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Kommentar zur Kritik am Superstar CR7-Häme: Cristiano Ronaldo? Einer der Größten aller Zeiten!

Von Philip Sagioglou 19.06.2016, 14:00
Cristiano Ronaldo läuft seiner Form seit einiger Zeit, möglicherweise auch verletzungsbedingt, hinterher.
Cristiano Ronaldo läuft seiner Form seit einiger Zeit, möglicherweise auch verletzungsbedingt, hinterher. AFP

Köln - Wie gemacht war diese Szene für alle, die darin sahen, was sie sehen wollten: Nach dem 1:1 gegen Portugal ging Islands Kapitän Aron Gunnarsson zu Cristiano Ronaldo, fragte ihn, ob er sein Trikot tauschen wolle. Und bekam einen Handshake – mehr nicht. Ronaldo lächelte noch, was große Teile der Öffentlichkeit als abfällig interpretierten, und ging weiter. Die Aktion rief Lippenleser auf den Plan: „Wer bist du denn überhaupt?", soll Ronaldo gefragt haben. Der pomadige Superstar verweigert dem Kapitän des charmantesten Außenseiters des Turniers den Trikottausch. Wie kann er nur!

Die einen feiern ihn, die anderen machen sich lustig

So ist das mit Cristiano Ronaldo. So war es immer. Die einen feiern ihn. Für Darbietungen auf einem Niveau, das vor ihm kaum jemand erreichte, und das seit zehn Jahren. Dafür, dass wegen ihm die Definition eines kompletten Fußballspielers überarbeitet werden musste, weil niemand vor ihm auf der offensiven Außenbahn in jeder auf dieser Position relevanten Disziplin der Perfektion so nah war. Für besondere Augenblicke, solche, die in Erinnerung bleiben werden.

Die anderen finden ihn bescheuert, so sehr, dass es eine Form des Hasses erreicht. Wegen seiner Egozentrik, seiner Selbstdarstellung als der besondere Fußballspieler, der er ist. Arrogant und pomadig nennen das viele. Oft fehlen die Argumente, zu widersprechen. Ronaldo selbst nennt diese Eigenschaften anders, es klingt einfach nur nach einem überirdischen Selbstbewusstsein, wenn er über sich spricht. Und das braucht er, um so zu spielen, wie er spielt. Für ihn zählen nur Siege, er konnte also nicht nachvollziehen, wie die Isländer über den Punktgewinn gegen Portugal jubelten. „Ich dachte, sie hätten die EM gewonnen, wie sie am Ende gefeiert haben. Das war unglaublich“, sagte er und war damit noch ein bisschen mehr als ohnehin schon der Böse.

Ronaldo lässt sich mit einem Flitzer ablichten

Am Samstagabend, die Portugiesen hatten soeben ihr zweites EM-Gruppenspiel gegen Österreich torlos beendet, stürmte ein Fan den Rasen und auf Ronaldo zu. Ordner wollten den Mann, wie es sich gehört, des Feldes verweisen. Ronaldo schritt ein, hielt die Sicherheitskräfte zurück, posierte für ein Selfie, nahm sich Zeit, bis es dem jungen Mann mit den vor Nervosität zittrigen Händen gelang, die Kamera seines Smartphones zu bedienen. Irgendwie ein rührender Augenblick.

Seine Fans feiern Ronaldo dafür. Seine Kritiker aber sind alarmiert –  sie legen ihm das als einen öffentlichkeitswirksamen Moment der scheinbaren Menschlichkeit aus.

Noch immer polarisiert Ronaldo wie kaum ein Spieler zuvor, erst recht, wenn es so läuft wie jetzt: Mit nun 31 Jahren fehlt ihm in seinen Dribblings die Explosivität vergangener Tage, er trifft auch nicht mehr so oft. Gegen Österreich vergab er eine Reihe bester Chancen und einen Elfmeter. An solchen Tagen ist er ein Max Mustermann der Hass-und-Häme-Kultur im Sport, die durch die sozialen Netzwerke noch immer exponentiell zunimmt. Das habe er verdient, der arrogante Gockel, schreiben sie dort – nur nicht so nett ausgedrückt.

Was ist wirklich echt und was nur Teil einer Inszenierung?

In der Tat weiß ja niemand außer Cristiano Ronaldo und seines für ihn väterlichen Beraters Jorge Mendes, wo die Grenze zwischen Authentizität und Inszenierung verläuft. Es lohnt sich aber, auch jenen Personen ein Ohr zu schenken, die ihn nicht nur aus dem Fernsehen und von der Tribüne aus kennen. Wie sagte Mesut Özil als junger Spieler zu gemeinsamen Zeiten bei Real Madrid? „Mit am meisten beeindruckt mich an Cristiano Ronaldo seine Bodenständigkeit. Das ist kein Scherz, auch wenn ihn viele sicher nicht zuerst mit dem Begriff bodenständig in Verbindung bringen würden. Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung und die Berichterstattung anders ist: Trotz seines Erfolges ist er immer hilfsbereit, höflich und zuvorkommend. Einfach ein netter Kerl.“ Es gibt viele Stimmen dieser Art von Ronaldos ehemaligen und aktuellen Weggefährten.

Aber das passt nicht ins Bild all jener, die nur das sehen, was sie sehen möchten. Nicht, dass Ronaldo einer der größten Fußballspieler aller Zeiten ist. Nur die Inszenierung. Schwarz und Weiß. Doch warum nicht auch bei Ronaldo auf die Zwischentöne blicken? Aron Gunnarsson, der isländische Kapitän, erklärte nach dem Spiel gegen die Portugiesen, Ronaldo habe ihm gesagt, er wolle das Trikot lediglich lieber im Kabinentrakt tauschen. Beleidigt habe er ihn erst recht nicht.

Das verhallte beinahe ungehört. Hass und Häme waren schon zu laut.