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Zooleben Zooleben: Die Liebe zweier Einzelgänger

29.07.2007, 15:45
Eisbärjunge Knut nuckelt im Berliner Zoo an der Hand seines Pflegers Thomas Dörflein. (Foto: dpa)
Eisbärjunge Knut nuckelt im Berliner Zoo an der Hand seines Pflegers Thomas Dörflein. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Schade findet Dörflein jedoch das von der Zoo-Direktionangeordnete Ende der von mehr als einer Million Menschen besuchtenKnut-Show. «Ja, genau», antwortet er auf die Frage, ob er mit Knutgerne weiter vor den Fans aufgetreten wäre. Hinter den Kulissenspiele er weiter täglich Stunden mit ihm. «Er ist ja noch wie einkleines Kind.» Und dann geht er hinaus auf den Brillenbärenfelsen undlässt Knut am Arm nuckeln. Das Publikum ist überrascht und jauchztvor Freude über die spontane Neuauflage der Knut-Show.

In seinen ganz persönlichen Erinnerungen zieht Dörflein einepositive, emotionale Bilanz. Magische Momente seien es gewesen, alsder von Eisbärenmama Tosca verstoßene Knut die Milch aus der Flascheannahm und nach drei bis vier Lebenswochen die Augen aufgingen. «Wennso ein Tier einen anguckt, das ist schon etwas anderes als vorher.»

Eine eigene hervorgehobene Rolle lehnt der von Anfang an in derÖffentlichkeit scheue und bescheidene Tierpfleger ab. «Ich habeAngebote für Werbung und TV-Auftritte. Aber bei Kerner, Jauch,Beckmann oder Maischberger, das ist mir ein Graus. Das bin ich nicht.Ich sehe mich da nicht sitzen.» Mit Knut sei alles toll gelaufen,«das reicht mir.» Geld bewege ihn nicht, er habe auch keinen Ehrgeiz,ein Buch zu schreiben. Die vielen Heiratsangebote lehnt der zumFrauenschwarm gewordene Dörflein ab. «Das ist mir befremdlich.»

Seine graugrünen Augen blitzen, wenn er von Knut spricht. Vonbesonderer Leistung, gar von Stolz mag der 43-Jährige nicht sprechen.Fast fünf Monate lang kümmerte sich Dörflein rund um die Uhr um denEisbären, der nicht viel größer als ein Meerschweinchen und nur mäßigbehaart am 5. Dezember vergangenen Jahres mit 810 GrammGeburtsgewicht auf die Welt gekommen war. «Stolz? Das mag ich nicht.Das ist keine große Leistung, das ist weitgehend Glückssache, wie manan Knuts gestorbenem Zwillingsbruder sieht.»

Mutter Tosca hatte bei ihrem dritten Wurf zwar erstmals versucht,die beiden Neugeborenen anzulegen. «Fünf Stunden habe ich danebengewartet, dass sie saugen», schildert Dörflein. Doch es klapptenicht. Da sprang er ein. «Da war die Hilflosigkeit der beiden. Dasist doch ganz klar, ein menschlicher Instinkt, dass man da unbedingthelfen will und muss.»

Sich selbst stellt Dörflein auch als Einzelgänger dar, wie esEisbären sind. Er und Knut hätten sich praktisch gefunden. «Klar»,sagt er in seiner eher wortkargen Sprache. Bei dieser einzigartigenMensch-Tier-Geschichte musste sich keiner verbiegen - weder Dörfleinzum Ersatzbären werden noch Knut zum Menschenbär. «Ich musste michnicht verändern und er auch nicht.»

Eine hat ihm in dieser Auszeit vom normalen Leben aber doch sehrgeholfen. Seine Lebensgefährtin Daniela Kaiser und ihr fünfjährigerSohn besuchten ihn fast täglich in dem Zimmer auf einem Hinterhof desZoos, wo Dörflein neben der Schlafkiste von Knut auf einer Pritschenächtigte. Sie brachten ihm Essen und frische Kleider. Weihnachtenund Silvester feierten sie gemeinsam in den Stallungen mit Knut.

Die Beziehung zu Knut ist für Dörflein auch in seinemjahrzehntelangen Pflegerleben einmalig. Das lasse sich kaumwiederholen. Das Besondere sei schon diese Art Vater-Sohn-Beziehung,obwohl Dörflein sie nicht so nennen mag. «Er hatte ja keinenanderen.» Der Name, der um die Welt ging, fiel ihm eher spontan ein.«Er sah eben aus wie ein Knut, so freundlich und pummelig.»

Die aufgekommene Kritik an der Handaufzucht, die darin gipfelte,das Lebensrecht von Knut anzuzweifeln, empfindet Dörflein als absurd.Der Tierpfleger sagt: «Ich ziehe ja kein Jungtier auf, wenn ich dasnachher einschläfern lasse.» Knut selbst wünscht Dörflein ein Lebenin einem schönen Zoo außerhalb Berlins, wo er mit seinesgleichenumgehen kann und vielleicht Kinder zeugt. «Er soll ja die engeBindung zum Menschen verlieren, er soll ja Bär werden und sein. Ichhabe ihn ja nicht für mich aufgezogen.»

Seine Erfahrung will Dörflein nicht vermarkten. «Ich verdiene hiergenug. Ich könnte noch was abgeben.» Für ihn schließt sich nur derKreis, wenn es Knut gut geht. «Ich bin ein glücklicher Mensch, unddie Erfahrung mit Knut, die hat mich noch glücklicher gemacht»,schließt Dörflein. Dann geht er hinaus zum Bären.