Das Phänomen HFC Das Phänomen HFC: Mit einer Notelf zum Sieg in Großaspach
Halle (Saale)/Großaspach - Am Sonntag gab es frei. Nach harten englischen Wochen verständlich. Noch dazu, weil am Vortag so Bemerkenswertes wie auch auf den ersten Blick Wundersames geschehen war. Der Hallesche FC hatte die Partie der dritten Fußball-Liga in Großaspach gewonnen. Nicht mal eben so - oder gar glücklich. Dieses 3:0 war ein Statement. Die beste Auswärtsleistung seit jenem 3:0 in Erfurt am Anfang der Saison 2016/17.
Und der erst zweite Erfolg in der Fremde in diesem Spieljahr, zeigte eines: Vermeintliche Ersatzspieler sind offenbar wochenlang verkannt worden. Denn ausgerechnet eine „Notelf“ zeigte nach dem emotionalen Tiefschlag, jenem 0:1 im Pokal-Heimspiel am Mittwoch gegen den Rivalen 1. FC Magdeburg, Rückgrat und Charakter.
Toni Lindenhahn führt HFC aus der Tristesse
Wesenszüge, die sich maßgeblich an einem Profi festmachen ließen: Toni Lindenhahn. Nun zählt der zwar nicht zu den Ergänzungsspielern der Rot-Weißen, zumindest mit Blick auf die letzten Wochen. Aber dass ausgerechnet das Klub-Urgestein die Mannschaft aus der Tristesse führte, die der blutleere Auftritt gegen Magdeburg ausgelöst hatte, war bezeichnend.
Der 27-Jährige gab in Großaspach nicht nur - wie zuletzt als fast einziger - den kämpferischen Anführer, sondern glänzte diesmal auch als Vollstrecker. Zwei Tore (27. und 54. Minute) zum 1:0 und 3:0 gingen auf Lindenhahns Konto. Beide aufgelegt übrigens durch Braydon Manu, einen der Dauerzuschauer, der zuletzt im September 2017 einen Startelf-Einsatz hatte. Dazwischen lag ein Distanz-Knaller von Daniel Bohl (53.) - Anfang Dezember letztmals von Beginn an dabei.
Also sagte Toni Lindenhahn im Anschluss an die Partie beim MDR: „Die Einstellung hat gepasst, wie jeder für den anderen zusammengestanden hat, wie wir Fußball gespielt haben, das war ein Phänomen.“ Er verteilte an seine Nebenleute ein extra Kompliment.
Toni Lindenhahn: „Es musste verdammt viel raus“
„Vor allem haben auch Spieler, die sonst selten gespielt haben, wie Braydon Manu oder auch Daniel Bohl, heute Klasse bewiesen.“ Und er gestand: „Es musste verdammt viel raus. Wir haben in den letzten Wochen einfach verpasst, so Fußball zu spielen. Es tat auch weh durch das Pokalspiel. Da haben wir ein bisschen aufgeräumt. Jetzt können wir durchatmen.“
Bemerkenswert in seinem Fall: Toni Lindenhahn hat für den HFC seit seiner Männer-Premierensaison in der Regionalliga 2008/09 nun 235 Pflichtspiele bestritten. Insgesamt gelangen „TL6“ 30 Tore - nie zuvor zwei in einem Spiel.
Wohl auch deshalb feierte er seinen Premieren-Doppelpack so ausgelassen: Er jubelte in Richtung der gut 200 HFC-Fans, um deren Stimmungsboykott - eine Folge der Pokalpleite - zu knacken und zeigte dabei auf das Klub-Emblem. Nach dem Desaster gegen Magdeburg war er als einziger der Profis in der Lage gewesen, die aufgebrachte Fankurve zu beruhigen.
Doch ob die Identifikations-Figur in Halle bleibt, ist längst nicht sicher. Braunschweig und Aalen sollen Interesse bekundet haben. Der Kontrakt läuft aus. Also stimmte Lindenhahn ein allgemeines Plädoyer an in Sachen Vertragsgespräche.
Denn da hakt es gewaltig. „Es wird immer weniger Zeit. In zwei Monaten ist alles vorbei. Wir hoffen, dass schnellstmöglich endlich mal eine Entscheidung fällt, dass Spieler auch Gewissheit haben, arbeitet der Verein mit den Jungs weiter oder nicht. Es muss einiges passieren.“
Wird es: Am Montag trifft sich der Verwaltungsrat und soll über den künftigen Sportdirektor befinden. Die Gespräche sind so gut wie abgeschlossen. Eine weitere Beratung soll am Dienstag folgen. Womöglich wird der neue Sportliche Leiter dann am Mittwoch gemeinsam mit dem künftigen Trainer verkündet. Die Tage des aktuellen Coaches Rico Schmitts sind gezählt. Auch wenn er nun zehn Punkte aus den letzten vier Spielen geholt und Halle die Klasse so gut wie gesichert hat.
In Großaspach ging sogar ein Fluch zu Ende. Erstmals in den letzten 72 Liga-Spielen unter Schmitt (von 74) gelangen dem HFC zwei Siege in Folge.
So gut wie gerettet
In den bisherigen neun Spielzeiten der dritten Liga gab es schon den Fall, dass 44 Punkte nicht zum Klassenerhalt reichten. Noch ist der HFC also theoretisch nicht gerettet. Sollte Chemnitz sein Nachholspiel am Dienstag gegen Wehen Wiesbaden gewinnen, hätte der Klub zehn Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Ein solches Polster hat sieben Spieltage vor Saisonende noch keine Mannschaft verspielt.
2016/17: Paderborn mit 44 Punkten gerettet, weil 1860 München keine Lizenz bekam
2015/16: Stuttgarter Kickers 43 Punkte
2014/15: Dortmund II 39 Punkte
2013/14: Elversberg 40 Punkte
2012/13: Darmstadt 38 Punkte gerettet, weil Kickers Offenbach keine Lizenz bekam
2011/12: CZ Jena39 Punkte
2010/11: Werder II 36 Punkte gerettet, weil Koblenz (11.) auf Lizenz verzichtete
2009/10: Dortmund II 39 Punkte
2008/09: Wacker Burghausen 40 Punkte gerettet, weil Kickers Emden (6.) auf Lizenz verzichtet hat
(mz)