Wissenschaftlerinnen-Set Wissenschaftlerinnen-Set: Drei Frauen gegen die rosa Lego-Welt
Berlin - Ein gutes halbes Jahr ist es her, da bekam Lego einen Brief. Von Charlotte, sieben Jahre alt, und sie war ziemlich sauer. Die Absenderin, Lego-Liebhaberin nach eigenen Worten, beschwerte sich bei der dänischen Spielzeugfirma, dass Abenteuer und wichtige Arbeiten in der Welt der bunten Steine immer von Jungs besetzt seien. Mädchen hingegen dürften nur "zu Hause sitzen, ins Bett gehen und einkaufen". Charlottes Protest gegen die in blau und rosa geteilten Spielzeugabteilungen gipfelte in der klaren Forderung: "Ich will, dass Ihr mehr Lego-Mädchen macht, dass Ihr sie Abenteuer erleben und Spaß haben lasst, ok!?!"
Fernrohr statt Sofakissen
Man will es kaum glauben, aber im August schien es für einen Moment so, als habe Charlottes Zorn (den bestimmt einige andere Mädchen teilen, ganz zu schweigen von tausenden Eltern) Wirkung gezeigt: Ein Lego-Set mit drei Wissenschaftlerinnen tauchte zwischen den zahlreichen Lego-Männern auf. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: WissenschaftlerINNEN. Eine Astronomin, eine Chemikerin und eine Paläontologin konnte für 20 Euro gekauft werden - und keine von ihnen trägt Rosa. Auch Tiere als Begleitung der Frauen sind weit und breit nicht zu entdecken - abgesehen von dem Dinosaurierskelett, mit dem die Paläontologin sich beschäftigen darf. Ansonsten: Reagenzgläser statt Schminkspiegel, Fernrohr statt Sofakissen.
Dass Charlotte nicht die einzige war, die ihre nicht-marktkonformen Interessen sowie die Errungenschaften der Emanzipation auch bei Lego wiederfinden wollte, zeigt der reißende Absatz: Das Set war binnen 24 Stunden (!) ausverkauft. Bei Lego zeigt man sich darüber verwundert: "Die Nachfrage für dieses Set war unerwartet hoch und wir können mit der Produktion gar nicht so schnell Schritt halten" lautet die Antwort auf die Frage der Autorin, wann und wo sie das Set für ihren Sohn kaufen könne.
Ab 4. September erhältlich?
Erstaunlich: Der Ruf nach selbstständigen, gebildeten und erfolgreichen Frauen ist eine Überraschung für Lego. So erklärt sich wohl auch die Ursprungsidee der Wissenschaftlerinnen: Das Konzept für das Set kam nämlich nicht aus der firmeninternen Ideenschmiede, sondern wurde über die Plattform "Lego Ideas" eingereicht - von Ellen Kooijman, einer Geochemikerin.
Wann genau das Set wieder zu kaufen ist, darüber hält sich Lego bedeckt. Ebenso hinsichtlich der Frage, ob man vorhabe, die Stückzahl wegen der reißenden Nachfrage zu erhöhen. Laut Medienberichten sollen die erfolgreichen Wissenschaftlerinnen ab 4. September wieder erhältlich sein. Auf Nachfrage erklärt Lego: "Keine Angst, das Set sollte bald wieder bestellbar sein."
Ein Set für Charlotte
Bestellbar heißt aber: Wer in Kaufhäusern oder Spielwarengeschäften nach den Wissenschaftlerinnen sucht, wird erfolglos bleiben. Wieder am Markt, sind sie lediglich online oder in den Lego Brand Stores erhältlich. Man muss sich also ein wenig anstrengen, um in der Lego-Welt als Mädchen seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Und etwas geboten zu bekommen, das nicht niedlich, pink und haarig ist, ist immer noch die Ausnahme. Revolution light, sozusagen. Einfach das Taschengeld nehmen und zu Kaufhof fahren? So leicht ist Emanzipation in der Spielzeugwelt nicht zu haben.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass viele dieser seltenen Lego-de-luxe-Sets wohl in (männlichen) Sammlerhänden landen. Ob wohl wenigstens Charlotte die Wissenschaftlerinnen abgekriegt hat? Man wünscht es ihr.