Schädlich als Präsident eigentlich nichts im Wege gestanden.
Nun aber aber kocht die Stasi-Vergangenheit wieder hoch. Um die Wiederwahl des 64-Jährigen zu verhindern, indem ein dunkles Kapitel in seiner Vita ans Licht gezerrt wird?
„Ich habe damals einen großen Fehler gemacht, ich würde ihn gern korrigieren, aber ich kann es nunmal nicht“, sagt Michael Schädlich. Sein Bedauern wirkt echt. Und gleichzeitig ist zu spüren: Er grübelt, ob er sich tatsächlich weiter ins Kreuzfeuer stellen sollte. (mz)