Fußball-EM „Wirklich hart“: Ukraine verabschiedet sich mit Applaus
Belgien bleibt zum Abschluss der Gruppenphase blass, holt aber den nötigen Punkt fürs Weiterkommen - am Ende auch mit Glück. Die Mission der ukrainischen Fußballer bei der EM endet.
Stuttgart - Als das Ende besiegelt war, sanken einige ukrainische Fußballer enttäuscht zu Boden. Auch der warme Applaus der Fans in Stuttgart tröstete die Spieler kaum darüber hinweg, dass sie nach einem 0:0 gegen Belgien ihre EM-Reise beenden müssen. Vier Zähler in der Vorrunde reichten nicht für den Einzug ins Achtelfinale - obwohl sie damit punktgleich mit Gruppensieger Rumänien waren.
Während den Verlierern applaudiert wurde, pfiff der belgische Anhang die eigenen Spieler nach der mauen Vorstellung heftig aus. Kapitän Kevin De Bruyne dirigierte seine Kollegen ob der wütenden Anhängerschaft direkt in die Kabine.
„Wir haben schon im ersten Spiel diese Gruppe verloren, da hätten wir gegen Rumänien gewinnen müssen“, sagte der aufgeräumt wirkende ukrainische Trainer Serhij Rebrow. „Heute war es wirklich hart, klar.“ Sein Team habe alles gegeben, „wir haben nicht an die anderen Mannschaften gedacht, wir wollten punkten. Wir hatten die Fans, wir wollten mit ihnen gemeinsamen gewinnen.“
Doch es reichte nicht. Da das Parallelspiel zwischen der Slowakei und Rumänien 1:1 endete, blieben die Ukrainer Tabellenletzter. „Wir haben ein junges Team, eines mit einer großen Perspektive, einer großen Zukunft. Ich hoffe, dass ich mit ihnen weiterarbeiten kann“, sagte Rebrow.
Eine Mission bei diesem Turnier war es, gerade die Menschen in der Heimat zumindest eine Zeit lang vom Leid durch den russischen Angriffskrieg abzulenken. Ukrainische Fans im Stadion zeigten kurz nach dem Anpfiff ein Banner mit dem Konterfei des gefallenen Soldaten Nasarij Hrynzewytsch von der umstrittenen Brigade Asow. Es sollte laut der verantwortlichen Fan-Organisation daran erinnern, dass Tausende Anhänger des ukrainischen Teams an der Front kämpfen, um ihr Land gegen Russland zu verteidigen.
Schwäbisches Heimspiel für Tedesco
Die vom Ex-Bundesliga-Trainer Domenico Tedesco trainierten Belgier beendeten die Vorrunde ebenfalls mit vier Punkten als Zweiter. In Düsseldorf treffen die Roten Teufel am kommenden Montag nun auf Titelanwärter und Vizeweltmeister Frankreich.
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es wäre ein normales Stadion und ein normales Umfeld für mich“, hatte Tedesco vor der Partie gesagt. Der 38-Jährige wurde in Italien geboren, wuchs aber im Landkreis Esslingen auf. Familie und Freunde waren in die Arena gekommen, um den früheren Nachwuchstrainer des VfB Stuttgart bei seinem persönlichen EM-Heimspiel zu unterstützen.
Und sie sahen zunächst eine dominante belgische Mannschaft. „Die Belgier sind einfach gut, das sind hervorragende Spieler“, lobte Rebrow später. Für die Anfangsphase stimmte das auch. Wenn Belgien gefährlich wurde, war Superstar Kevin De Bruyne von Manchester City in der Regel beteiligt. Schon in der siebten Minute bediente er Romelu Lukaku, der wuchtige Angreifer scheiterte aber am ukrainischen Schlussmann Anatolij Trubin. Lukaku wartet noch auf sein erstes Turniertor. In den ersten beiden Gruppenspielen waren dem 31-Jährigen in Summe drei Treffer aberkannt worden.
Ukraine fehlt offensiv die Zielstrebigkeit
Ab Mitte der ersten Halbzeit wagten sich auch die Ukrainer, die auf den angeschlagenen Mychajlo Mudryk vom FC Chelsea verzichten mussten, häufiger nach vorne. Mal spielten sie ihre Angriffe aber zu unsauber, mal zu überhastet zu Ende. Ein Weitschuss von Roman Jaremtschuk war kein größeres Problem für den Noch-Wolfsburger Koen Casteels im Tor der Belgier (20.) - und eines der wenigen Highlights in den ersten 45 Minuten. Von den Rängen gab es zur Pause demnach auch einige Pfiffe.
Auch nach dem Seitenwechsel erhöhten beide Mannschaften zunächst kaum das Risiko. Die Belgier hatten mehr Ballbesitz, aber nach wie vor wenige gelungene Offensivaktionen. Nach gut einer Stunde versuchte es Lukaku mal wieder, konnte Trubin im Tor der Ukrainer mit seinem Flachschuss aber nicht überwinden.
Casteels rettet auf der Linie
Ein Angriff, bei dem sich Belgiens Yannick Carrasco verzettelte und nicht etwa auf den freistehenden De Bruyne querlegte, stand sinnbildlich für das mäßige Niveau der Partie (67.). Ein Schuss von Carrasco kurz später war besser - aber auch nicht gut genug.
In der Schlussphase mussten die belgischen Fans gehörig um das Achtelfinal-Ticket bangen, einen direkt aufs Tor gezogenen Eckball klärte Casteels gerade noch auf der Linie. Die Ukrainer drängten weiter auf das dringend benötigte Tor, vergaben aber auch beste Abschlussmöglichkeiten.