Champions League Tuchels größte Bayern-Spiele: „Es gibt nur noch Real Madrid“
Den Hoeneß-Zoff schiebt Bayern-Coach Tuchel vorm Giganten-Treffen in der Champions League demonstrativ beiseite. Seine Gedanken kreisen um das „große Ziel“ Wembley und knifflige Aufstellungsfragen.
München - Beim lästigen Thema Uli Hoeneß tippte sich Thomas Tuchel vor den größten Spielen als Bayern-Trainer vielsagend mit beiden Zeigefingern an die Stirn und antwortete dann cool lächelnd: „Real Madrid! Es gibt nur noch Real Madrid!“ Im Kopf des 50-jährigen Tuchel - und auch der Münchner Fußball-Profis - kreisen vor der ersten Runde im Giganten-Halbfinale gegen die spanischen Champions-League-Spezialisten um Anführer Toni Kroos alle Gedanken darum, wie der ersehnte Endspieltraum real werden kann.
„Wir wollen es über die Linie bringen und unser großes Ziel erreichen: Wembley!“, verkündete Tuchel vor dem Hinspiel an diesem Dienstag (21.00 Uhr). Er weiß, dass ein Vorstoß ins Endspiel am 1. Juni in London gegen Borussia Dortmund oder Paris Saint-Germain seine Schaffenszeit in München doch noch in ein ganz anderes Licht rücken würde. Tuchel wäre als Königsklassen-Champion obenauf - und nicht Trainer-Kritiker Hoeneß. „Es würde einiges kompensieren“, gestand Tuchel nach 13 schwierigen und von bitteren Niederlagen geprägten Bayern-Monaten, wenn ein Happy End möglich bliebe.
„Gegen den Mythos Real“
Lazio Rom, FC Arsenal, Real Madrid - der beschwerliche Bayern-Weg nach Wembley ist an der Königsetappe angekommen. „Natürlich spielst du gegen Real gegen die Erfahrung, gegen das Trikot, gegen den Mythos“, sagte Tuchel feierlich über den Rekordgewinner. Joshua Kimmich drückte seine Bewunderung des Gegners so aus: Real käme in der Champions League auch dann oftmals weiter, „wenn sie nicht die bessere Mannschaft waren“. Der Nationalspieler brannte innerlich schon über 30 Stunden vor dem Anpfiff: „Ich freue mich extrem. Das ist schon ein geiles Gefühl, ein Halbfinale gegen Real zu spielen.“
Die Mäkeleien von Hoeneß an einer mangelhaften Entwicklung gerade junger Spieler unter Tuchel und das Warten auf die Zusage des neuen Trainer-Wunschkandidaten Ralf Rangnick sollen während der entscheidenden Halbfinaltage in den Hintergrund rücken. „Das Feuer hat man wahrgenommen, aber für uns zählen die beiden Spiele gegen Real“, bemerkte Kimmich zum ablenkenden Hoeneß-Tuchel-Zoff.
Tuchels Lärm-Appell ans Münchner Publikum
Tuchel fahndet nach taktischen Lösungen und nach dem passenden Personal, um das Trainerduell mit „der Legende Carlo Ancelotti“ zu gewinnen. „Das fühlt sich wie ein Finale an“, sagte er über das Hinspiel in der ausverkauften Allianz Arena, die brodeln soll. „Wir brauchen eine absolute Top-Atmosphäre. Es muss ein Heimvorteil sein, die Zuschauer müssen das Spiel atmen“, lautete Tuchels beschwörender Appell an die Münchner Fans.
Er selbst muss abwägen, wie sehr er bei der Aufstellung angeschlagener Akteure ins Risiko geht. Bei den Schlüsselspielern Jamal Musiala (Sehnenreizung) und Leroy Sané (Schambein) erwartet er „Last-Minute-Entscheidungen“. Immerhin waren beide am Montagnachmittag bei sommerlichen Temperaturen in München beim Abschlusstraining dabei, ebenso wie die angeschlagenen Defensivspieler Konrad Laimer und Dayot Upamcano. Ungünstig sieht es bei Matthijs de Ligt aus, der wegen seiner Knie-Blessur nicht trainierte. „Mein Ansatz ist, wie in einem Finale aufzustellen“, kündigte Tuchel an. Er wird „all in“ gehen für einen Heimsieg, der die Grundlage zum Finaleinzug acht Tage später im Bernabeu-Stadion bilden soll.
Star-Auflauf: Kane, Musiala, Kroos, Bellingham, Vinícius Junior
Torgarant Harry Kane, Jungstar Musiala oder auch Königsklassen-Veteran Manuel Neuer im Tor sollen den Münchner Fußballabend prägen und nicht der ewige Real-König Kroos, Antonio Rüdiger, der ehemalige Dortmunder Jude Bellingham oder Stürmerstar Vinícius Junior, den vor allem Kimmich aufhalten muss. „Er ist einer der besten Dribbler und Eins-gegen-eins-Spieler in Europa“, sagte Kimmich über den 23-jährigen Brasilianer.
Musiala-Kumpel Bellingham (20) habe wiederum die Leerstelle in Reals Offensivspiel nach Karim Benzema gefüllt, bemerkte Tuchel anerkennend: „Jude spielt in der Zehner-, Neuner-, Achter- und Sechser-Position in Personalunion. Er ist ein Schlüsselspieler.“
Und dann sind da noch die beiden Deutschen bei den Königlichen, Kroos und Antonio Rüdiger. Gegen Letzteren muss sich Tormaschine Kane entscheidend durchsetzen. Und Kroos ist auch mit 34 Jahren immer noch Reals Leader und Dirigent. „Toni gibt jeder Mannschaft eine gewisse Sicherheit. Er hat viele Erfolge im Rucksack“, lobte Kimmich. Fünfmal gewann Kroos den Henkelpott mit Bayern (2013) und Real (2016, 2017, 2018, 2022).
Endlich wieder „Bestia Negra“?
„Die ganze Fußballwelt freut sich“, glaubt Manuel Neuer. Der Erste der ewigen Tabelle der Champions League (Real) trifft auf den Zweiten (Bayern). Beide Clubs lieferten sich in Europa viele legendäre Duelle. In Madrid galten die Bayern lange sogar als „Bestia Negra“. Aber seit dem letzten Münchner Halbfinal-Triumph 2012 hat der Ruf als „Schwarze Bestie“ gelitten. Im Halbfinale 2014, Viertelfinale 2017 und Halbfinale 2018 jubelte stets Real.
Trotzdem mochte Kimmich nicht „von Revanchegelüsten“ sprechen, weil sich beide Teams personell seitdem stark verändert hätten. Es geht einzig um die Gegenwart, ums Endspiel 2024. „Wir wissen, dass es ein harter Weg ist, nach Wembley zu kommen“, sagte Neuer.