Vom Top-Talent zum Testspieler Anthony Syhre: Einstiges Top-Talent hofft auf Vertrag beim HFC
Halle - Der Platz im Flugzeug ist bereits gebucht und bezahlt. Was für Anthony Syhre zumindest nicht die schlechteste Nachricht ist. Die Option zur Verlängerung seines Probearbeitens bestünde. Bewährt sich der Defensivspieler, kann er am Freitag mit dem Halleschen FC ins Trainingslager ins türkische Belek fliegen. „Wenn es so kommt, wäre ich der erste, der mit gepackter Tasche am Flughafen steht“, betont Syhre nach der ersten Einheit beim Fußballdrittligisten aus Halle am Dienstagvormittag.
Ein Satz, der schnell dahingesagt ist. Der gut, aber auch ein wenig auswendiggelernt klingt. Dem 24-Jährigen, die Haare kurz geschoren und mit Platzresten vom Grätschen im Gesicht, kauft man sein Bekenntnis aber ab. Schließlich ist es Ausdruck einer Sehnsucht. Anthony Syhre will wieder einen Platz im Profifußball finden. „Im Fußball geht es eben nicht immer steil bergauf“, sagt er auf sich selbst bezogen.
Anthony Syhre galt einst als deutsches Top-Talent
Es ist die dunkle Seite des Geschäfts, die der gebürtige Berliner gerade erlebt. Die Seite, die abseits des Fokus existiert und deshalb gern in Vergessenheit gerät, weil keine bunten Bilder davon in sozialen Netzwerken existieren. Von Brüchen, Verletzungen, Ungewissheiten und Arbeitslosigkeit, den wenig schönen Schicksalen. Gerade in der dritten und vierten deutschen Fußballliga gibt es sie regelmäßig. Anthony Syhre, einst als großes deutsches Talent gefeiert, sagt: „Das ist keine einfache Zeit für mich.“
Einst erschien seine Zukunft rosarot. Syhre, der im Nachwuchs von Hertha BSC ausgebildet wurde, erhielt als einer der auffälligsten Spieler seines Jahrgangs sogar die Fritz-Walter-Medaille, die besondere Leistungen im Nachwuchsbereich adelt. 2013 war das, da war er 18. Ein Jahr später gewann er mit der U-19-Nationalmannschaft die EM.
Während sich Mitspieler wie Julian Brandt oder Joshua Kimmich zu Stars entwickelten, schaffte Syhre den Sprung aus der Hertha-Reserve in die Bundesliga nicht. „Die Leute, die mit 19 Bundesliga spielen, haben Glück“, sagt er heute. „Ich hatte leider Pech, aber damit muss ich klarkommen.“
Bei der U19-EM kickte Syhre mit Kimmich und Brandt
Syhre ging in die dritte Liga, etablierte sich dort als zuverlässige Kraft in Verteidigung oder defensivem Mittelfeld. Anfang 2019 nahm er den zweiten Anlauf zur Erstklassigkeit, ging nach Sittard in die niederländische „Eredivisie“. „Das wäre ein guter Schritt gewesen. Aber ich habe mich leider schwer am Knie verletzt.“
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Statt auf dem Erstligarasen, landete Syhre auf dem OP-Tisch und anschließend in der der Reha. Im September, Sittard hatte den Vertrag im Sommer nicht verlängert, zerschlug sich trotz guten Probetrainings dann auch die Hoffnung auf einen Vertrag beim MSV Duisburg. Das Budget der Meidericher war zu schmal.
Anthony Syhre: Vereinsloser Profi sucht neuen Chance
Fortan war Syhre Teil einer Liste, die im Referenzportal „transfermarkt.de“ momentan allein 250 deutsche Spieler enthält. Die der „Vereinslosen“. Er trainierte in seiner Heimatstadt Berlin bei einem Oberligisten mit, hielt sich dazu mit Läufen fit. Immer mit der Hoffnung auf die nächste Chance, das nächste Probetraining. „In so einer Zeit hinterfragst du viel“, sagt Syhre und erzählt von einem Reifeprozess.
Davon, dass er in den vergangenen Monaten gelernt hat, welche Freunde wirklich an seiner Seite stehen, wie wichtig die Familie ist, wie er wachsen kann. „Ich achte inzwischen mehr auf den Schlaf, bereite mich besser auf das Training vor“, erzählt er. Und: „Ich koste inzwischen jede Minute Fußball mehr aus.“
So wie die gerade in Halle. Auch wenn der Druck hoch ist. Anthony Syhre bleiben zunächst nur drei Tage, um sich für einen Vertrag zu empfehlen. Das Probetraining ist ein dürrer Hoffnungszweig und doch seine einzige große Chance. „Ich will wieder auf dem Platz stehen, trainieren, Leistung bringen. Ich hoffe, dass das hier in Halle klappt“.
Entscheiden werden das die HFC-Verantwortlichen. „Die Gespräche waren sehr positiv, jetzt können wir uns gegenseitig ein Bild machen“, so Trainer Torsten Ziegner nach der ersten Einheit. Eine Tendenz lässt sich daraus kaum ableiten. (mz)