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Landtag Zuwachs für AfD: Ex-Freie-Wähler-Politiker wechselt

Es ist ein doppelter politischer Paukenschlag: Der frühere Freie-Wähler-Abgeordnete Zeschmann verlässt seine Fraktion - und wechselt im Landtag zur AfD. Das sorgt nur bei der AfD für freudige Gesichter.

Von Oliver von Riegen und Monika Wendel, dpa Aktualisiert: 07.11.2023, 18:27
Philip Zeschmann, ehemals Fraktionsmitglied von BVB/Freie Wähler, spricht während einer Pressekonferenz der AfD im Brandenburger Landtag.
Philip Zeschmann, ehemals Fraktionsmitglied von BVB/Freie Wähler, spricht während einer Pressekonferenz der AfD im Brandenburger Landtag. Soeren Stache/dpa

Potsdam - Die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag ist nach dem spektakulären Wechsel des früheren Freie-Wähler-Abgeordneten Philip Zeschmann knapp ein Jahr vor der Landtagswahl größer geworden. Nach dem Austritt aus der Fraktion von BVB/Freie Wähler nahm die AfD-Fraktion Zeschmann am Dienstag einstimmig auf. Damit hat die AfD 24 Abgeordnete, einer weniger als die größte Fraktion, die SPD. Zeschmann, der früher fast 25 Jahre lang Mitglied in der SPD war, sieht in der AfD nach eigenen Angaben keine rechtsextreme Partei und benennt gleich mehrere inhaltliche Überschneidungen. Mit dem Austritt haben BVB/Freie Wähler im Landtag ihren Status als Fraktion verloren.

„Ich habe mich wirklich gefragt: (...) Wo ist da konkret was Extremistisches?“, sagte Zeschmann am Dienstag in Potsdam bei einer Pressekonferenz der AfD-Fraktion. „Das kann ich da nicht erkennen.“ Es gebe zum Beispiel in der Migrationspolitik nur unterschiedliche Nuancen. „Da engagieren sich Leute und versuchen, Themen zu benennen, die den Bürgerinnen und Bürgern auf den Nägeln brennen.“ Bisher war nicht zu erkennen, dass Zeschmann der AfD nahesteht. Er gilt als kompetent, aber kann durch lange Reden und viele Nachfragen auch Nerven beanspruchen.

Die Freien Wähler verloren ihren Status als Fraktion. Das teilte der Landtag mit. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke habe dies den vier verbliebenen Abgeordneten mitgeteilt. Sie begründete es damit, dass die Mitgliederstärke von fünf Mitgliedern nicht mehr gegeben sei. Für die vier Abgeordneten gelten laut Landtag die Regeln für Fraktionslose. Die Fraktion bestehe „in Liquidation“ fort. Die Freien Wähler waren 2019 mit fünf Prozent und fünf Mitgliedern in den Landtag eingezogen.

Der bisherige Fraktionschef Péter Vida ist der Ansicht, es handle sich noch um eine Fraktion. Er bezieht sich darauf, dass eine Fraktion unter bestimmten Bedingungen auch vier statt fünf Abgeordnete haben kann. Vida ließ eine spätere Verfassungsklage offen. „Wir setzen darauf, dass das in Verhandlungen noch geklärt werden kann“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wenn nicht, sei ein Organstreitverfahren im Eilrechtsschutz denkbar.

Ob er Mitglied der AfD werden will, ließ der frühere Freie-Wähler-Abgeordnete Zeschmann offen. Das könne er derzeit noch nicht beantworten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zeschmann nannte die AfD in einer Mitteilung, die bei der Pressekonferenz der AfD-Fraktion verteilt wurde, die „einzig wahre Oppositionskraft“. „Die Kollegen der AfD-Fraktion stehen absolut auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Als inhaltliche Überschneidungen nannte er die Energie- und Wirtschaftspolitik.

Zeschmann hatte am Montag seinen Austritt aus der Fraktion von BVB/Freie Wähler angekündigt. Am Dienstag wechselte er zur AfD im Landtag. Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft den AfD-Landesverband seit 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die AfD hält die Einstufung für falsch. Verfassungsschutzchef Jörg Müller bezeichnet Hans-Christoph Berndt, inzwischen Fraktionschef, seit 2020 als erwiesenen Rechtsextremisten.

Im September nächsten Jahres wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Als möglicher Grund für den Austritt von Zeschmann galt auch sein achter Platz auf der Landesliste von BVB/Freie Wähler. Das wies er zurück und gab als Grund für den Austritt an, dass der bisherige Fraktionschef Vida Intrigen veranlasst habe. Vida warf Zeschmann vor, er wolle mit dem Wechsel eine bessere Ausgangsposition für die Landtagswahl haben und habe ihn damit erpressen wollen, was Zeschmann wiederum zurückweist.

Brandenburgs AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin sieht den Wechsel als Signal für mehr Offenheit in Bezug auf ihre Partei. „Dieser Wechsel ist ein deutlicher Beweis, dass die Brandmauern immer weiter bröckeln“, sagte Bessin. „Ich lade gerne weitere Landtagsabgeordnete aus anderen Fraktionen, insbesondere die noch Konservativen der CDU ein, den Kuschelkurs gegenüber der illegalen Migration zu beenden.“ Das werde ein Wunsch bleiben, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann.

Die Freien Wähler forderten von Zeschmann die Rückgabe seines Mandats. „Wenn jemand um des persönlichen Fortkommens willen Inhalte über Bord wirft, Mitstreiter und Mitarbeiter vor den Kopf stößt, hat er ganz offensichtlich den politischen Kompass verloren und sollte dementsprechend auch Konsequenzen ziehen“, sagte Vida. „Natürlich ist es auch eine menschliche Enttäuschung.“

Die übrigen Freie-Wähler-Abgeordneten zeigten sich teils bestürzt. „Herr Zeschmann ist ein sehr kompetenter Abgeordneter“, sagte Ilona Nicklisch. „Privat mag ich ihn auch sehr, deshalb bin ich doppelt enttäuscht.“ Die Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler sind eine politische Vereinigung von Wählergruppen und kein Mitglied der Bundesvereinigung Freie Wähler.

Linksfraktionschef Sebastian Walter sagte über Zeschmann: „Wir werden ihn jetzt rechts liegen lassen.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Ludwig Scheetz, warf Zeschmann vor, aus Egoismus demokratische Werte über Bord zu werfen. Grünen-Fraktionschefin Petra Budke sagte: „Ich frage mich, wie tief man tatsächlich sinken kann.“