Migration Zahl der Asylsuchenden auf höchstem Stand seit Jahren
2023 wurden in Niedersachsen so viele Asylanträge gestellt wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Mehrere Politiker fordern einen schärferen Kurs.
Hannover - Die Zahl der Asylsuchenden in Niedersachsen ist im vergangenen Jahr auf den höchsten Wert seit 2016 gestiegen. Das teilte die Landesaufnahmebehörde am Mittwoch auf Anfrage mit. Demnach wurden 2023 insgesamt rund 29.000 Asylanträge im Bundesland erfasst - etwa 6400 mehr als noch ein Jahr zuvor. Von 2018 bis 2021 lagen die jährlichen Zahlen zwischen rund 8500 und knapp 14.000. Zuvor hatte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ darüber berichtet.
2015 und 2016 lag die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland wie auch in Niedersachsen im Zuge der Flüchtlingskrise besonders hoch - 2016 waren es im Bundesland mehr als 31.000, 2015 waren es laut Landesaufnahmebehörde mehr als 100.000.
Im vergangenen Jahr kamen die Menschen aus 76 verschiedenen Nationen. Hinzu kommen Menschen, deren Nationalität ungeklärt ist, wie eine Sprecherin der Landesaufnahmebehörde mitteilte. Die fünf Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden im vergangenen Jahr waren Syrien, Türkei, Kolumbien, Afghanistan und Irak.
Auch bundesweit war im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme der Asylerstanträge zu verzeichnen. Rund 329.000 Menschen stellten 2023 in Deutschland einen solchen Antrag - etwa 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) jüngst mitteilte.
Ukraine-Geflüchtete werden statistisch gesondert gefasst, weil sie kein Asyl beantragen müssen. Laut Landesaufnahmebehörde kamen seit Kriegsbeginn vor knapp zwei Jahren etwa 112.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Niedersachsen an. Seit einiger Zeit werden neu ankommende Ukrainer nahezu vollständig an andere Bundesländer weitergeleitet. Die Aufnahme von Ukraine-Geflüchteten ist nach einem bestimmten Schlüssel geregelt, Niedersachsen hat mehr Menschen aufgenommen als anteilig notwendig wäre.
Die Landesaufnahmebehörde verfügt nach eigenen Angaben derzeit über knapp 17.000 Unterbringungsplätze - aktuell seien knapp 6000 davon belegt. „Das Land Niedersachsen ist weiter auf der Suche nach geeigneten Liegenschaften, um die Erstaufnahme nachhaltig und sicher aufstellen zu können und auch auf höhere Zugangszahlen wie im Jahr 2023 reagieren zu können“, teilte die Sprecherin mit. Zudem sei es das Ziel, dass durch weitere Plätze in der Erstaufnahme auch die Kommunen entlastet werden.
CDU-Fraktionsvorsitzender Sebastian Lechner sagte am Mittwoch auf Anfrage, dass die Zahl der Asylsuchenden eine enorme Herausforderung für die Kommunen im Land sei. „Die kommunale Integrationsgrenze ist bereits überschritten“, betonte der Oppositionspolitiker. „Wir brauchen jetzt eine konkrete und spürbare Verbesserung. Wir müssen die illegale Zuwanderung stoppen und Bund und Land müssen mehr Verantwortung bei der Unterbringung und der Integration Asylsuchender mit Bleibeperspektive übernehmen.“
Das Land sei beim Aufbau von eigenen Unterkünften immer noch nicht wirklich weitergekommen, kritisierte Lechner. „Gleichzeitig ist endlich auch die Rückführung derer, die kein Bleiberecht haben, konsequent anzugehen.“ Um die Akzeptanz der Gesellschaft für die Aufnahme asylberechtigter Menschen zu erhalten, müsse ein Richtungswechsel in der Migrationspolitik vollzogen werden.
Bei Beratungen zu Migration hatten sich Bund und Länder im Herbst unter anderem auf eine veränderte Aufteilung der Kosten verständigt, aber auch auf Einschränkungen bei den Leistungen für Asylbewerber, die Einführung einer Bezahlkarte und die Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lobte die Beschlüsse damals - er sieht darin etwa eine finanzielle Entlastung für Land und Kommunen.
Weil sagte im November im Landtag, seit 2017 habe Niedersachsen mehr als 250.000 Menschen aufgenommen. Das entspreche in etwa der Einwohnerzahl von Niedersachsens zweitgrößter Stadt Braunschweig.
Als Sprecherin für Migration und Geflüchtete der Grünen-Landtagsfraktion sagte Djenabou Diallo Hartmann, die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter gestalte sich in einigen Kommunen Niedersachsens weiterhin herausfordernd. „Es gibt aber gute Lösungsansätze, um die Städte und Gemeinden zu entlasten und sie dabei zu unterstützen, Teilhabe und Integration der Geflüchteten zu ermöglichen.“
Ziel müsse es sein, Fachkräfte zu gewinnen, die der hiesige Arbeitsmarkt so dringend benötige, sagte sie. „Nötig ist es deshalb, ein gutes Angebot von Sprachkursen und Integrationsangeboten vorzuhalten - insbesondere für Frauen, weshalb auch die Kinderbetreuung sichergestellt werden muss.“ Für die zahlreichen Ehrenamtlichen in der Geflüchtetenhilfe sei es wichtig, dass die Migrationsberatung dauerhaft finanziert werde.
SPD-Fraktionsvorsitzender Grant Hendrik Tonne sagte: „Wir müssen schneller bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen werden und wir müssen das Tempo und die Flexibilität beim Zugang zum Arbeitsmarkt spürbar erhöhen. Einerseits suchen wir händeringend Arbeitskräfte und andererseits haben Flüchtlinge nur sehr schwer die Möglichkeit, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Dieser Widerspruch müsse aufgelöst werden.
AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe forderte einen härteren Kurs in der Migrationspolitik. „Weder die EU noch die Bundesrepublik schaffen es in irgendeiner Weise, die illegale Migration zu regulieren oder gar zu reduzieren“, kritisierte er. Insbesondere Ausländer ohne Bleibeperspektive müssten zeitnah abgeschoben werden, forderte er. „Wir fordern daher ein professionelles Rückführungsmanagement mit Rückführungszentren und einer zentralen Landesausländerbehörde, um diese Rückführungen zu organisieren.“