Psychologie-Student, Käfig-Kicker, Fast-Food-Fan Deutschlands 26 EM-Fahrer im Kurz-Porträt

Frankfurt (Main) - Der acht Mann starke Bayern-München-Block dominiert Joachim Löws 26-köpfigen Kader für die Fußball-EM im Sommer (11. Juni bis 11. Juli). Die übrigen 18 Spieler der deutschen Nationalmannschaft im Aufgebot verteilen sich auf zwölf Vereine. Ein Weltmeister-Baby, echte Bolzplatzkicker, verhinderte Handballer und Leichtathleten: Der Sport-Informations-Dienst (SID) wirft einen etwas anderen Blick auf den deutschen EM-Kader.
Manuel Neuer (Bayern München/35 Jahre/98 Länderspiele/0 Tore)
Weltmeister, Welttorhüter und seit elf Jahren die Nummer eins beim DFB. Glänzt als „Manu, der Libero“. Schwächen? Als Torwart keine. Und sonst? Ein eher mäßiger Sänger.
Bernd Leno (FC Arsenal/29/8/0)
Deutscher Meister - mit der B-Jugend des VfB Stuttgart. Mit 19 Debüt in der Champions League für Leverkusen, seit 2018 ein Gunner. Ungewohnt: Muss diesmal auf Lieblingskonkurrent Marc-Andre ter Stegen verzichten.
Kevin Trapp (Eintracht Frankfurt/29/8/0)
Ein echtes Weltmeister-Baby: Trapp wurde am 8. Juli 1990 geboren - dem Tag, an dem Deutschland zum dritten Mal den Goldpokal gewann. Sein Weg zum Profi begann 2014 per Mail, mit der er sich beim 1. FC Kaiserslautern bewarb.
Matthias Ginter (Borussia Mönchengladbach/27/38/2)
Spielte als Kind auch Handball. 2014 Weltmeister ohne Einsatz und beim historischen WM-Desaster 2018 einziger Feldakteur ohne Spielminute. Bei der EM 2016 nicht dabei, dafür mit Olympia-Silber im selben Jahr und dem Confed-Cup-Sieg 2017 dekoriert.
Robin Gosens (Atalanta Bergamo/26/5/0)
Der Intellektuelle. Studiert Psychologie, liest und schreibt (!) Bücher. Hätte wegen seines niederländischen Vaters auch für Oranje spielen können.
Christian Günter (SC Freiburg/28/1/0)
War länger raus als Thomas Müller und Mats Hummels. Der SC-Kapitän spielte im Mai 2014 acht Minuten gegen Polen (0:0) - an der Seite von Andre Hahn oder Sebastian Jung.
Marcel Halstenberg (RB Leipzig/29/8/1)
Wird oft mit RB-Kollege Lukas Klostermann verwechselt, dabei ist er Rechtsfuß. Außerdem, sagt Klostermann, habe er „orange-braune“ Haare, einen Bart und Sommersprossen. Alles klar?
Mats Hummels (Borussia Dortmund/32/70/5)
Neben Thomas Müller zweiter Protagonist der „ThoMats Challenge“, bei der sie sich in witzigen Wettbewerben duellieren. Ein Internet-Hit.
Lukas Klostermann (RB Leipzig/24/12/0)
Schneller als der Blitz - auf 30 m mit 3,72 Sekunden 2016 angeblich schneller als Weltrekordler Usain Bolt (3,78). Wechselte bis 17 zwischen Fußball und Leichtathletik hin und her, fand das Kicken aber letztlich „geiler“.
Robin Koch (Leeds United/24/7/0)
Von Papa Harry, einer Lautern-Legende, hat er das Talent - „aber zum Glück nicht die Locken“. Wechselte nach Leeds, weil ihn Coach Marcelo Bielsa so genau analysierte, wie „nie“ jemand zuvor.
Antonio Rüdiger (FC Chelsea/28/40/1)
Käfig-Kicker aus Berlin-Neukölln, Kämpfer für Gerechtigkeit und gegen Rassismus. 2016 der große Pechvogel vor der EM, als er mit einem Kreuzbandriss kurzfristig ausfiel.
Niklas Süle (Bayern München/25/29/1)
Schrieb sich selbst einst das Prädikat „Lebemann“ zu - und wird es nicht mehr los. Gilt als Fastfood-Freund, kämpfte sich nach dem zweiten Kreuzbandriss zurück. Als Abwehrchef findet er sich noch zu leise. Joachim Löw auch.
