Bilanz des HFC-Präsidenten Hallescher FC: Wie HFC-Präsident Michael Schädlich eine rot-weiße Ära prägte
Halle (Saale) - Michael Schädlich hält ein Gutachten in den Händen. „Die Digitalisierung des kaufmännischen Bereichs von mittelständischen Unternehmen“, steht als Titel auf der ersten Seite. Gleich wird er sich an seinem Schreibtisch im Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) in der Seebener Straße in Halle in das Schriftstück vertiefen. Es sieht nach einem ganz normalen Arbeitstag für den Wirtschaftswissenschaftler aus. Ein solcher ist dieser Montag aber ganz gewiss nicht.
Michael Schädlich steht im medialen Kreuzfeuer
18 Stunden zuvor hatte Schädlich seinen sofortigen Rücktritt als Präsident des Halleschen FC verkündet. Abrupt. In dieser Form nicht vorhersehbar. Es wirkte wie eine Flucht vor einem aussichtslosen Kampf, die er dem geordneten Rückzug auf der Mitgliederversammlung im Februar - der ursprüngliche Plan - vorzog.
Seit gut zehn Tagen steht der 64-Jährige im medialen Kreuzfeuer. Weil der MDR meinte, Schädlichs Tätigkeit als IM der Stasi in den 1980er Jahren wieder aufwärmen zu müssen.
„Ein Fehler, den ich nicht ungeschehen machen kann, aber zugegeben hatte und bedauere“, sagt er am Montag noch einmal kurz. Dass ihn vor einer Woche Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) schon aus dem Amt ultimatiert hatte, wollte er nicht bewerten. Der HFC bekommt kein Geld mehr von städtischen Unternehmen, wenn ihn ein Stasi-Mann leitet, so Wiegands unmissverständliche Ansage. Aktuell geht es um 1,5 Millionen Euro.
Die Personalie Michael Schädlich teilt das HFC-Fanlager
Christoph Bernstiel (CDU), Stadtrat und Bundestagsabgeordneter, „Ich finde es verwunderlich, warum das Thema jetzt erst aufgekommen ist. Wenn man ein Problem mit Schädlichs Vergangenheit hat, hätte er gar nicht erst HFC-Präsident werden dürfen. Für den HFC wünsche ich mir, schnell aus der Diskussion herauszukommen. Ein Präsident sollte das Beste für den Verein wollen und keine persönlichen Ziele oder die Interessen Dritter verfolgen. Beim HFC geht es darum, dass er nun sportlich weiter vorankommt und keine Stellvertreterkriege führen muss.“
Inés Brock (Grüne), Fraktionsvorsitzende im Stadtrat: „Die gegenwärtige Entwicklung finden wir nur konsequent. Auf der anderen Seite haben wir noch keine Vorstellung davon, wer Schädlichs Nachfolger werden könnte. Jürgen Fox und Jens Rauschenbach halten wir beide vor dem Hintergrund ihrer Position in der Stadt nicht für geeignet.“
Hendrik Lange (Linke), OB-Kandidat: „Ich halte es für eine schlechte Herangehensweise, wie man jetzt einen Fakt, der lange bekannt ist, benutzt, um de facto ein Machtspiel durchzuziehen. Der Oberbürgermeister will seinen Einfluss auf den Verein stärken. Herr Schädlich hat die Konsequenz gezogen, die ich nachvollziehen kann.“ (tgo)
Dieses polarisierende Thema hatte zuletzt durch Halle einen tiefen emotionalen Graben gezogen. Militante Fans wollten Wiegand jagen, Schädlich-Freunde gaben dem alten Mitstreiter Zuspruch, andere wiederum sagten: Zeit wird es, dass der Mann geht.
Michael Schädlich registrierte die explosive Stimmungslage sehr wohl und wollte durch seinen Sofortausstieg aus dem Fokus kommen - um sich selbst zu schützen und den Verein gleich mit. Eines sagt er nämlich explizit: „Der HFC ist für mich eine Herzensangelegenheit. Er war es gestern, ist es heute und wird es morgen sein. Von dieser Leidenschaft komme ich nicht los.“ Verständlich, nach 16 Jahren Amtszeit als Präsident. Schädlich klingt gefasst, sachlich, so wie meistens.
Er kann auch anders. Im Mai 2012 stand er mitten im tosenden Erdgas Sportpark, diesem schmucken 17,5-Millionen-Euro-Vorzeige-Objekt, das auch erst im September 2011 eingeweiht worden war. In sich versunken allein auf dem Rasen, wie einst Franz Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990.
Ein Mann auf dem Höhepunkt. Die Augen gefüllt mit Tränen des Glücks. Der Hallesche FC hatte die Favoriten Holstein Kiel und RB Leipzig distanziert und es tatsächlich in den Profifußball, in die dritte Liga geschafft. Schädlich war nach zehn Jahren Amtszeit am Ziel und einfach platt.
Unter Präsident Michael Schädlich stieg der HFC in die 3. Liga auf
Doch einsam genießen, das ging nicht. Plötzlich stand er in der Euphorie-Brandung. Fans hatten die Zäune zum Innenraum überklettert und stürmten auch auf Michael Schädlich zu: „Danke, Herr Präsident“, oder intimer „Danke Doc“ klopften sie ihm auf die Schulter, umarmten ihn.
