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Story Hallescher FC: So tickt HFC-Trainer Rico Schmitt

Von Christoph Karpe 16.09.2016, 19:04
Rico Schmitt will mit dem Halleschen FC mittelfristig in die zweite Bundesliga aufsteigen.
Rico Schmitt will mit dem Halleschen FC mittelfristig in die zweite Bundesliga aufsteigen. John

Halle (Saale) - Plötzlich drängt Rico Schmitt zum Aufbruch. Er muss wirklich los. Schließlich hat er seiner 13-jährigen Tochter versprochen, sie zum Tennis-Training zu fahren. In Chemnitz. „Sie muss dafür quer durch die ganze Stadt , da hilft man doch gern“, sagt der Trainer des Halleschen FC. Es folgt ein Spurt Richtung Auto. Die 130 Kilometer in seine Heimat muss er nun in gut eineinhalb Stunden schaffen - von Halles Innenstadt aus.

Rico Schmitt: Privates lenkt vom Wesentlichen ab

Also nur noch eine Frage: Wie macht sich denn die Tochter als Tennis-Spielerin? „Das Ballgefühl hat sie vom Papa, die Dynamik von der Mama“, sagt Schmitt und schmunzelt.

Die Antwort ist überraschend, denn es ist beinahe der einzige kleine private Einblick, den der Cheftrainer des Halleschen FC preisgibt. „Ich rede nicht gern über Privates, das lenkt vom Wesentlichen ab, das ist ein Extrafeld“, meint er. Schmitt legt Wert auf eine strikte Trennung von Freizeit und Job. Und in Halle ist nur der wesentlich für ihn.

Sein Thema ist der Fußball, der HFC. Da steht er unter Strom, da redet er freimütig. Und er ist voll des Lobes. „Der HFC steht für Konstanz und Zuverlässigkeit“, sagt er. Auch deshalb hat er sich im Frühjahr dafür entschieden, bei den Rot-Weißen zu unterschreiben und zwei andere Angebote ausgeschlagen.

Rico Schmitt: Wieso das Aus bei den Kickers erfolgte

Schmitt erinnerte sich dabei auch daran, dass ihn der Klub schon im Herbst des Vorjahres verpflichten wollte. In der Zeit nach dem sechsten Spieltag 2015/16, als nur drei Punkte zu Buche standen und deshalb Sven Köhler gehen musste. Schmitt wäre vielleicht sogar da schon gekommen, doch in seinem Vertrag beim Regionalligisten Kickers Offenbach war eine Ablösesumme von 50.000 Euro festgeschrieben. Die konnte der HFC damals nicht aufbringen.

Doch in Offenbach bröckelte es damals. Nach dem verpassten Drittliga-Aufstieg in der Relegation gegen den 1. FC Magdeburg „gingen zunächst die Lichter aus“. Ein neuer Vorstand kam, der dritte, den Rico Schmitt bei den Hessen erlebte. „Und jeder hatte so seine eigenen Ideen. “ Eine davon reifte dann im letzten Winter, nämlich mit Oliver Reck einen Jungen der Stadt, einen vermeintlich unantastbaren Helden als Trainer zu inthronisieren. „Einen Kontrapunkt zu setzen“, wie es Schmitt nennt.

Er selbst war längst angreifbar geworden. „Nach dem gescheiterten Aufstieg waren auch die Top-Spieler wie Klaus Gjasula oder Benni Pintol nicht mehr mit ganzem Herzen dabei. Sie sahen, wie ehemalige Mitspieler in der zweiten oder dritten Liga auftrumpften und wollten auch den nächsten Karriereschritt“, erzählt Schmitt. Und so kam nach einigen Querelen sein Aus bei den Kickers - Ende Januar, nachdem er mit der Mannschaft schon wieder in die Vorbereitung eingestiegen war. „Das hätte man auch vorher lösen können.“

