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Gezeichnet fürs Leben Gezeichnet fürs Leben: So sehr leiden die Opfer des DDR-Staatsdopings noch heute

Von Nikolaj Stobbe 25.04.2018, 19:06
Dana Boldt, ehemalige DDR-Meisterin im Pferdsprung und Zeitzeugin, ist Opfer von Missbrauch und Doping in der ehemaligen DDR.
Dana Boldt, ehemalige DDR-Meisterin im Pferdsprung und Zeitzeugin, ist Opfer von Missbrauch und Doping in der ehemaligen DDR. dpa

Berlin - Dörte Thümmler stockt immer wieder die Stimme. Die Stufenbarren-Weltmeisterin von 1987 wollte eigentlich von den Misshandlungen durch ihren früheren Trainer in der DDR berichten, doch nur schwer kommen ihr die Worte über die Lippen. „Dieser Mann, so klein wie er war, war extrem gewalttätig. Er hat mich vom Balken geschmissen, da hätte ich mir beinahe das Genick gebrochen“, erzählt die heute 46-Jährige bei einer Podiumsveranstaltung in Berlin unter Tränen.

Mittlerweile hat sich Thümmler dem Dopingopfer-Hilfeverein (DOH) in Berlin anvertraut und ist dort auf offene Ohren gestoßen. Der Verein hat sich nicht nur den Schutz von Dopingopfern auf die Fahnen geschrieben, sondern will auch gegen Gewalt im Sport vorgehen. „Es geht konkret um körperliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, seelische Gewalt, die oftmals schon im Kindesalter eingesetzt hat“, erklärt Ines Geipel, Vorsitzende des Vereins.

Sexualisierte Gewalt im Spitzensport Tabuthema

Aus diesem Grunde rief der DOH auch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) auf, einen Hilfsfonds zur Entschädigung von Opfern sexualisierter Gewalt neu aufzulegen. Bislang hatte der DOSB 100.000 Euro für Betroffene zur Verfügung gestellt. „Das Schweigen über sexualisierte Gewalt im Spitzensport ist laut“, sagt Geipel.

Thümmler jedenfalls würde sich über jede Unterstützung freuen. Sie leidet heute noch unter körperlichen und seelischen Erkrankungen, braucht regelmäßig Medikamente. „Ich bekomme seit acht Jahren eine Rente. Doch natürlich reicht das Geld nicht aus. Wir brauchen therapeutische Hilfe, um gesünder zu werden“, sagt Thümmler.

Auch deshalb untermauerte der DOH seine Forderung an das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium (BMI), das zweite Dopingopfer-Hilfegesetz (DOHG) zu entfristen. Die Betroffenen sollten über 2018 hinaus bis zum Jahr 2020 die Chance erhalten, finanzielle Entschädigungszahlungen zu beantragen.

Anerkannte Doping-Opfer erhalten Einmalzahlung

Das Gesetz wurde im Jahr 2016 verabschiedet. Offiziell anerkannte Doping-Opfer können eine Einmalzahlung von 10.500 Euro aus einem Hilfsfonds von insgesamt 10,5 Millionen Euro erhalten, die der Bund aufgelegt hatte.

„Wir haben die Entfristung bis zum Jahr 2018 bekommen, brauchen sie aber auch darüber hinaus. Wir betreuen 1700 Betroffene“, sagt Geipel. Die frühere Top-Sprinterin, selbst Opfer des Dopingsystems im DDR-Sport, räumt ein, dass die Arbeit des DOH allmählich wirksamer werde, allerdings meint sie auch: „Je mehr wir arbeiten, desto größer wird das Loch.“

Auch DDR-Fußballer von Doping betroffen

Wie die DOH-Vorsitzende Geipel erklärt, hätten sich längst auch von Doping-Spätfolgen betroffene Fußballer beim DOH gemeldet. „Das sind harte Fälle, insofern richtet sich unsere Forderung auch an den DFB. Es ist erschreckend, in welchem Maße im DDR-Fußball gedopt wurde“, sagt Geipel.

Wie hoch die finanzielle Beteiligung des DFB ausfallen soll, ließ der DOH offen. Man hoffe auf eine baldige Einigung mit den Fußballern, die bislang nicht zu den klassischen Dopingopfern des DDR-Sports gehörten. „Die sehr offenen Berichte der Fußballer haben uns erstaunt“, sagt Geipel.
Der DOH stellte in Berlin die Krankenakten von zwölf ehemaligen Fußballern vor, die einst für Lok Leipzig, Carl Zeiss Jena oder Dynamo Dresden spielten und heute unter Herz-Kreislauf-Schäden, Bluthochdruck, Krebserkrankungen oder Depressionen leiden. (dpa)