Kommentar zum Fall Hannes S. Kommentar zum Fall Hannes S.: Der schmale Grat zwischen Machtgehabe und bitterem Ernst
Halle (Saale) - Es hatte sich bereits angedeutet. Jetzt ist der schlimmste Fall tatsächlich eingetreten: Hannes S., Fan des Fußball-Drittligisten 1. FC Magdeburg, ist seinen schweren Verletzungen erlegen, die er sich unter ungeklärten Umständen nach einem Zusammentreffen mit Fans des Erzrivalen Hallescher FC beim Sturz aus einer Regionalbahn zugezogen hat.
Ein junger Mann, gerade einmal 25 Jahre alt, der ein Fußballspiel sehen wollte und seinen Verein heiß und innig geliebt hat, ist tot. Das ist zuallererst einmal ein Schicksal, das Eltern, Verwandte, Freundin und Freunde bis ins Mark trifft. Doch es ist eben auch noch viel mehr. Der Tod von Hannes S. ist ein Politikum.
Von Geschmacklosen Aktionen bis zum tragischen Fall Hannes S.
Es ist der traurige Höhepunkt einer Spirale aus Gewalt und Hass, die im Fußball gang und gäbe ist. Praktisch im Wochenrhythmus gibt es Meldungen über Ausschreitungen und irrsinnige Aktionen - egal, ob in der Bundesliga oder der tiefsten Kreisklasse. Von völlig geschmacklosen Aktionen wie dem Wurf eines Bullenkopfes beim Spiel zwischen Dynamo Dresden und RB Leipzig bis hin zu Platzstürmen von Fans oder im Internet verabredeten Schlägereien. Und jetzt Hannes S..
Eine Bewertung über die Schuldfrage verbietet sich in diesem Fall, so lange die Umstände nicht restlos geklärt sind. Was passierte vor dem verhängnisvollen Sturz aus dem Zug? Wieso hielt die Bahn trotz geöffneter Tür nicht an? Warum wurde Hannes S. erst eine Stunde später gefunden? Antworten herauszufinden, ist Aufgabe der Ermittler. Und die Behörden haben richtig reagiert, indem eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe gebildet wurde. Denn der Vorfall birgt Sprengstoff.
Jetzt muss ein Signal der Vernunft her
Noch kann niemand abschätzen, was das für die eh schon vergiftete Beziehung zwischen Fans der Erzrivalen und vor allem für das Drittliga-Derby zwischen den Vereinen am 26. November bedeutet. Wird es gar eine offene Kriegserklärung von FCM- an HFC-Ultras mit unabsehbaren Folgen geben?
Die FCM-Ultras haben erst einmal zur Besonnenheit aufgerufen. Doch die Gefahr, dass es anders kommt, ist in dieser Parallelwelt groß. Dort, wo es vor allem um Konkurrenz und Macht geht. Wo es das Wichtigste ist, sich und anderen zu beweisen, wer der Stärkere ist. Wo Feindschaften gepflegt werden und Auseinandersetzungen zum guten Ton gehören. Unter diesen Umständen wirkt es naiv zu glauben, dass der Tod von Hannes S. dazu beiträgt, dass die Ultras sich selbst hinterfragen und ihnen klar wird, wie schmal der Grat zwischen pubertärem Machtgehabe und bitterem Ernst ist.
Fakt ist: Jetzt muss ein Signal der Vernunft, Verständigung und Versöhnung an die Fans gesendet werden, denen es noch um Sport geht. Seitens der Vereine, der Fanclubs, der Stadtverantwortlichen. Fußball sollte - egal wie kommerzialisiert er inzwischen geworden ist - das bleiben, was ihn so erfolgreich gemacht hat: ein einfaches Spiel zwischen zwei Teams, bei dem das gewinnt, das mehr Tore erzielt. Eines darf Fußball nie sein: ein Kampf um Leben oder Tod.