Gesundheitsversorgung Zu wenig Hilfsangebote für psychisch erkrankte Geflüchtete
Sie haben Verfolgung oder Gewalt erlebt - Migranten brauchen oft psychologische Begleitung. Nötig sind oft Sprachmittler, damit sich Patienten und Therapeuten verstehen. Ein spezielles Angebot stopft eine Lücke, die die Regelversorgung offen lässt. Die Finanzierung ist nicht dauerhaft gesichert.
Magdeburg/Halle - Geflüchtete Menschen mit psychischen Erkrankungen haben erhebliche Probleme, an Hilfe zu kommen. „Die psychosoziale Versorgungslage von geflüchteten Personen kann weiterhin als nicht ausreichend bezeichnet werden“, erklärte Tatiana Katcheishvili vom Psychosozialen Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Sachsen-Anhalt. Das projektgeförderte Psychosoziale Zentrum (PSZ) sei nach wie vor die landesweit einzige Einrichtung, die unterstützt durch Sprachmittler und spezielle kultursensible Angebote Hilfe biete. Die Wartezeiten lägen zwischen mindestens 8 und 12 Monaten. Bei Kindern und Jugendlichen seien sie etwas kürzer.
Im vergangenen Jahr seien insgesamt 561 Klientinnen und Klienten behandelt worden. 366 seien neu im Zentrum aufgenommen worden, darunter 167 Minderjährige, so Katcheishvili. 110 Personen hätten neben der psychischen Erkrankung besondere Schutzbedarfe nach der EU-Aufnahmerichtlinie gehabt, seien also alleinerziehend oder schwanger, körperlich krank oder höheren Alters gewesen. In 80 Prozent sei die Mithilfe eines Sprachmittlers nötig gewesen, weil sich die Betroffenen und die Expertinnen sonst nicht ausreichend hätten verständigen können.
Die Zahl der Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die mit Sprachmittlung arbeiteten und auch die Kapazität hätten, sich mit der migrantischen Zielgruppe auseinander zu setzen, sei weiterhin gering, hieß es. Der Aufwand sei deutlich höher, auch wegen der komplizierten Kostenübernahmeverfahren für die Therapie- und Sprachmittlerleistungen.
„Auch für Geflüchtete, die eine Krankenkassenkarte haben und damit Zugang zu jeglicher ärztlichen und psychologischen Versorgung, gibt es Hürden, einen vollen Zugang zur Regelversorgung zu erhalten, beispielsweise aufgrund von Sprachbarrieren“, sagte Katcheishvili weiter.
Mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist eine große Zahl ukrainischer Menschen in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt aufgenommen worden. „Diese Entwicklung spiegelt sich auf unserer Warteliste wider“, so Katcheishvili. „Etwa 60 Prozent der angemeldeten Kinder und Jugendlichen, die im PSZ auf eine psychosoziale Betreuung oder Psychotherapie warten, stammen aus der Ukraine.“
Nach der Anmeldung wird in der Regel innerhalb von drei Monaten ein erstes Klärungsgespräch geführt. Dabei wird geprüft, ob die Person für eine ambulante psychosoziale Versorgung geeignet ist oder ob sie vermittelt werden kann. Häufig lägen mehrere Erkrankungen vor, etwa posttraumatische Belastungsstörungen, klinisch bedeutsame Veränderungen der Stimmungslage wie Depressionen und somatoforme Störungen, also körperliche Beschwerden, die sich nicht auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen.
Das Psychosoziale Zentrum mit Standorten in Halle und Magdeburg wird von mehreren Geldgebern finanziert, maßgeblich vom Sozialministerium Sachsen-Anhalt, dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Angekündigte Kürzungen im Bundeshaushalt haben laut Katcheishvili auch Auswirkungen auf die Hilfe für die psychisch erkrankten Geflüchteten. Das Angebot müsse je nach Ausmaß dann verringert werden.