Aus Schädlichs rotem Aufstiegsshirt tropfte des Bier. Egal, „An Tagen wie diesen“, - wie es aus den Boxen schallte. „Es ist doch toll, diese Freude und diesen Stolz auf unseren Verein zu sehen“, sagte er als gefeierter Präsident und wurde pathetisch: „So ein Klub mit seiner Emotionalität kann das Selbstwertgefühl einer ganzen Region steigern.“
Michael Schädlich kam beim HFC in harten Zeiten ins Amt
Als er 2002 angetreten war, vermittelte der Klub Chaos. Unverbesserliche Fans marodierten durch Deutschland immer auf der Suche nach handfesten Streitigkeiten. Und finanziell kroch der Klub auf dem Zahnfleisch.
Die Lage kam ähnlich bedrohlich daher, wie nach dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga 1993. Damals ging es nach der Insolvenz bis runter in die Verbandsliga. Der einst glorreiche HFC wurde dort von Mannschaften aus Braunsbedra und Gräfenhainichen gedemütigt.
Anfang 2002 hatte der Klub erneut ein Defizit von gut 300.000 Euro aufgehäuft. Der Etat von 1,5 Millionen Euro stand nur als ein Wunsch auf dem Papier. Zu jenem Zeitpunkt wurde in Halle noch diskutiert, ob der rot-weiße Klub mit dem Stadtrivalen VfL Halle 96 zusammengehen sollte, um die Finanzen zusammen schmeißen zu können.
Mit Sitte und Kühne brachte Schädlich den HFC wieder auf Kurs
Die Gegner in dieser damals vierten Liga hatte klangvolle Namen: 1. FC Magdeburg, Sachsen Leipzig, Carl Zeiss Jena, VfB Leipzig und FSV Zwickau - aber auch Wacker Gotha und der VfB Pößneck spielten mit. Am Ende war der HFC Fünfter, Haupt-Rivale Magdeburg, finanziell damals nicht minder gebeutelt, Zehnter.
Eigentlich aber stand der HFC vor der nächsten Insolvenz. Die Präsidentschaft wechselte von Hans-Dieter Walter zu Klaus Stroisch. Dann trat Stroisch nach nur 38 Tagen im Amt zurück. „Wenn man einen Bergsteiger sieht, der abzustürzen droht, kann man nicht einfach tatenlos zusehen“, sagte Michael Schädlich, als er Anfang Juli 2002 in die Führung kooptiert und Interims-Präsident geworden war zu seinen Beweggründen.
Schädlich gelang es, den wilden Verein mit Ralph Kühne, einem ehemaligen VfL-Kicker, der eine Personalleasing-Firma betrieb und Jörg Sitte, vom Fan zum Pressesprecher und dann zum Vize aufgestiegen, zu konsolidieren. Fortan hieß es: solide geführt, vorzeigbar - abzüglich mancher Fans.
Der Rauswurf von Trainer-Idol Sven Köhler tat Schädlich weh
Nur sportlich kam der Klub nicht voran. Schädlich und Co. verschlissen fünf Trainer, bis sie für die Saison 2007/08 den Chemnitzer Sven Köhler holten, der dann 295 Spiele und bis Ende August 2015 blieb. Der Rauswurf des Idols wegen Erfolglosigkeit - Köhler hatte von sechs Drittliga-Spielen fünf verloren - tat Schädlich weh.
„Die Mannschaft ist wettbewerbsfähig, aber blockiert. Es gibt Defizite im mentalen und im sportlichen Bereich“, hatte der Präsident damals festgestellt. Und eines war auch klar: Das Ziel steht über Personen. Da konnte Schädlich hart sein, in solchen Situationen handelte der kühle Rechner emotionsbefreit.
Köhlers Rauswurf ging einher mit einem Wärmeverlust. Und hinter den Kulissen kam Unmut auf. Sitte und Kühne ließen sich inzwischen als Angestellte des Vereins fürstlich bezahlen. Schädlich habe ihnen die Posten zugeschanzt, hieß es. Es gab Gerüchte, dass finanziell nicht alles mit rechten Dingen zugehe.
HFC-Präsident im Dauerstreit mit Halles OB Bernd Wiegand
Aus dem Rathaus meldete sich OB Bernd Wiegand vor zwei Jahren schon. Der Klub habe sich in Liga drei eingerichtet, keine Visionen mehr und auch in die Bücher würde er gern schauen. Schließlich bekomme der Klub ja über diverse Firmen reichlich Zuschüsse aus dem Stadtsäckel.
Das Triumvirat wehrte sich. Wiegand ließ nicht locker. Die Fans schienen ihm nicht ausreichend diszipliniert. Er schloss das Fanprojekt. Dann entließ Michael Schädlich seinen Weggefährten Sitte. Erschreckende Zahlen kamen zutage: 1,4 Millionen Euro fehlten.
Wiegand sah seine Chance zum Umbau des Präsidiums. Externe Finanz-Experten kamen hinzu. Im Sommer ging auch Kühne. Nur Schädlich war noch da - und wollte es bleiben.
Michael Schädlich: „Wer arbeitet, macht auch Fehler“
Dann kramte der MDR die Stasivergangenheit wieder hervor. Dass diese schon bei Schädlichs Wahl 2002 bekannt war und er dereinst trotzdem 100 Prozent der Stimmen bekommen hatte, spielte keine Rolle mehr. Wiegand stieß unbarmherzig in diese Schwachstelle hinein.
Michael Schädlich sagt nun im Rückblick: „Meine Erfolge oder Misserfolge mögen andere beurteilen. Wer arbeitet, macht auch Fehler.“ Er betont lieber: „Der Verein ist jetzt in einer guten Position, die wir ausbauen müssen.“ Er sagt „wir“ - einen Tag nach dem Rücktritt. (mz)