DHB-Kapitän DHB-Kapitän: Uwe Gensheimer ist in der Weltspitze angekommen

Doha - Für Uwe Gensheimer hätte das Timing nicht besser sein können. Anderthalb Wochen weilen die deutschen Handballer bereits in Doha, und der Rhythmus einer WM lässt den Spielern nicht viel Zeit für Abenteuer. Einen Tag spielt man, am nächsten wird trainiert und der Gegner analysiert, der am darauffolgenden Tag schon wieder wartet. Für die Nationalmannschaft steht am Samstag die Partie gegen Saudi-Arabien an (17 Uhr MEZ, Sky), einen krassen Außenseiter, ein Sieg ist Pflicht. Da kann man schon mal ein bisschen mehr relaxen. Oder mit Jeeps durch die Wüstendünen Katars gleiten, wie es die DHB-Auswahl am Freitag machte. „Das ist wichtig, um den Kopf frei zu bekommen“, sagte Kapitän Gensheimer.
Für den Linksaußen der Rhein-Neckar Löwen ist es bereits das vierte Turnier mit dem DHB-Team, er kennt die Kleinigkeiten, auf die es ankommt, will man auch nach einer langen und kräftezehrenden Vorrunde weiter erfolgreich sein. Sein Wissen gibt er auch an die Neulinge im Team weiter, die öfter mal seinen Rat suchen. Dabei war Gensheimer, der 28-Jährige, vor ein paar Jahren selbst noch ein Jungspund. „Uwe“, sagt DHB-Teammanager Oliver Roggisch, „hat sich enorm entwickelt. Er ist eine Führungspersönlichkeit geworden und hat viel gelernt.“ Es war die logische Konsequenz, dass Gensheimer im Sommer die Kapitänsbinde von Roggisch übernommen hat.
In die Weltklasse aufgestiegen
Gensheimer ist aber nicht nur das Sprachrohr und der Ansprechpartner der Teamkollegen. In einem eher schleichenden Prozess ist er sogar zum Repräsentanten des deutschen Handballs aufgestiegen. Er löste damit den Berliner Torwart Silvio Heinevetter ab, der die Rolle in den vergangenen Jahren innegehabt hatte. Als das ZDF-Sportstudio vor der WM einlud, grinsten Gensheimer und Bundestrainer Dagur Sigurdsson in die Kameras. Für Heinevetter sind offizielle Termine inzwischen lästiges Pflichtprogramm. Gensheimer ist öfter gefragt. Er nimmt sich Zeit, spricht reflektiert. Er sieht gut aus, das kommt dazu. „Vieles in diesem Zusammenhang definiert sich auch über sportlichen Erfolg“, sagt Roggisch, „Uwe ist zur absoluten Weltklasse aufgestiegen, war zuletzt stets der beste Spieler der Bundesliga. Heine hat mit den Füchsen eine nicht ganz so gute Hinrunde gespielt.“
Im Achtelfinale kommt es zu Überkreuzvergleichen der Staffeln A/B und C/D. Der Erste der Gruppe A spielt gegen den Vierten der Gruppe B, der Dritte gegen den Zweiten. Die Verlierer scheiden aus dem Turnier aus.
Im Viertelfinale ziehen die Gewinner ins Halbfinale ein, die Verlierer spielen in der Platzierungsrunde um die Ränge fünf bis acht. Die acht Mannschaften, die das Achtelfinale verpassen, spielen im Presidents Cup um die Ränge 17 bis 24. Der Weltmeister ist für Olympia 2016 qualifiziert. Die Teams auf den Rängen zwei bis sieben qualifizieren sich für die Olympia-Ausscheidungsturniere. (ksta)
Dabei kämpfte Gensheimer lange mit seinem Ruf im deutschen Handball. Zu Beginn seiner Karriere spielte er mal sensationell, mal auf bescheidenem Niveau. An ihm schieden sich die Geister. Die einen reduzierten ihn auf seine Trickwürfe von links außen, die anderen sahen in ihm den kompletten Führungsspieler, der er mittlerweile ist. Gensheimer nahm die Kritik an, er bekam schnell mit, dass es nicht ausreicht, mit Drehern an die Weltspitze zu gelangen. Er wurde variabler, bei den Löwen etwa unverzichtbar in der offensiven Deckung und ein sicherer Siebenmeterschütze. Er stieg auf zum Star der Bundesliga, hätte zum ruhmreichen FC Barcelona gehen können, wohl auch zum Serienmeister THW Kiel. Er blieb bei den Rhein-Neckar Löwen. Weil er heimatverbunden ist, „absolut bescheiden“, sagt Roggisch.
Der letzte Makel ist ausradiert
Und auch seinen letzten Makel hat Gensheimer bei dieser WM ausradiert: seine gerade mal soliden Auftritte im Nationaltrikot. Sowohl bei der WM 2011, als auch den Europameisterschaften 2010 und 2012 überzeugte er nie vollends, war nur ein Mitläufer. „Es gab den Uwe im Klub und den Uwe in der Nationalmannschaft“, sagt Roggisch. Gensheimer betont: „Es war immer mein Ziel, in der Auswahl so aufzutreten wie im Klub.“ Lange musste er warten, um an diesen Punkt zu kommen. Bei der WM 2013 fehlte er aufgrund eines Achillessehnenrisses, bei der EM 2014 war Deutschland nicht qualifiziert. Mit seinen bisherigen Auftritten in Katar dürfte Gensheimer seine Kritiker endgültig ruhiggestellt haben.
Spanien steht mit dem fünften Sieg im fünften Spiel im Achtelfinale. Die Iberer sicherten sich den ersten Platz in Gruppe A durch einen 30:26-Erfolg gegen Slowenien. Sie treten am Sonntag gegen ... an.
Auch Brasilien hat mit dem letzten Gruppenspiel die Runde der letzten 16 erreicht. Durch den 30:22-Sieg gegen das punktlose Chile können die Brasilianer nicht mehr vom vierten Platz der Gruppe A verdrängt werden. Sie treffen ebenfalls am Sonntag auf den Titel-Mitfavoriten Kroatien. Auch Tunesien machte den Einzug ins Achtelfinale am letzten Vorrundenspieltag perfekt. Die Nordafrikaner bezwangen Iran zum Abschluss der Gruppe B mit 30:23 (12:12). (ksta)
24 Tore hat der Mannheimer bei diesem Turnier erzielt, damit liegt er auf Rang sechs der WM-Torschützenliste. Sein Spiel ist aber noch mal variabler geworden, was man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Er spielt eine wichtige Rolle in der „Zweiten Welle“, der zweiten Phase im Gegenstoß. Unter anderem ist es seine Aufgabe, mit dem Ball das Feld schnell zu überbrücken und am gegnerischen Kreis die freien Mitspieler zu finden. „Uwe trägt viel mehr Verantwortung für den Ball“, sagt Roggisch. „Nach dem Turnier wird er international noch mal ein höheres Standing haben als davor.“