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Umstrittenes DFB-Projekt Umstrittenes DFB-Projekt: Chinas U20 steigt in Regionalliga-Spielbetrieb ein

Von Michael Wilkening 17.11.2017, 10:00
Fans - wie hier beim Spiel Dortmund gegen Gladbach - protestieren immer wieder gegen die Kommerzialisierung. Auch Chinas U 20 ist im Visier.
Fans - wie hier beim Spiel Dortmund gegen Gladbach - protestieren immer wieder gegen die Kommerzialisierung. Auch Chinas U 20 ist im Visier. Imago

Mannheim/Mainz - Sie haben erst einmal etwas Abstand gesucht, die Talente aus dem fernen Osten. Vermutlich war das eine kluge Idee, denn noch ist nicht klar, was die chinesische U-20-Nationalmannschaft bei ihrer Bildungsreise erwartet. Und deshalb ist ein schickes Hotel in Thüringen, nahe der Grenze zu Niedersachsen, ein guter Ort. Die dadurch länger werdenden Fahrten zu den Spielorten sind vertretbar, wenn so die Wahrscheinlichkeit auf Ruhe größer wird.

Am kommenden Samstag beginnt mit einigen Monaten Verspätung ein Projekt, das im Sommer leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wurde: Die chinesischen Talente nehmen außer Konkurrenz an der Rückrunde der Regionalliga Südwest teil. Für die einen ist das eine Entwicklungshilfe unter Freunden, für die anderen der nächste Ausschlag in der Kommerzialisierung des Volksguts Fußball. Teile der Fans fühlen sich verkauft.

Chinas U20: TSV Schott Mainz rechtfertigt Spiel

Der TSV Schott Mainz ist im Sommer erstmalig in die Regionalliga aufgestiegen und hat gerade alle Hände voll damit zu tun, sportlich irgendwie mitzuhalten. Die Rheinhessen sind Tabellenvorletzter und vielleicht kommt ihnen die Begegnung mit dem Gast aus Fernost gerade Recht. Für die Partie am Samstag erhalten die Mainzer nicht nur 15.000 Euro, sondern zudem die Gelegenheit, mal wieder zu gewinnen.

Punkte wird es für einen Erfolg gegen die Chinesen nicht geben, aber vielleicht etwas Mut für die Duelle, die anschließend in der Liga folgen. „Wir sind ein kleiner Verein und deshalb froh über die Möglichkeit, diese Partie zu spielen. Und froh über jede Einnahme“, sagt Schott-Geschäftsführer Till Pleuger. Die Klub-Verantwortlichen freuen sich auf die Chance eines gut bezahlten Freundschaftsspiels. Und die Fanszene des TSV protestiert nicht – es gibt sie auch nicht.

Viele Vereine verweigern sich der Idee

Das ist nicht bei allen Vereinen der Südweststaffel so, und deshalb bleibt abzuwarten, ob, oder vielmehr zu welcher Art von Protesten es kommt, wenn die Chinesen in Offenbach, Saarbrücken oder Kassel antreten. Die Anhänger dieser Klubs hatten sich mit einigen anderen im Sommer zusammengetan und einen offenen Brief in Richtung des DFB-Vizepräsidenten Ronny Zimmermann verfasst, der gleichzeitig Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Regionalliga Südwest ist. Das ist bemerkenswert, weil die Fans dieser Klubs in Teilen in großer Konkurrenz zueinanderstehen, manche sind gar untereinander verhasst. Die Wut auf die Entscheidung der „Oberen“ vereinte sie.

Waldhof Mannheim, TuS Koblenz und die Stuttgarter Kickers haben sich entschlossen, gar nicht erst gegen die U-20-Auswahl aus dem Riesenreich anzutreten. Die Proteste der Fans waren zu groß, intern wurde sogar mit der Rückgabe von Dauerkarten und Boykott gedroht.

Chinas U20 in Deutschland: Ein Deal unter Geschäftspartnern

Der Haupt-Kritikpunkt der Anhänger ist die Zusammenarbeit des Verbandes mit einem totalitären Staat, um Geld zu verdienen – monetäre Interessen stünden über gewissenhaften Überlegungen. Diesen Vorwurf stritt Zimmermann ab: „Nur die Vereine bekommen Geld, der Verband nicht.“ Richtig entkräften konnte er ihn allerdings nicht.

Die Kooperation der Bundesliga und des deutschen Verbandes mit den Chinesen auf unterschiedlichen Ebenen ist längst geschlossen – und die Eingliederung der chinesischen U 20 muss deshalb als Deal unter Geschäftspartnern gelten. Die Regierung in Berlin hat an den Verträgen der Fußballer mitgewirkt, schließlich ist Deutschland an guten wirtschaftlichen Beziehungen mit China interessiert, und der Fußball ist ein prima Vehikel auf dem Weg dorthin. Ursprünglich wollten die Chinesen schon im August mit ihrem Projekt in Deutschland starten, ehe die kontroverse Diskussion zu einem Aufschub bis in den November und den Start der Rückrunde führte.

Chinas Nachwuchs hat Wettkämpfe dringend nötig

Die Idee des chinesischen Fußball-Verbandes hinter dem Plan ist es, Talente besser zu machen. Mangels einer Ligenstruktur im Riesenreich nach europäischem Vorbild fehlt den jungen Spielern der Wettbewerb und dem sollen sie sich in den Duellen der Regionalliga-Klubs stellen.

Die Ambitionen der Chinesen sind groß, Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat den Gewinn der Fußball-WM spätestens im Jahr 2050 zum Ziel ausgerufen. „Wir wollen mit unserer Expertise unseren chinesischen Freunden beim Auf- und Ausbau von Strukturen im Bereich des Fußballs helfen“, betonte DFB-Präsident Grindel.

Die Bildungsreise der U-20-Nationalmannschaft, so viel steht fest, ist aus ihrer Sicht dringend nötig. Im Sommer, bei ihrem ersten Besuch im Südwesten, kamen die Chinesen in einem Testspiel bei der U 23 der TSG Hoffenheim mit 1:7 böse unter die Räder. Das Nachwuchsteam des Bundesligisten spielte dabei nicht einmal mit der besten Elf.

(mz)