Waseem Razeek 1. FC Magdeburg: Waseem Razeek soll Nationalspieler von Sri Lanka werden
Wesendorf - Waseem Razeek platzt mitten in das Gespräch. Sein Teamkollege Nico Hammann stellt sich gerade im Videointerview den Fragen der MZ-Leser. Doch auch Razeek will kurz ins Bild. Stolz präsentiert er die ausgedruckte Flagge seines Heimatlandes Sri Lanka, die ihm soeben für einen Fototermin überreicht wurde. Erst klopft er auf das Papier, dann auf sein Herz und das Wappen des 1. FC Magdeburg. Hammann lacht. Und Razeek verschwindet so schnell, wie er gekommen war.
Sein Auftritt im Trainingslager des Drittligisten im niedersächsischen Wesendorf ist an kindlicher Freude kaum zu überbieten und steht symbolisch für die Welt des 21 Jahre alten Fußball-Profis.
Kurz darauf nimmt Razeek selbst auf der kleinen Bank im Hinterhof des Viersterne-Hotels Platz. Er mag eigentlich keine Interviews. „Das ist nicht so mein Ding“, sagt er. Aber seine Geschichte ist zu gut, um sie zu verschweigen.
Training mit dem Nationalteam
Womit soll er nur anfangen, der junge Mann? Am besten mit einer Neuigkeit: „Ich war jetzt im Sommer in Sri Lanka und wurde mündlich in die Nationalmannschaft eingeladen“, sagt Waseem Razeek stolz, der eigentlich nur seine Oma im Heimaturlaub besuchen wollte. Doch dann sprach ihn der Landesverband an. Noch gibt es keine Anfrage an den FCM, doch bei der Südostasien-Meisterschaft im Herbst soll er offenbar bereits für Sri Lanka auflaufen. „Ich bin der einzige Spieler aus dem Ausland, die anderen versuchen aber auch alle, den Sprung zu schaffen.“
Er hat es geschafft. Als erster Kicker aus Sri Lanka spielt er im deutschen Profi-Fußball. 2014 kam er für Union Berlin zu seinem ersten Kurzeinsatz in Liga zwei. In dem 20-Millionen-Einwohner-Land ist er seitdem zumindest für die Fußball-Fans so etwas wie ein Nationalheld. „Sie sind stolz auf mich“, sagt Razeek.
Neukölln und Kreuzberg prägten Waseem
Der Inselstaat Sri Lankaim Indischen Ozean hieß bis 1972 Ceylon. „Das kennt man vielleicht von der Teesorte“, erzählt Waseem Razeek. Sri Lanka ist bekannt für die Produktion und den Export von Tee. Verschiedene Sorten, die dort angebaut werden, bezeichnet man als Ceylon-Tee bezeichnet. „Meine Eltern stammen aus diesem Gebiet, wo es viele Teeplantagen gibt“, sagt der 21-Jährige. „Die Landschaft dort ist wunderschön. Ein Urlaub lohnt sich!“
Genau wie seine Eltern. 1979 kam sein Vater nach Deutschland, arbeitete als Taxifahrer. Nebenbei spielte er Hockey auf professionellem Niveau. Doch: „Damit konnte man damals kein Geld verdienen“, weiß Sohn Waseem. Im Heimaturlaub lernte sein Vater seine Mutter kennen. Sie begleitete ihn zurück nach Berlin.
1994 wurde Waseem geboren, der älteste von drei Söhnen. Mushakir (17) spielt in der A-Jugend von Eintracht Braunschweig, Mohamed (19) bei Tasmania Berlin, dem ersten Klub von Waseem. Der FCM-Profi meint: „Mein Vater hat sich immer gewünscht, dass einer von uns den Durchbruch schafft, das haben mir seine Freunde immer erzählt.“
Die Straßen von Neukölln und Kreuzberg haben ihn geprägt. Dort ist er aufgewachsen. Verschiedene Nationalitäten, verschiedene Sprachen. Fußball als Verbindung. Kicken auf Beton. Vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang.
Seine Nachbarn hießen damals Hany Mukhtar, inzwischen 21 Jahre alt und in der vergangenen Saison portugiesischer Meister mit Benfica Lissabon, und Yousef Emghames (18), der kürzlich erstmals mit den Profis des FC Bayern München trainieren durfte und beim Rekordmeister in der A-Jugend kickt. Neukölln scheint ein gutes Pflaster für Fußballer zu sein. „Wir sind alles Jungs von der Straße“, erklärt Razeek. „Und darum geht es im Fußball ja auch: Spaß, Wille, Leidenschaft.“
Multi-Kulti überall - Waseem spricht acht Sprachen
Einmal alle zwei Wochen kehrt Waseem Razeek in die Bundeshauptstadt zurück. Zum Heimatbesuch. Mit seiner Familie fühlt sich der 21-Jährige genau so verbunden wie mit seiner Kultur, der tamilischen. „Dafür, dass Sri Lanka so viele Einwohner hat und es auch viele verschiedene Religionen gibt, kommen alle sehr gut miteinander aus. Das zeichnet das Land aus“, meint Razeek.
Acht Sprachen spricht der 21-Jährige: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Türkisch, Arabisch und die Amtssprachen seiner Heimat Singhalesisch und Tamil. „Nicht alle perfekt, bei manchen nur Grundlagen“, gibt er zu, „aber ein bisschen habe ich von allem aufgeschnappt.“
Tamil und Singhalesisch zu erlernen, war ohnehin kein Problem. Viele seiner Freunde stammen aus Sri Lanka, seine Freundin hat ebenfalls ihre Wurzeln dort. Razeek hat sogar Kontakt zur Botschaft, wird zu Feierlichkeiten eingeladen - und erscheint in der traditionellen Kluft. „Allein in Berlin gibt es 10.000 Tamilen und Singhalesen“, erzählt er. Und: „Weil mein Vater so lange hier in Deutschland ist, kennen uns eigentlich alle.“ Und ihn kennen in Magdeburg, wohin er im Sommer 2015 gewechselt ist, inzwischen auch alle.
Glänzende Vorbereitung
Seine Debüt-Saison beim FCM hatte Höhen und Tiefen, zwei Tore und drei Vorlagen gelangen ihm in 23 Partien. „Ich möchte mir in der neuen Saison natürlich noch mehr Spielzeit erarbeiten“, sagt der 1,78-Meter-Mann. Die Vorbereitung läuft für den flinken Rechtsaußen bislang jedenfalls glänzend.
„Waseem bringt vieles mit, was du im modernen Fußball brauchst“, meint FCM-Trainer Jens Härtel. „Er ist ein kleiner Spaßvogel, das tut uns als Mannschaft gut.“ Aber: „Manchmal muss er noch lernen, die richtige Balance zu finden: Wann ist es Zeit, fokussiert zu sein, und wann kann man mal einen Spaß machen?“
Das Videointerview von Nico Hammann war ein guter Zeitpunkt für einen kleinen Spaß. (mz)