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Markus Schubert und Dynamo Dresden Markus Schuber: Hass auf Torwart von Dynamo Dresden

Von Jan Schumann 03.05.2019, 19:26
20 Jahre, 19 DFB-Einsätze, eine enttäuschte Hoffnung: Markus Schubert flog aus dem Kader, weil er Dresden verlässt - und Ultras wüten.
20 Jahre, 19 DFB-Einsätze, eine enttäuschte Hoffnung: Markus Schubert flog aus dem Kader, weil er Dresden verlässt - und Ultras wüten. dpa

Mehr Liebe unter Männern geht nicht. Markus Schubert, der 20-Jährige mit dem blassen Gesicht, das ist einer, mit dessen Bild würden die Fans zum Tätowierer gehen. Sie würden sagen: Hau mir mal bitte dieses Gesicht auf die Wade. „Warum? Weil das einfach einer von ihnen ist.“ Sagt Cristian Fiél, Schuberts Trainer bei Dynamo Dresden und Ikone unter jenen Männern, die jedes Wochenende im Ultrablock des Fußball-Zweitligisten stehen.

Doch in Dresden ist die jahrelange Liebe zu Schubert schlagartig erloschen. Und die Trennung ist jetzt so schmerzhaft wie der Laser, der Tattoos wieder aus der Haut brennt. Es ist die Geschichte eines Talents im Profifußball, eines Jugend-Nationaltorwarts, der seinem Verein den Rücken kehrt und in die Erste Bundesliga strebt. Und es geht um enttäuschte Dresden-Ultras, die für ihre Gnadenlosigkeit auch gegenüber der eigenen Mannschaft bekannt sind.

Es ist der Donnerstag nach dem Mai-Feiertag, an dem Dynamo der Wut in Verein und Fanszene nachgibt und den 20-jährigen Schubert aussortiert.

Trainer Fiél erklärt vor Journalisten, dass er den Torwart aus dem Kader streicht - mitten im Abstiegskampf, drei Spiele vor Saisonende. Obwohl Schubert bisher alle Ligaspiele absolvierte, zu den Besten des Teams gehört.

Doch Fiél zieht die Notbremse, als in diesen Tagen klar wurde, dass Schubert seine Zukunft nach acht Jahren nicht mehr in Dresden sieht, sondern zu einem Erstligisten ins Fußball-Oberhaus wechseln will. Dort, wo es jedes Talent hinzieht. Und es geht auch darum, Schubert in Schutzhaft vor den eigenen Fans zu nehmen.

Markus Schubert: Dynamo Dresdens Torwart erlebt Hass aus dem Block

Die Liebe zum Torwart schlägt in Hass um. Beim Auswärtsspiel in Ingolstadt hängten Dynamo-Ultras bereits ein Banner auf: „Spieler kommen und gehen, doch du bist die größte Hure.“ Jeder wusste, wer gemeint ist. Schubert wurde von den eigenen Fans ausgepfiffen und bepöbelt.

Nie wieder. Das ist das Motto der Dynamo-Führung vor dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli am Freitag. Zum einen kann der Club im Abstiegskampf, in dem es um die Zukunft und Millionen geht, keine Hass-Stimmung im Stadion gebrauchen. Zum anderen will Fiél den jungen Torwart vor einem weiteren Spießrutenlauf schützen.

„Markus könnte mein Sohn sein“, sagt er über „Schubi“, wie sie ihn nennen. „Als ich mir gestern meinen Sohn Noah angeschaut habe, ist mir klar geworden, dass ich ihm das, was auf ihn am Freitag zukommen würde, nicht antun würde.“

Fiél sagt: „Wir sind in einer Situation, in der es für uns um viel geht - wir brauchen am Freitag eine Stimmung im Stadion, die uns hilft, die Punkte zu holen, die wir brauchen, um auch nächstes Jahr noch in der Zweiten Liga zu spielen.“

Was bei all dem mitschwingt: Die bedrohliche Kulisse, die die Dresdner Ultras auch immer wieder gegen die eigenen Spieler aufgebaut haben. Zwar ist das Rudolf-Harbig-Stadion berüchtigt für die packende Atmosphäre, immer wieder fielen Dresdner Ultras aber auch mit martialischen, einschüchternden Auftritten auf.

