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Biathlon Biathlon: Simon Schempp holt Silber im Massenstart

Von Max Bosse 18.02.2018, 11:58
Simon Schempp beim Massenstart
Simon Schempp beim Massenstart Getty Images AsiaPac

Pyeongchang - Martin Fourcade hieb wütend mit dem Stock in den Schnee und schüttelte den Kopf. Da hatte ihn dieser Deutsche doch noch abgefangen. „Vor vier Jahren war es Emil Svendsen, der mir viel Schmerz bereitet hat. Ich dachte, dass sich die Geschichte wiederholt.

„Ich war sicher, dass Simon es geschafft hat“, sagt der Franzose später. Doch der Schnellste war dieses Mal beim olympischen Massenstart nicht der Sieger, und der Schmerz wanderte von Fourcade weiter zu Simon Schempp. Aber nur für so lange, bis dem 29-Jährigen klar wurde, dass er zwar einen Zielsprint auf die knappste aller Arten – per Fotoentscheid – verloren hatte. Einen noch weitaus härteren Kampf aber gewonnen.

Erste Einzelmedaille für Schempp

Ein Monat ist es her, es passierte im Zielraum in Antholz: Eine Viertelstunde verging, bis sich Simon Schempp umziehen konnte, der Rücken streikte. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Die Schmerzen waren überall: Hintern, Oberschenkel, Rückenmuskulatur. „Die Sauerstoffversorgung war nicht mehr gegeben, sodass ich mich nur noch ganz schwer bewegen konnte“, erinnert er sich.

Ja, als er auf der Anzeige sah, dass Fourcade der Sieger ist, da war sein erster Gedanke „shit“. „Im zweiten Moment ist mir bewusst geworden, dass es meine erste olympische Einzelmedaille ist“, sagt Schempp. Zugute war ihm die Besonderheit des Massenstarts geworden: Hier wird taktiert und nicht von Beginn an alles aus den Körpern rausgeholt. Ein Rennen „im halbroten Bereich“, nannte es der Silbergewinner.

Die Frauen waren tags zuvor leer ausgegangen. Die dreifache Medaillengewinnerin Laura Dahlmeier (16.) hatte das Podest aufgrund von zwei Fehlern in den Liegenschusseinlagen früh aus den Augen verloren, Denise Herrmann (11.) vergab die mögliche Medaille mit zwei Fehlern im dritten Schießen und Franziska Preuß (12.) konnte läuferisch nicht ganz mithalten. Dass die Laufleistung der deutschen Starterinnen nicht wie gewohnt gewesen war, hatte auch am Material gelegen. Wie sich bei den Männern zeigte, war es ein einmaliges Problem.

In Pyeongchang funktionierte der Rücken wieder

Die Ski von Schempp glitten mit Leichtigkeit über den Schnee. Nichts war mehr davon zu sehen, wie schwer es ihm gefallen war, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nachdem im Dezember die ersten Rückenschmerzen auftraten. Seither hatte er sich das Gehirn zermartert, gezweifelt, in den Körper hineingehorcht und keine Antwort bekommen.

„Es war sehr turbulent. Ich bin wahnsinnig viel behandelt worden, viele Leute haben ihren Urlaub geopfert, um nach meinem Rücken zu schauen“, sagt er. An Tagen, die der Regeneration dienen sollten, fuhr er herum auf der Suche nach Hilfe. Ein bisschen pausieren, aber nicht die Form verlieren – wie sollte das funktionieren? Die Olympischen Spiele kamen näher, der Druck nahm zu. Erst eine Woche vor der Abreise nach Südkorea, konnte er der Massenstartweltmeister von 2017 mal wieder eine Woche durchtrainieren.

Dann ist es schlagartig besser geworden“, sagt er. In Sprint und Verfolgung merkte er in Pyeongchang, dass die vorderen Plätze wieder aus eigener Kraft zu erreichen waren. Nach der Blockade im Rücken löste sich auch die im Kopf. Gemeinsam kamen Schempp und Fourcade nun zum letzten Schießen.

Schempp war schneller – aber zu spät

Gemeinsam machten sie sich nach einem Fehler auf die Schlussrunde, und auf der Abfahrt ins Stadion hatte Schempp im Windschatten die höhere Geschwindigkeit. Er dachte an den Zielsprint in Hochfilzen im Dezember, wo er Fourcade zu früh attackiert und der Franzose ihn geschickt den Weg verschlossen hatte. „Deshalb habe ich hier den Korridor sehr spät gewählt, weil ich wusste, dass er ihn sonst schließt“, sagte Schempp. Trotzdem musste er das Überholmanöver von links nach rechts verlagern. Er war schneller, die Ziellinie aber kam einen Meter zu früh.

„Es war ein Wechselbad der Gefühle“, sagte Bundestrainer Andreas Stitzl, „es hätten zwei Medaillen herausschauen können, aber der Kampf geht in die Geschichte ein.“ Erik Lesser (Vierter) war beim vierten Anschlag noch neben Schempp und Fourcade gestanden, hatte aber einen Fehler mehr geschossen und sich dann mit Teamkollege Benedikt Doll (Fünfter) vergeblich um den dritten Platz beworben.

Der Norweger Emil Svendsen gewann den Schlussspurt. „Aus dem guten Ski haben wir nicht so viel rausgeholt“, ärgerte sich Doll ein bisschen. Statt Gold und Bronze, gab es lediglich Silber. Was allerdings reichte, um Schempp nach der schwierigen Saison glücklich zu stimmen. Nach seiner Schuhgröße gefragt, lachte er und sagte: „Zwei Nummern zu klein.“ Es störte ihn nicht mehr.