HFC: Ein Klub mit Tradition und Fan-Kultur

Es folgte die Zeit der Ungewissheit. „Für mich war klar: Bundesliga-Trainer werde ich nie. Zweite Liga hatte ich schon mit Erzgebirge Aue, in diese Liga wieder reinzukommen, würde schwierig werden - gerade für einen Ost-Trainer. Aber ich wollte einen Klub mit Ambitionen, mit Tradition und Fan-Kultur“, erzählt er. „Und ich wollte auch wieder in der Nähe der Familie arbeiten.“ Die Zeit „auf Montage“, wie der Chemnitzer sein Engagement in Offenbach nennt, hatte ihn als Trainer weitergebracht, „doch ich wollte ja auch meine Tochter aufwachsen sehen“, sagt er.

Am 25. März unterschrieb Rico Schmitt in Halle - allerdings erst für die Folgesaison, wenn Vorgänger Stefan Böger zum Sportchef aufsteigt. Doch als der HFC noch in Abstiegsnot geriet, übernahm Schmitt vorzeitig, am 13. April.

Rico Schmitt kommt gut mit Stefan Böger klar

Das Duell mit dem FSV Frankfurt an diesem Samstag wird sein 15. Spiel als HFC-Coach. Acht Siege, vier Niederlagen, zwei Remis ist seine Bilanz an der Saale. Beachtliche 1,86 Punkte hat er bislang im Schnitt geholt, den Abstieg verhindert, sich ein neues, ehrgeiziges Team zusammengebaut. Doch das reicht ihm nicht. Er glaubt, in Halle ist mehr möglich. „Hier leben die Verantwortlichen den Verein und stellen sich nicht über ihn.“ Den Satz sagt er angesichts der Vergangenheit mit Bedacht. Auch mit Stefan Böger, seinem Sportdirektor hat er sich arrangiert. „Es hieß ja immer: Der Schmitt kann nicht mit Sportchefs, der will lieber allein bestimmen - aber wir kommen klar“, sagt er.

Wo die Reise hingehen soll, ist längst klar. Der Trainer lebt die Vision von der zweiten Liga vor und impfte dem Verein und dem Umfeld Euphorie ein. Er ist ungeduldig und verlangt zugleich Geduld. Weil der Plan eines Aufstiegs, der spätestens nächste Saison in Angriff genommen werden soll, natürlich in Stolperfallen geschreddert werden kann. Und Schmitt könnte auch komplett scheitern. In Offenbach erlebte er mal in seiner ersten Saison eine Serie von acht Spielen, in denen seine Mannschaft nur zwei Pünktchen ergatterte. Damals bewahrten sie bei den Kickers Geduld. Aber was passiert in Halle bei solch einem Negativ-Lauf?

Rico Schmitt soll neues Kapitel für den HFC schreiben

Rico Schmitt mag nicht spekulieren. Er weiß: „Auch wenn es mal hier nicht weitergehen soll und mich generell eines Tages keiner mehr als Trainer haben mag, findet sich irgendetwas anderes. Man braucht etwas Intelligenz und Intuition im Leben, dann wird das schon.“

Aber soweit mag er gar nicht denken. Das Projekt HFC zählt: eine Mannschaft mit der Mentalität auf das Feld zu schicken, die mit Herzblut um jeden Zentimeter Rasen, um jeden Ball kämpft, die auf diese Art Erfolg hat. Er möchte in die zweite Liga aufsteigen. So wie 2010 mit Erzgebirge Aue, wo er erst 2009 seinen ersten Vertrag als Cheftrainer im bezahlten Fußball unterschrieben hatte. Diese wundersame Heldengeschichte erzählen sie heute noch im Wismut-Gebiet ehrfurchtsvoll und mit glänzenden Augen. In Halle ist der Drittliga-Aufstieg 2012 das letzte tolle Kapitel. Es verblasst langsam. Ein neues soll her. Ist das geschrieben, erst dann mag Rico Schmitt sich privat öffnen. (mz)