American Football Deutsche in der NFL: Spielen Equanimeous St. Brown und seine Brüder bald für Deutschland American Football?

Friedensdorf - Friedensdorf präsentiert sich dieser Tage ganz getreu seinem Namen. Friedlich, ein bisschen verschlafen. Rund um das Wedell-Denkmal und den Dorfteich schmelzen die letzten Schneereste. In den Schaukästen des Dorfes wird noch auf den Kinder-Fasching im Dorf-Gemeinschaftshaus hingewiesen - der fand am vergangenen Sonntag statt.
Hier, in dem kleinen Örtchen östlich von Merseburg, ist der Charme des Dorflebens greifbar. Und genau das weiß Linde Zeising zu schätzen: „Hier im Dorf kennt jeder jeden“, sagt sie.
Aus Friedensdorf in die NFL und zum Super Bowl?
Linde Zeising ist 84 Jahre alt. Sie verbrachte ihr ganzes Leben in Friedensdorf, 17 Jahre lang trug sie hier die Mitteldeutsche Zeitung aus. Trotzdem ist sie vielleicht die internationalste Bewohnerin des Ortes. Weite Teile ihrer Familie nämlich leben in den USA, so auch ihre drei Großneffen Equanimeous, Osiris und Amon-Ra.
Am Wochenende erleben die Vereinigten Staaten wieder ihr wichtigstes Sportereignis des Jahres: In Houston findet der Super Bowl statt, das Finale im American Football. Das größte Eintages-Sportereignis der Welt hat inzwischen auch in Deutschland eine große Anhänger. Und es sind eben jene drei Großneffen von Linde Zeising, die daraus in Zukunft womöglich einen kleinen Hype machen könnten.
Die Brüder Equanimeous, Osiris und Amon-Ra St. Brown gelten als große Talente auf den Sprung Richtung US-Profiliga. Und sie könnten die ersten Deutschen sein, die es auf einer sogenannten „Skilled Position“, also einer zentralen Angriffsposition, in die NFL und vielleicht eines Tages auch in den Super Bowl schaffen.
Die bewegte Familiengeschichte der St. Browns
Geboren und groß geworden sind die Geschwister in den USA, in der Peripherie von Los Angeles. Der Draht in die Heimat ihrer Mutter Miriam aber ist eng. „Wir waren in jedem Sommer in Deutschland“, erzählt Equanimeous im Gespräch mit der MZ. „Und wir waren auch immer im Osten.“ Bei Großtante Linde in Friedensdorf. Wie oft? „Ich weiß es gar nicht - sehr oft. Ich erinnere mich vor allem daran, dass es viel Natur und viele Tiere gab.“
Im Familienalbum existieren reichlich Fotos von den Besuchen, zum Beispiel beim Klettern auf dem Wedell-Denkmal. „Wenn sie hier waren, sind sie im Dorf natürlich aufgefallen“, erzählt Linde Zeising.
Familiengeschichte nimmt ihren Ursprung in Friedensdorf
Es ist auch die Familiengeschichte, die die St.-Brown-Brüder so ungewöhnlich macht. Es ist eine deutsch-deutsche Geschichte, eine transatlantische. Und es ist eine Geschichte von Abenteuern und großen Träumen.
Ihren Ursprung nimmt diese Geschichte in Friedensdorf, jenem kleinen Dörfchen im Saalekreis, das einst tatsächlich Kriegsdorf hieß. 1957 folgen Edith und Helmut Steyer dem Wunsch nach mehr Freiheit, bauen sich im Westen, in Leverkusen, eine neue Existenz auf. Ihre Kinder Mike und Miriam verschlägt es später in die USA. Miriam heiratet dort John Brown, vor vielen Jahren ein erfolgreicher Bodybuilder. 1980 und 1981 ist er zweimal Mr. Universe, gewinnt also jenen Titel, den 14 Jahre vor ihm Arnold Schwarzenegger innehatte.
Equanimeous St. Brown gehört zu den besten Offensivspielern seines Jahrgangs
Heute träumen die drei Söhne von der großen Sport-Karriere. Equanimeous (20) spielt am Elite-College Notre Dame, wurde 2016 zum besten Offensivspieler seines Teams gewählt und gehört zu den höchst eingestuften Talenten der Staaten als Passfänger, im Football-Terminus Wide Receiver. 2018 will er am Draft teilnehmen, dem großen Talente-Picken der NFL-Profi-Vereine.
