Anführer auf dem Feld Anführer auf dem Feld: Was macht einen Fußballer zum Mannschaftskapitän?

Köln - „Der Spielführer muss zu seiner Kennzeichnung an einem Oberarm eine Armbinde tragen“, heißt es im offiziellen Regelwerk des DFB: „Er ist Ansprechpartner des Schiedsrichters. Obwohl er für das Benehmen seiner Mannschaft verantwortlich ist, genießt er keine Sonderrechte.“
Der Mannschaftskapitän kümmert sich also wenn ein Mitspieler ausrastet, bekommt dafür aber keine Spezialrechte eingeräumt. Das klingt eher undankbar. Wieso ist es dann trotzdem so, dass die Spielführer-Frage eine der heiß-diskutiertesten der letzten Wochen ist?
Traditionell sind Spielführer Führungsspieler
„Wer wird Bastian Schweinsteigers Nachfolger?“ – klar, mittlerweile ist raus: Manuel Neuer ist es. Doch zwischenzeitlich wurden auch Spieler wie Jerome Boateng, Thomas Müller oder etwa Mats Hummel hoch gehandelt.
Um zu verstehen, wieso der Spielführer der deutschen Nationalmannschaft einen solchen Stellenwert hat, muss man erst einmal ein paar Jahrzente zurück gehen.
Seit jeher ist ein Spielführer mehr als nur ein Bindenträger, der mit dem Schiedsrichter verhandelt: Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthäus – sie alle waren Spielführer, aber eben auch Führungsspieler. Spieler, die auf dem Feld standen, den Ball nach vorne trieben. Spieler, die in der Kabine Ansagen machten. Ihre fußballerische Stärke und Präsenz auf dem Platz machten sie zu Ikonen, prägen das Bild des Mannschaftskapitäns bis heute.
Flache Hierarchien in der Mannschaft
Schaut man sich die Nationalmannschaft heute an, gibt es jedoch nicht mehr nur den einen Fritz Walter oder den einen Uwe Seeler: Mats Hummels, Thomas Müller, Jerome Boateng, Manuel Neuer. Sie alle machen Ansagen, dirigieren das Spiel, haben den Überblick. Auf dem Platz braucht es die Binde also möglicherweise wirklich nur noch der Regeln wegen.
Anders sieht es außerhalb des Spielfeldes aus: Die Frage: „Wie heißt der deutsche Mannschaftskapitän?“ können wahrscheinlich mehr Menschen beantworten als die Frage: „Wie heißt der deutsche Gesundheitsminister?“ Nun gut. Das mag daran liegen, dass sich mehr Menschen für Fußball interessieren als für Politik. Gleichzeitig liegt es aber auch daran, dass der DFB-Kapitän nicht mehr nur Fußballer, sondern auch eine eigene Marke ist.
Fragen – nicht nur zum Fußball
Das hat auch die Werbeindustrie erkannt: Schon Beckenbauer sang für Tütensuppen im TV, Oliver Kahn war für Wiesenhof mit Bratwurst in der Hand zu sehen, Michael Ballack war lange das Gesicht vom Reiseanbieter Ab-in-den-Urlaub und Bastian Schweinsteiger sah man gerne mit Chipsfrisch-Tüte in der Hand auf dem Sofa liegen.
Im Allgemeinen ist der Spielführer derjenige, der immer etwas sagen muss – selbst wenn die restlichen Spieler nach einer enttäuschenden Partie an den Kameras vorbei laufen. Philipp Lahm war da ein Kapitän, der durch seine Diplomatie nach dem Spiel überzeugte.
Kapitäne können nicht einfach nichts sagen
Dazu kommt: Fußballer müssen auch nicht selten Stellung beziehen zu Fragen, die eher weniger mit Sport zu tun haben. Nach der Anschlagswarnung vor dem Länderspiel in Hannover ging es um innere Sicherheit, nach dem Germanwings-Absturz um persönliche Anteilnahme. Als Mannschaftskapitän kann man da nicht einfach nichts sagen.
Manuel Neuer ist als neuer Spielführer also möglicherweise abseits des Platzes noch wichtiger als auf dem Platz selbst. Eine Voraussetzung zum guten Kapitän erfüllt er immerhin schon mal: