Fußball-EM Nagelsmanns geheimes Personal-Puzzle vor dem Wolkenbruch
Zwei Tage vor dem K.-o.-Duell mit Dänemark wird beim DFB-Team hinter geschlossenen Türen am Personal-Tableau und am Matchplan gearbeitet. Wer die Rolle des Abwehrchefs ausfüllt, bleibt offen.
Herzogenaurach - Als der Wolkenbruch auf das EM-Quartier niederging, war der geheime Praxistest von Julian Nagelsmanns Dänemark-Matchplan für die Fußball-Nationalspieler gerade erledigt. „Das war Glück. Der Regen war schon heftig“, erzählte später Nico Schlotterbeck, der auserkoren war, zwei Tage vor dem EM-Achtelfinale nach der komplett geschlossenen Übungseinheit ein paar Planspiele zu verraten.
Die wichtigste Frage wird aber wohl erst kurz vor dem Anpfiff am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) im Dortmunder Stadion beantwortet: Kann Abwehrchef Antonio Rüdiger nach seiner Zerrung im rechten Oberschenkel auflaufen? Oder muss der noch ziemlich turnierunerfahrene Schlotterbeck (13 Länderspiele) mit dem Stuttgarter Turnierneuling Waldemar Anton (2 Länderspiele) die dänische Offensive um Topstürmer Rasmus Højlund stoppen?
Schlotterbeck und Rüdiger oder Schlotterbeck und Anton
Die erste Antwort von Schlotterbeck auf dem DFB-Podium hörte sich noch recht klar an. „Toni und ich haben schon ein paar Mal zusammengespielt in der Nationalmannschaft. Muss man dann schauen, wie es läuft. Ich hoffe, wir kriegen das ganz gut hin“, sagte der 24-Jährige. Als kleine Zugabe wies er auch noch darauf hin, dass er „ein Freund davon“ sei, wenn man „beide Füße in der Innenverteidigung hat“. Das heißt: Einen Rechtsfuß (Rüdiger) und einen Linksfuß (Schlotterbeck).
Plan A ist klar: Nach dem definitiven Ausfall von Jonathan Tah (Gelb-Sperre) will der Bundestrainer möglichst einen Komplett-Umbau der Innenverteidigung vermeiden. Und darum wird seitens der medizinischen Abteilung alles versucht, um Rüdiger für das erste K.-o.-Runden-Spiel spielfähig zu bekommen. Die Entscheidung aber werde erst „kurz vor dem Spiel“ fallen, lautete das DFB-Update. Rüdiger befinde sich weiter im „Aufbautraining“. Und der Profi von Real Madrid habe „den nächsten Schritt“ gemacht.
„Ich hatte keinen leichten Start bei Julian“
Es ist nicht nur eine Frage der Physis, sondern auch eine des Kopfes. Abwehrspieler können Zweikämpfe kaum physisch dosieren. Außerdem ist höchstes Tempo erforderlich, um die gegnerischen Angreifer ablaufen zu können. Da dürfen im Kopf des Spielers keine Zweifel herumschwirren, ob der Muskel auch hält. „Ich hoffe, dass es bei ihm klappt“, sagte Schlotterbeck, der das Problem mit Zerrungen aus eigener Erfahrung kennt: „Toni kann selbst am besten in seinen Körper reinfühlen. Ich hatte die Verletzung auch schon mal. Die ist nicht leicht, aus dem Kopf wegzubekommen. Da muss man bis Samstag warten.“
Wenn Rüdiger doch passen müsste, würde Schlotterbeck bei Plan B mit dem wohl künftigen BVB-Kollegen Anton an seiner Seite sogar noch mehr in den Fokus rücken. Jener „Schlotti“, den Nagelsmann erst wegen dessen starken Leistungen in der Champions League wieder nominierte. „Ja, ich hatte keinen leichten Start bei Julian“, bestätigte Schlotterbeck. Und „ja“, er hatte in den vergangenen Monaten auch an seiner EM-Nominierung „gezweifelt“.
Aber nun ist der Moment gekommen, als Ersatzmann des Stammspielers Tah die Zweifel an seiner Tauglichkeit auszuräumen. Schlotterbeck hatte keinen guten Start im DFB-Team. Er verschuldete mehrere Elfmeter. Er verschuldete auch das entscheidende 1:2 gegen Japan bei der WM 2022, auf das er prompt am Donnerstag wieder angesprochen wurde.
Die beste Verteidigungslösung
„Das ist über eineinhalb Jahre her. Es ist passiert damals, ich wollte nicht, dass es passiert. Ich kann damit umgehen“, sagte der BVB-Profi dazu. Ähnlich resolut reagierte er auf das Thema Konstanz, die auch Nagelsmann bei ihm angemahnt hatte: „Konstanz ist so ein großes Wort.“ Der früher oft abenteuerlustig spielende Schlotterbeck findet, dass er auch diese Anforderung in letzter Zeit im Vereinstrikot „ganz gut hinbekommen“ habe.
Füllkrug oder Havertz
Die beste Verteidigungslösung gegen die in der Gruppenphase keinmal siegreichen, aber auch keinmal besiegten Dänen hatte er auch parat. „Wenn du viel den Ball hast, kann nicht so viel passieren.“ Natürlich wird erwartet, dass die deutsche Elf das Spiel bestimmt.
Und viele Fans wünschen sich, dass erstmals Niclas Füllkrug von Anfang an stürmt, auch wenn die Tendenz dazu geht, dass Kai Havertz wieder vorne beginnen wird. Der Top-Joker Füllkrug geht nach zwei Turniertreffen öffentlich gelassen mit dem Thema um. „Der Trainer wird weiter ein gutes Gefühl haben, wen er beginnen lässt und wen er einwechselt“, sagte der 31-Jährige in der ARD: „Der mögliche Titelgewinn ist so viel größer als jeder Einzelne.“