Die Karriere der drei Brüder ist früh auf den Sport getrimmt. Ihr Vater nimmt sie schon im Kindesalter mit zum Krafttraining. Trotzdem spielt auch die Ausbildung eine zentrale Rolle. Mutter Miriam legt großen Wert auf Mehrsprachigkeit. „Mit meinem Vater und unter uns Geschwistern sprechen wir zu Hause Englisch“, erzählt Equanimeous. „Mit unserer Mutter reden wir aber immer Deutsch.“
Familienbesuche in Deutschland sind Pflicht
Man hört einen amerikanischen Akzent, wenn er redet. Trotzdem beherrscht er die Sprache fließend. Ebenso übrigens wie das Französische. „Ich war bis zur sechsten Klasse auf einer französischen Schule“, erzählt er. „In der fünften Klasse bin ich dann sogar ein Jahr in Paris zur Schule gegangen.“
Überhaupt spielt Europa eine große Rolle im Leben der drei Brüder. Die Familienbesuche in Deutschland sind Pflicht. „Ich muss es meiner Nichte sehr hoch anrechnen, dass sie trotz der großen Distanz jedes Jahr mit den Kindern mindestens eine Woche zu mir zu Besuch gekommen ist“, erzählt Linde Zeising. Dann standen auch Ausflüge in die Region auf dem Programm: „Wir waren im Leipziger Zoo, am Völkerschlachtdenkmal - und Berlin stand jedes Mal auf dem Plan. Außerdem waren die drei Jungs waren viel mit dem Fahrrad unterwegs - in Leuna oder Bad Dürrenberg.“
Woher der Name Equanimeous kommt
Ostern 2015 gab es den letzten Besuch der drei St-Brown-Jungen, inzwischen nimmt der Sport eine zu große Rolle ein. Equanimeous war da bereits 18 Jahre alt. „Das erste Mal, als meine Nichte mit ihm hier war“, erinnert sich Linde Zeising, „da war Nimmi acht Monate alt.“
Sie sagt Nimmi - „das wird auch immer so bleiben“. Denn keine Frage: Der Name Equanimeous ist nicht nur für sie ungewöhnlich. Was unweigerlich zum einem für die Familie wiederkehrenden Thema führt. „Wenn Leute mich nicht kennen, sprechen sie mich eigentlich immer auf den Namen an“, erzählt Equanimeous. Der leitet sich ab vom Wort „Equanimity“, das heißt so viel wie Gelassenheit oder Gleichmut.
Ein Name, den er selbst für sehr passend hält. „Das beschreibt schon meinen Charakter“, sagt Equanimeous, der im Gespräch tatsächlich einen sehr ruhigen und bedachten Eindruck hinterlässt. Seine beiden Brüder wiederum sind nach altägyptischen Gottheiten benannt.
Und dann ist da auch noch der Nachname. Vater Brown stellte bei seinen Kindern dem eigenen Familiennamen ein St. für Saint vor. „Browns gibt es doch so viele“, soll er argumentiert haben.
Amon-Ra stand mit Deutschland im EM-Finale
Die Brüder haben es im Sport schon weit gebracht. Der älteste klopft an die Profi-Tür, Osiris (18) beginnt gerade am College, also in der hochprofessionell organisierten Universitätsliga. Er hat der Stanford University in der Nähe von San Francisco unterschrieben. Und Amon-Ra (17) gehört zu den am höchsten bewerteten Highschool-Spielern. 2018 wird auch er aufs College wechseln - ihm liegen fast 20 Anfragen vor.
Alle drei haben deutsche Pässe. Die beiden jüngeren gehörten zur deutschen U-19-Nationalmannschaft, die 2015 Vize-Europameister wurde. Ausgezeichnet als bester Final-Spieler damals: Amon-Ra St Brown - zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 15 Jahre alt.
Diese EM fand übrigens in Dresden statt. Linde Zeising erlebte das Finale live vor Ort. „Dass ich das in meinem Alter noch erleben durfte“, schwärmt sie. Es war das erste Mal, dass sie die Jungs spielen sah. Die Jungs, die sie kennt, seitdem sie Babys sind und die sich anschicken, Football in Deutschland noch populärer zu machen.