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Fußball  Fußball : Wagenhaus-Entdecker Schulze wird 70

Von Torsten Kühl 06.11.2020, 09:26
Lutz Schulze daheim im Naumburger Ortsteil Grochlitz. Als Übungsleiter hat sich der nunmehr 70-Jährige große Verdienste erworben.
Lutz Schulze daheim im Naumburger Ortsteil Grochlitz. Als Übungsleiter hat sich der nunmehr 70-Jährige große Verdienste erworben. Torsten Biel

Naumburg - Der geplante Geburtstags-Brunch in der „Henne“ ist abgesagt worden. Die coronabedingten Gastronomie-Schließungen und Kontakt-Beschränkungen ließen ihm keine andere Wahl. Auf seinen „70.“ wird der Naumburger Lutz Schulze am Freitag deshalb nur im Kreise seiner sportbegeisterten Familie (Tochter Claudia läuft Marathons, die beiden Enkelinnen spielen bei der SSV Eintracht Badminton, er selbst ist leidenschaftlicher Skifahrer) anstoßen können.

Das große Fachsimpeln mit gratulierenden Fußballerkollegen ist also auf unbestimmte Zeit verschoben. Dabei wäre viel zu erzählen gewesen im Rückblick auf Schulzes Karriere als kickender Stratege, der seine Nebenleute zu motivieren wusste, und als engagierter Nachwuchstrainer, der für seine Spieler große Teile seiner Freizeit opferte.

Jugendabteilung aufgebaut

Dass Lutz Schulze einst der erste Trainer eines gewissen Andreas Wagenhaus war, der es später als (bisher) einziger Naumburger in die Bundesliga schaffte und dort mit Dynamo Dresden als Verteidiger den Top-Stürmern das Fürchten lehrte, der es sogar auf drei A-Länderspiele brachte, ist eigentlich nur eine - wenn auch beachtenswerte - Randnotiz. Zu Schulzes Schützlingen gehörte zudem Uwe Rackowitz, der wie Wagenhaus später zum HFC Chemie wechselte.

Seine Laufbahn begann Lutz Schulze 1960 bei Rotation Naumburg unter Übungsleiter Ernst „Gasmann“ Mellich, der für ihn dann ein väterlicher Freund werden sollte. „Mein erstes Spiel gegen Medizin Bad Kösen mit dem späteren Oberliga-Torwart Hans Hofmann, der unter anderem bei Vorwärts Frankfurt/Oder zwischen den Pfosten stand, verloren wir mit 0:2“, erinnert sich der Jubilar. Zwischen 1962 und 1965 spielte Schulze aus familiären Gründen bei Lok Naumburg, wo seine Mutter die Turn- und Gymnastik-Sektion leitete, ehe er 1966 zur inzwischen fusionierten TSG Naumburg (nach dem Zusammenschluss von Rotation und Einheit), dem späteren NBC 1920, zurückkehrte.

Nach seinem Wechsel in den Männerbereich - sein Debüt in der ersten Mannschaft feierte er im August 1968 in Eisenberg - gehörte Schulze von 1969 bis zur Saison 1975/76 zum Kader der TSG- beziehungsweise WiWeNa-Ersten (nachdem die Fußballabteilung auf Druck des Trägerbetriebes aus der TSG herausgelöst worden war). In diese Zeit fiel auch der Aufstieg der Domstädter in die Bezirksliga; von den drei Jahren in dieser Spielklasse wirkte Lutz Schulze jedoch nur etwa die Hälfte mit, wurde er doch immer wieder von schweren Verletzungen gebeutelt. Bänderriss im rechten Knie im Oktober 1972 im Spiel in Teuchern (sechseinhalb Monate Pause), Muskelfaserriss im Aufstiegsspiel im Mai 1973 in Osternienburg, Meniskusverletzung im linken Knie (zugezogen im November 1973 im Training) sowie ein Milzriss im Ortsderby gegen die FSG Naumburg (später 05) im Dezember 1974 - es war ein langer Leidensweg für den talentierten Kicker, der am liebsten im Mittelfeld oder als letzter Mann („Da konnte ich das Spiel von hinten aufbauen“) agierte.

Aber bereits zu seiner aktiven Zeit avancierte Lutz Schulze zu einem der jüngsten, vielleicht sogar dem jüngsten Übungsleiter in der Saale-Unstrut-Region. Nach Beendigung seines Wehrdienstes in der NVA meldete er sich im November 1971 auf der Jahreshauptversammlung seines Vereins freiwillig als Coach einer neu zu gründenden Kindermannschaft. Ein Aufruf in der Zeitung zwischen Weihnachten und Neujahr bescherte ihm auf einen Schlag zehn bis zwölf Schützlinge. „Daraus wurden bis zum Frühjahr 1972 schnell 60 bis 70 Kinder, die ich in verschiedenen Altersklassen trainierte. Anfangs war ich noch ganz allein auf weiter Flut, doch dann erhielt ich Unterstützung aus den Reihen der Eltern, allen voran von Peter Kaak, Hartmut Schütze und meinem leider viel zu früh verstorbenen Freund Andreas Jermiß“, blickt Lutz Schulze zurück.

Gemeinsam bauten sie innerhalb kürzester Zeit eine gut funktionierende Nachwuchsabteilung auf. Erfolge stellten sich ein, und im Frühjahr 1973 wurde Schulze vom damaligen Chef des Kreisfachausschusses Fußball, Rudi Krone, beauftragt, eine Kreisauswahl der Elf- und Zwölfjährigen aufzubauen. Aus dieser wurden später mehrere Spieler zu Sichtungen und Lehrgängen der Bezirksauswahl eingeladen. Die Naumburger Mannschaft sorgte in der Jugend-Bezirksliga für Furore und verpasste die Bronzemedaille nur ganz knapp (und auch dank der Mithilfe von Schiedsrichtern aus den Reihen des Gegners). Was in dieser Zeit jedoch fehlte, war die Unterstützung durch die Vereinsführung. Der habe sich überhaupt nicht für den Nachwuchs aus den eigenen Reihen interessiert. „Von der Leitung ließ sich fast nie jemand blicken. Interessant wurden die Spieler erst, als sie 17 oder 18 waren“, merkt Schulze kritisch an.

Spezialist für Autokrane

Der Zusammenhalt des damaligen Erfolgsteams war allerdings so groß, dass die Kontakte nie abrissen. Auch mehr als 40 Jahre nach der aktiven Zeit treffen sich Coach und Spieler mit ihren Frauen und Kindern regelmäßig. Gelegentlich unternehmen sie Wochenendausflüge, die sie unter anderem schon nach Bayern und ins Schwabenland führten - immer bestens organisiert von Andreas Freitag. „Wir wollen Lutz’ runden Geburtstag zum Anlass nehmen, ihm für die gute Ausbildung ganz herzlich zu danken“, schreibt Schulzes damaliger Schützling Steffen Fingas.

Nach dem Ausscheiden bei WiWeNa leitete Lutz Schulze in den 80er-Jahren die Fußball-AG der Otto-Grotewohl-Oberschule. Bis zur Wende konnte der gelernte Baumaschinist, der sich in seinem späteren Berufsleben auf Autokrane spezialisiert hatte, viele weitere Kinder und Jugendliche für seinen geliebten Sport begeistern. Später kickte er noch bei den „Alten Herren“ der Naumburger Friesen.