Der Tiefpunkt: Als der Verein 2014 aus der Zweiten Liga abstieg, entrollten Ultras nach dem Abpfiff ein Banner - „Ihr habt eine Stunde, um unsere Stadt zu verlassen“. Adressat: die eigene Mannschaft. Bereits 2011 gab es so schwere Ausschreitungen in Dortmund, dass der Deutsche Fußballbund Dynamo ein Jahr aus dem DFB-Pokal ausschloss. Das hatte es noch nie gegeben. Und Schubert?

Die Ultras verteidigen ihre Härte gegen den Jungprofi, verbreiten im Netz weiter das Bild des „Huren“-Banners. Sie halten Schubert die eigenen Zitate aus einem Bild-Interview vor („Ich bin ein Dresdner Junge, und Dynamo ist und bleibt mein Herzensverein. Ich trage die DNA des Vereins in mir.“). Sie nennen seinen Abgang aus Dresden einen „Arschtritt“. Der Verein will den Torwart schützen - doch auch die Bosse zeigen sich vom 20-Jährigen schwer enttäuscht.

Sport-Geschäftsführer Ralf Minge bringt seine Formel für den Abstiegskampf entschlossen auf den Punkt: „Drei Spiele, keine Einzelschicksale.“ Der Verein brauche jetzt Kraft - aber nicht für Personalfragen.

Deshalb spürt man auch seine Wut, merkt, wie Dynamo sich an Schubert aufreibt. „Ich bin bei weitem kein Romantiker“, sagt Minge, doch der Fall sei eine „Riesenenttäuschung“. Aus seiner Sicht wendet sich ein lange gepflegtes Talent kaltschnäuzig und undankbar ab.

„Schubi war eines unserer wichtigsten Projekte“, sagt Minge vor Journalisten. Er habe schon als 16-Jähriger einen Vertrag bekommen. Perspektive: Nummer 1 in Dresden. „Wie ne Anbahnung einer Ehe“, sagt Minge. Schon mit 17 stand Schubert für die Profis im Tor. Nun ist es aus. „Zwischen Liebe und Hass gibt’s dann wenig.“

Minge attackiert aber auch Schuberts Berater, die nicht auf Dynamos Angebote zur Vertragsverlängerung eingegangen seien, stattdessen selbst Beschimpfungen verschickt haben sollen. „Ich habe eine vierseitige Beleidigungsmail von seinem Berater bekommen, was wir denn mit dem Jungen machen würden“, erklärt Minge. Die Wut der Fans versteht er jedenfalls. „Wenn ich kein Geschäftsführer wäre, sondern nur eine Jahreskarte hätte, vielleicht hätte ich auch gepfiffen.“

Markus Schuber von Dynamo Dresden: Transferziel des Torwarts ist Unbekannt

Einer sagt derzeit gar nichts: Markus Schubert. Unklar ist, wohin es ihn im Sommer zieht. Viel spricht dafür, dass der Jugend-Nationaltorwart schon einen neuen Vertrag in der Tasche hat, den Kontrakt in Dresden jedenfalls lässt er im Sommer auslaufen.

Beugt sich der Verein nun seinen Fans, indem er den Torwart aus dem Kader schmeißt? Minge will all dies nicht auf die Ultra-Frage reduzieren, die Kränkung geht aus seiner Sicht viel weiter: Es gehe auch um Nachwuchstrainer, Sponsoren, Freunde des Vereins, Mitglieder, „die alle samt mit dieser Entscheidung nicht zufrieden sind - und ich glaube auch, dass sie das Recht haben, ihren Unmut zu äußern“.

Als es am Freitag gegen St. Pauli ging, stand der 28-jährige Patrick Wiegers im Tor. Es war  erst das zwölfte Zweitligaspiel seiner Karriere. Zwei kommen diese Saison vermutlich noch dazu. (mz)