Emre Can (Borussia Dortmund/27/33/1)
Verkörpert die Bolzplatzmentalität, die Oliver Bierhoff gerne einfordert, wie kein Zweiter - mitunter jenseits des Erlaubten. Zockte als Frankfurter Bub mit den Kumpels um Schokolade.
Serge Gnabry (Bayern München/25/20/15)
„Serge Gnabry spielt immer bei mir“, sagt Joachim Löw. Mit Nils Petersen 2016 Torschützenkönig bei Olympia. Führt gerne „echt tiefgründige Gespräche“ mit Kumpel Joshua Kimmich.
Leon Goretzka (Bayern München/26/32/13)
Engagiert sich glaubwürdig gegen die Rechtsaußen von der AfD, kickte mit Joshua Kimmich erfolgreich gegen Corona, benennt offen Probleme wie Antisemitismus. Legitimer Nachfolger von DFB-„Außenminister“ Philipp Lahm.
Ilkay Gündogan (Manchester City/30/45/10)
Sein Opa war Bergarbeiter - und zog einst von der Türkei nach, klar: Gelsenkirchen. Die Knappen sortierten ihn aus, als er acht war, bei Rivale Dortmund empfahl er sich für Pep Guardiola, der sagt: „Man kann gar nicht glauben, wie gut er ist.“
Kai Havertz (FC Chelsea/21/13/3)
Teuerster deutscher Profi der Geschichte, bei Chelsea trotz Rekordablöse (100 Mio.) als „Kia“ Havertz vorgestellt. Technisch aber deutlich stärker als das Auto.
Jonas Hofmann (Borussia Mönchengladbach/28/2/0)
Stammt aus einer Handballfamilie. Aber, so wusste schon Jürgen Klopp, „Jonas kann Fußball spielen, ist super-sympathisch, hat Abitur und kommt aus einem guten Haus“.
Joshua Kimmich (Bayern München/26/53/3)
Mehr Ehrgeiz geht nicht, schon als Schüler war Kimmich sehr zielstrebig: Abi mit Notenschnitt 1,7. Nervt die Kollegen mitunter mit seiner Gier, Hansi Flick sieht in ihm gerade deshalb einen kommenden Weltfußballer.
Toni Kroos (Real Madrid/31/101/17)
Querpass-Toni? Von wegen! Held im eigenen Film, wo sogar Pop-Gott Robbie Williams von ihm schwärmt. Ein „Date“ mit Kanzlerin Angela Merkel in der gemeinsamen Heimat platzte einst, weil sie sich nicht traute, ihn anzurufen.
Jamal Musiala (Bayern München/18/2/0)
Shootingstar der Saison, denkt immer nach vorne - und meist schneller als alle anderen. Beschämt sogar Ehrgeizling Joshua Kimmich. „Wenn ich überlege, wo ich in seinem Alter war...“
Thomas Müller (Bayern München/31/100/38)
Keiner ist lauter als „Radio“ Müller. Bediente die Kollegen vor der WM 2014 nach einer verlorenen Wette im Dirndl. Der Pferdefreund guckt Videos von Hengsten, „weil ich die bestmögliche Anpaarung für meine Stuten finden will“.
Florian Neuhaus (Borussia Mönchengladbach/24/5/1)
Vater Christian ist glühender Bayern-Fan, doch der Sohn spielte für die Löwen. Zieht es ihn bald zurück nach München? „Ich will mich da nicht festlegen“, sagt er.
Leroy Sane (Bayern München/25/28/6)
Auch Papa Souleyman kickte in der Bundesliga, Mama Regina gewann 1984 Olympiabronze als Sportgymnastin. Wegen seines Selbstporträt-Tattoos auf dem Rücken Ziel manches Kollegen-Spotts, Löw nennt ihn konsequent „Sahne“.
Kevin Volland (AS Monaco/28/10/1)
Debütierte 2014 mit Christian Günter gegen Polen, war seit 2016 raus. In Monaco unter Niko Kovac aufgeblüht. „Nach vier Jahren macht man sich keine allzu großen Hoffnungen mehr“, sagte er noch im November über ein DFB-Comeback.
Timo Werner (FC Chelsea/25/38/15)
Machte auf derselben Schule Abi wie Kimmich, aber „nur“ mit 3,0. Wegen seiner vergebenen Jahrhundertchance gegen Nordmazedonien dort ehrenhalber eingebürgert. Bei Chelsea bester Scorer. (sid)