Diskuswerferin aus Halle Diskuswerferin aus Halle: Nadine Müller heiratet Freundin

Berlin/MZ - Der Beweis war sorgfältig in den Schuhen hinter der Bank in der Trainingshalle deponiert. „Hier ist er“, sagte Nadine Müller und zeigte mit einem seligen Lächeln ihren Ehering. Aus Gold ist er und mit funkelnden kleinen Steinen besetzt. Während des Trainings hat Deutschlands beste Diskuswerferin das Schmuckstück abgelegt. Um ihn danach gleich wieder überzustreifen, damit alle Welt sieht: Sie ist verheiratet. Sie bekennt sich zur Liebe ihres Lebens. Das ist neu. Und mutig. Denn Nadine Müllers Glück heißt Sabine.
„Wir wollen uns nicht mehr verstecken“, sagt die Sportlerin frei heraus. Mit dem Menschen, mit dem sie seit vier Jahren Freud und Leid teilt, will sie dies nun auch öffentlich tun. Wenn ihre Frau sie nach einem tollen Sieg umarmen will, so soll sie das tun. Oder auch trösten, wenn mal nötig. Bisher haben die beiden all diese Vertrautheiten in der Öffentlichkeit vermieden. Aus Selbstschutz. Um fragenden Blicken aus dem Weg zu gehen. Sich nicht erklären zu müssen.
Die Hallenserin zählt zu den besten Diskuswerferinnen der Welt. Zu ihren größten Erfolgen zählen eine Silbermedaille bei der WM 2011 im südkoreanischen Daegu und der vierte Platz bei den Olympischen Spielen in London.
Jetzt also ist es raus. „Ich fühle mich befreit“, sagt Nadine Müller. „Ich bin froh, dass mit dem Versteckspiel jetzt Schluss ist.“
Dabei haben es Freunde, Familie und auch die Trainingsgruppe längst gewusst. Und akzeptiert. So waren sie vermutlich auch nicht überrascht, als sie die Einladung zur Trauung erhielten. Höchstens über den schnellen Termin am Silvester-Vormittag. „Heiraten wollten wir ja sowieso. Aber erst vor drei Wochen haben wir uns ganz spontan dazu entschieden, das Jahr mit diesem schönen Erlebnis ausklingen zu lassen“, erzählt die 28-Jährige. Die WM im Sommer in Moskau war für die ehrgeizige Athletin mit Platz vier nicht so verlaufen wie erhofft, dazu kamen Verletzungen, eine Operation. Die Hochzeit soll auch der Startschuss sein für eine neue, erfolgreiche Etappe in ihrer beider Leben.
Ganz kurzfristig geplant
Dabei war es gar nicht so einfach, so kurzfristig noch ein Standesamt zu finden, das am letzten Tag des Jahres arbeitet. So sind sie schließlich in Zwenkau, südlich von Leipzig, gelandet. Die flugs in Auftrag gegebenen Ringe kamen kurz vor Weihnachten, die beiden Brautkleider - per Internet über Maßanfertigung bestellt - gerade einmal 24 Stunden vor Ultimo.
Dass die Hochzeit zu einem unvergesslichen Traum wurde, dafür sorgten dann auch die Freunde, die sich anschließend zur Party in ihrem Haus nahe Schkeuditz einfanden. Für all diejenigen, die die Feiertage schon langfristig anderweitig verplant hatten und deshalb nicht dabei sein konnten - so wie Nadine Müllers Trainer Rene Sack - wird nach dem nächsten großen Meisterschaften, den Europameisterschaften im August in Zürich, noch einmal ein Riesenfest steigen. Am besten gleich verbunden mit einer Siegesfeier. So eine Hochzeit kann schließlich auch sportlich ungeheuer beflügeln.
Das neue Ehe-Leben auch. Denn zu dem sollen in absehbarer Zeit auch Kinder gehören. „Wir wollen zwei“, sagt Nadine Müller. „Jede eins.“ Sie haben sich schon kundig gemacht über Samenspenden - was zeigt, dass dieser Entschluss nun alles andere als spontan ist, sondern wohlüberlegt.
Ihre Karriere will Nadine Müller aber nicht unterbrechen. „Sabine wird den Anfang machen, sie ist schließlich älter als ich und ihre biologische Uhr tickt“, sagt Nadine Müller und lacht.
Sammelbegriff als Nachname
Über ihre bessere Hälfte will sie nicht allzu viel verraten, erzählt nur, dass sie sehr sportlich ist und früher einmal Floorball gespielt hat. Ihr zuliebe habe Sabine sogar den Nachnamen Müller angenommen. Oder wie es die Diskuswerferin augenzwinkernd ausdrückt: Sie hat „ihren wohlklingenden Nachnamen abgelegt und sich auf einen Sammelbegriff eingelassen“.
Ihr selbst hat der Schritt in die Öffentlichkeit offenkundig gut getan. Nadine Müller wirkt locker und gelöst. Zwar will sie gleichgeschlechtlichen Partnern nicht grundsätzlich zum Coming-out raten, aber Mut machen, will sie ihnen sehr wohl. „Ich denke“, sagt Nadine Müller, „das muss jeder selbst entscheiden. Ich jedenfalls bin froh, diesen Schritt gegangen zu sein.“
