Das sagt der NOFV Das sagt der NOFV: Warum die Oberliga so einen schlechten Ruf hat

Halle (Saale) - Diese kometenhafte Entwicklung glich fast einem Fußball-Märchen. Innerhalb von drei Jahren ging es für den SV Merseburg 99 zwei Ligen hoch. Aus dem Landesliga-Abstiegskandidaten wurde ein Oberligist. Doch der Aufstieg der Domstädter nimmt nun im Sommer ein abruptes Ende: Der Verein hat sich dazu entschlossen, das Kapitel fünfte Liga freiwillig zu schließen und in der siebtklassigen Landesliga Süd einen Neuanfang zu wagen.
Einer der Gründe für den Absturz: Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis mehr. Die Oberliga Süd, die dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) unterstellt ist, kämpft mit ihrer Außendarstellung. Mannschaften wie Krieschow oder Kamenz ziehen nicht beim Publikum. Gerade mal um die 100 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen des SV 99.
BSV Ammendorf will erst gar nicht aufsteigen
Zum Vergleich: Spielt in der Verbandsliga, eine Klasse darunter, der BSV Halle-Ammendorf daheim, kommen im Schnitt fast 50 Zuschauer mehr. Ammendorf ist momentan Spitzenreiter der höchsten Spielklasse Sachsen-Anhalts und wäre als Meister sportlicher Aufsteiger in die Oberliga.
Doch die Waggonbauer haben sich erst gar nicht um eine Lizenz für die fünfte Liga bemüht. Die Gründe ähneln denen des Merseburger Rückzugs. „Wir wissen nicht, was in der Oberliga besser sein sollte als in der Verbandsliga“, prangert Ammendorfs Vereinschef Lutz Schülbe die Attraktivität der Oberliga an. „Ich weiß zum Beispiel gar nicht, wo Krieschow überhaupt liegt.“
Wo die Probleme der Oberliga liegen
Doch auch finanzielle Gründe haben bei dem Verzicht eine Rolle gespielt. Zum einen kommen höhere Fahrtkosten auf die Ammendorfer zu, da der Verein dann auch nach Thüringen, Sachsen und Brandenburg reisen müsste. „Wir müssten aber auch viel Geld in unser Team investieren, um eine oberligataugliche Mannschaft aufstellen zu können“, sagt Schülbe.
Dazu kommt: Der Trainingsaufwand der Spieler wird in der Oberliga höher. Statt bisher zweimal müssten die Akteure drei- oder gar viermal in der Woche trainieren. „Je größer der Aufwand der Spieler, desto mehr Geld verlangen sie. Das ist ganz normal“, erklärt der Ammendorfer Vereinspräsident.
Ein weiterer Faktor: Die Sicherheitsanforderungen sind in der Oberliga höher, entsprechend auch die Kosten für Ordner. „Es ist sehr schwierig, die finanziellen Mehrkosten in der Oberliga zu beziffern. Auf jeden Fall wäre unser Verbandsliga-Etat in der Oberliga nicht tragbar“, sagt Schülbe.
Unbeliebte Oberliga: In Thüringen ist die Situation besonders extrem
Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) ist der Fußball-Fachverband in Ostdeutschland und einer von fünf Regionalverbänden des Deutschen Fußball-Bundes. Ihm gehören die Landesverbände von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen Anhalt und Thüringen an. Aufgabe des NOFV ist es, den Spielbetrieb der ihm unterstellten Ligen zu organisieren. Das sind die viertklassige Regionalliga Nordost sowie die beiden fünftklassigen Oberligen Nord und Süd.
Im Übrigen haben in diesem Jahr nur zwei Verbandsligisten, Blau-Weiß Zorbau und Rot-Weiß Thalheim, beim NOFV eine Meldung für die Oberliga Süd abgegeben. Diese Tatsache und die Beispiele aus Merseburg und Ammendorf belegen den geringen Stellenwert der Oberliga in Mitteldeutschland.
In Thüringen ist die Situation noch dramatischer. In den vergangenen zwei Jahren hat sich kein einziger Verein aus der Thüringenliga für einen Startplatz in der Oberliga Süd beworben. In diesem Jahr sind es mit Wacker Nordhausen II und FSV Martinroda immerhin zwei Mannschaften. „Für viele unserer Teams ist die Oberliga nicht lukrativ“, sagt Joachim Zeng, Sachgebietsleiter Spielbetrieb beim Thüringer Fußball-Verband.
Als südlichstes Bundesland im Gebiet des NOFV haben die thüringischen Vereine die weitesten Fahrtwege. Das schrecke die Teams ab. Dazu kommt, dass Auswärtsteams kaum eigene Fans mitbringen und die Attraktivität und die Zuschauerzahlen darunter leiden.
„Die Liga hat kein Imageproblem“, sagt der NOFV
Eine andere Meinung vertreten allerdings die Landesverbände aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Wir halten die Oberliga für eine gute und attraktive Liga und hatten in den vergangenen Jahren immer Teams, die ihr Aufstiegsrecht auch wahrgenommen haben“, erklärt Alexander Rabe, Pressesprecher des Sächsischen Fußballverbands.
Der Oberliga „positiv gegenüber“, steht auch Markus Scheibel, Leiter des Spielbetriebs beim Fußballverband Sachsen Anhalt. Es sei die freie Entscheidung der Vereine, in der Oberliga anzutreten oder nicht. „Ich würde mir aus sportlichem Interesse nur wünschen, dass der Meister einer Liga sein Aufstiegsrecht auch wahrnimmt“, sagt Scheibel.
Doch was sagt der NOFV selbst? Geschäftsführer Holger Fuchs will von einer mangelnden Attraktivität der Oberliga nichts wissen. „Die Liga hat kein Imageproblem“, stellt er klar. Schließlich gebe es genügend Vereine, die sich für ein Startrecht in der Oberliga beworben hätten. Dazu gehören bis auf den SV Merseburg 99 alle aktuellen Oberligisten der Nord- und Süd-Staffel.
Keine Reform der Oberliga in Aussicht
Neben den beiden Bewerbern aus Sachsen-Anhalt und den beiden aus Thüringen haben auch drei Teams aus Sachsen, vier aus Mecklenburg-Vorpommern, drei aus Brandenburg und vier Mannschaften aus Berlin eine Meldung beim NOFV eingereicht. „Entscheidend ist doch, als was die Vereine die Oberliga sehen: Für die einen ist es die Champions League, für anderen eine Durchgangsstation und für wieder andere eine zu große Nummer“, sagt Holger Fuchs.
Zumal eine Reformänderung schwierig ist. Laut Fuchs sei dies momentan auch kein vordergründiges Thema. Die Oberliga gänzlich abzuschaffen, ist erst recht keine Alternative. Die Unterschiede zwischen den höchsten Landesspielklassen und der viertklassigen Regionalliga sind schlichtweg zu groß, nicht nur sportlich: „Auch in Sachen Infrastruktur wäre der Sprung zu groß“, meint der Geschäftsführer des NOFV.
(mz)