Dessau-Roßlauer Handballverein Dessau-Roßlauer Handballverein: Wie die Rückkehr in die 2. Liga möglich wurde

Dessau-Roßlau - Im Mai 2011 vor der Leipziger Ernst-Grube-Halle war das Selbstbewusstsein greifbar: In der Relegation war Drittligist DhfK eigentlich Außenseiter. Doch das ganze Drumherum ließ keinen Zweifel, wer dieses Spiel gewinnen würde: Leipzig hatte Joel Abati und Goran Stojanovic reaktiviert. Zwei Weltstars im Ruhestand. Das 32:25 sicherten andere. René Boese warf 15/7 Tore. Entscheidend war der Mann an der Linie: Trainer Uwe Jungandreas hatte Dessau-Roßlau decodiert - und deklassiert. Fassungslos zogen die Fans von dannen. „Chancenlos in die dritte Liga“ war damals meine Überschrift.
Viele Fragen vor dem Aufstieg
Fünf Jahre ist das her. Und es ist eine ziemliche Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Jungandreas den Dessau-Roßlauer HV wieder in die zweite Liga geführt hat. Viele hatten nicht mehr daran geglaubt. Mich eingeschlossen. Der Grund: Die neue eingleisige zweite Liga hat nicht mehr viel zu tun mit der zweigleisigen zweiten Liga von einst. Es ist fast eine Profiliga. 20 Mannschaften bedeuten 38 Spiele - und weite Reisen, auch in der Woche. Es gibt viele Vereine, deren Etat an der Millionen-Grenze kratzt. Wie sollte das in Dessau-Roßlau möglich sein?
Der direkte Wiederaufstieg ist 2012 schief gegangen. Obwohl der Kader größtenteils zusammengehalten wurde und mit Georgi Swiridenko ein alter Bekannter an die Trainerlinie zurückkehrte. Zwei Anläufe nahm der weißrussische Coach. 2013 wurde sein Vertrag nicht verlängert. Es kam Sven Liesegang, der scheiterte. Der Magdeburger wurde im Februar 2014 beurlaubt. Es übernahmen Manfred Breu und Jens Werner, die am 1. November 2014 den Platz frei machten für Uwe Jungandreas.
Es ist nicht übertrieben, eines festzustellen: Der Aufstieg wäre ohne Jungandreas nicht gelungen. Doch auch mit dem Erfolgscoach bleibt die Drittliga-Meisterschaft ein kleines Wunder.
Man darf nicht vergessen: Dessau-Roßlau hat sich diesen Aufstieg nicht zusammengekauft. Es gab vier Neuzugänge vor der Saison: Chris Hoffmann kam von Oberligist Radis, Tom Hanner, Florian Pfeifer und Phil Döhler aus der dritten Liga. Döhler war ein 20-jähriger Torwart aus Köthen. Dass Döhler am Ende Stammtorwart wurde, zeigt zweierlei: Welche Entwicklung einzelne Spieler in dieser Saison genommen haben. Und: Dass Uwe Jungandreas sich vor unbequemen Entscheidungen nicht scheut. Chris Alisch hatte unter dem neuen Trainer keine Chance. Federico Sincich wurde im Winter in die Reserve „geschickt“. Andreas Sprecher gab ein überraschendes Comeback.
Auswärts war immer Zugabe
All das verlief geräuschlos. Die Ergebnisse gaben Jungandreas recht. Der hat vor allem eines geschafft: Die Auswärtsschwäche des Teams abzustellen. Alle Trainer vor ihm sind daran gescheitert. Auswärts war für Dessau-Roßlau immer Zugabe. Oft genug spielte die Mannschaft auch so. Nicht in dieser Saison: Jungandreas disziplinierte das Team und stabilisierte vor allem die Abwehrarbeit. 685 Gegentore hat der DRHV in 28 Spielen kassiert. Keiner hat weniger. Offensiv lebte die Mannschaft davon, nicht den Torjäger zu haben. Unter den Top-20 der Liga sind mit Tomasz Pavlicek (7.) und Robert Lux (18.) nur zwei Dessauer.
Was den Ausschlag gegeben hat? Die Fitness. Dessau-Roßlau konnte vor allem in den Schlussphasen immer zulegen. Vor allem aber der Teamgeist. Trainer Uwe Jungandreas hatte den oft beschworen - und am Sonntag zu einer besonderen Geste gegriffen: mit einem emotionalen Dank an seinen Kapitän.
„Ich habe schon viele gute Kapitäne gehabt“, sagte Jungandreas auf der Pressekonferenz im VIP-Raum. Marko Bergelt und Stefan Voigt in Delitzsch, Fabian von Olphen in Magdeburg. „Was Luxer in dieser Saison geleistet hat, das ist einfach sensationell.“ Als sich beide abklatschten, das war schon ein besonderer Moment. Weil es etwas von Abschied hatte.
Robert Lux hört zum Saisonende auf. Marco Hüls, Chris Alisch und Federico Sincich werden den Verein verlassen. Weitere Personalentscheidungen sind noch offen. Ein Umbruch steht an. Den Uwe Jungandreas gestalten muss. Sein Vorteil: Der Trainer hat bei der DHfK Leipzig und beim SC Magdeburg gearbeitet. Erfolgreich. Die Verantwortlichen wissen, dass Jungandreas ihre Talente besser machen kann. Torwart Philipp Ambrosius kommt deshalb aus der Landeshauptstadt nach Dessau. Ein Anfang. Doch im Kader sind noch viele Lücken zu füllen - mit Verstärkungen wie Ergänzungen. Da könnte es gut passen, dass DHfK Leipzig am Montag Linkshänder Andreas Rojewski vom SC Magdeburg holte und nun einen Leih-Verein für Super-Talent Franz Semper sucht... Bislang war Aue im Gespräch. Dessau liegt näher. Vor allem aber gilt es, keine finanziellen Abenteuer einzugehen. In diesem Sommer ist der DRHV schuldenfrei. Dank enormer öffentlicher Gelder. Eine neue Chance bekommt der Verein nicht mehr.
Zuschauer sind gefordert
Wird die zweite Liga ein Abenteuer? Ja. Auch für die Fans. Seit August 2014 (!) ist die Mannschaft zu Hause ungeschlagen. 2 214 Zuschauer sorgten am Sonntag gegen Potsdam für eine Saison-Rekord-Kulisse - und setzten Maßstäbe für die Zeiten, wenn es auch mal Niederlagen setzt. Dessau-Roßlau ist kommende Saison in der zweiten Liga ein Außenseiter, der Klassenerhalt alleiniges Ziel. Ist der schaffbar? Keine Ahnung. Aber es wird spannend zu beobachten sein in der kommenden Saison. Und der Dessau-Roßlauer HV hat schon diese Saison überrascht. Mich auch. Es gibt Schlimmeres. (mz)