75 Jahre Paritätischer Wohlfahrtsverband: Kürzungen sind sozialer Sprengstoff
Immer wieder wird über knappe Kassen geklagt. Zu Kürzungen im sozialen Sektor aber hat die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Niedersachsen, Kerstin Tack, eine klare Meinung.
Hannover - Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen hat Kürzungen bei sozialen Angeboten angesichts knapper Kassen als „brandgefährlich“ bezeichnet. „Kürzungen sind sozialer Sprengstoff“, sagte die Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen, Kerstin Tack, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag) im Interview zum 75-jährigen Bestehen des Paritätischen.
„Denn immer dort, wo Strukturen wegbrechen, sind die betroffen, die sowieso schon nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“ Massive Einschnitte und der Verlust von Teilhabe führten zu Frust und „ganz viel Unverständnis“.
„Etwas aus dem Lot geraten“
Nach der Corona-Pandemie und angesichts des Ukraine-Kriegs und der Klimakrise hätten viele Menschen den Eindruck, „dass hier im Land etwas aus dem Lot geraten ist“, erklärte Tack. „Was früher Stabilität gegeben hat, gerät ins Wanken: Ist der Arbeitsplatz sicher? Kann ich meine Miete bezahlen? Werde ich in der Zukunft noch genug Geld zur Verfügung haben? Diese Unsicherheiten nehmen den Menschen Hoffnung und Vertrauen. Und diejenigen, die sich auf der Verliererseite fühlen, driften ab.“ Befeuert werde dies von sozialen Medien, in denen kaum reguliert Hass und Hetze verbreitet werde.
Viele junge Menschen sind aus Tacks Sicht orientierungslos. „Als Paritätischer Niedersachsen machen wir uns wirklich Sorgen um die politische Bildung von jungen Menschen. Diese findet oft außerhalb der Schule statt“, sagte sie der Zeitung. „Daher sind Begegnungsräume und außerschulische Angebote für junge Leute so wichtig. Ich würde mir wünschen, dass man das akzeptiert, respektiert und dass man nicht ständig dafür streiten muss.“
Kritik an geplanten Kürzungen bei Freiwilligendienst
Tack kritisierte, im neuen Bundeshaushalt seien erneut Kürzungen von 40 Millionen Euro für den Freiwilligendienst vorgeschlagen worden. „Das würde jede achte Stelle betreffen. Auch bei der Migrationsberatung und den Sprachkursen soll gespart werden“, sagte sie - und sprach sich dafür aus, über Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer zu reden.