Wissenschaft Wissenschaft: Wir stammen doch vom Neandertaler ab

Bonn/Leipzig/dpa. - Das Forscherteam stellt seine Arbeit zumersten Entwurf des Neandertaler-Erbguts im US-Fachblatt «Science» vomFreitag vor und vergleicht Teile davon mit dem Genom heutigerMenschen.
Die Zellkern-DNA aus den Knochen von laut Schmitz sechsNeandertalern wurde unter Federführung des Max-Planck-Instituts fürEvolutionäre Anthropologie in Leipzig sequenziert. BisherigeAnalysen, die sich lediglich auf das Erbgut der Zellkraftwerke(Mitochondrien) stützten, hatten gegen eine engere Verwandtschaft desmodernen Menschen mit den vor knapp 30 000 Jahren ausgestorbenenNeandertalern gesprochen.
Das neueste Ergebnis des Leipziger Neandertaler-Genom-Projektesbelege, dass der wohl weltweit populärste Urmensch zwischen einem undvier Prozent zu den Genen der heutigen Bevölkerung in Europa undAsien beigetragen hat, schreiben die Forscher. «Nun steht fest, dassdie Neandertaler doch zu unseren Vorfahren zu rechnen sind», sagteSchmitz, der an der Universität Bonn und dem LVR-Landemuseumderselben Stadt arbeitet.
Dass sich die Neandertaler-Gene selbst bei Chinesen und heutigenMenschen in Papua-Neuguinea nachweisen lassen, obwohl dort nie einNeandertaler gelebt hat, sei eine weitere Überraschung, sagte derExperte. Der aus Afrika eingewanderte anatomisch moderne Mensch hattesich demnach im Nahen Osten mit den Neandertalern vermischt, wo beideMenschenarten archäologisch nachweisbar bis vor rund 50 000 Jahrenfür etwa 30 000 Jahre miteinander gelebt hätten. Von hier aus habeder Neuankömmling das genetische Neandertaler-Erbe auf seine weitereWanderung nach Europa und Asien mitgenommen.
Genetische Spuren des zweiten Zusammentreffens mit noch lebendenNeandertalern in Europa seien bisher allerdings nicht nachweisbar undmöglicherweise durch später einwandernde Menschen der Jungsteinzeitüberdeckt worden. Allerdings: «Diejenigen von uns, die außerhalbAfrikas leben, tragen ein kleines bisschen Neandertaler in sich»,sagt Svante Pääbo, Direktor der Abteilung für Evolutionäre Genetik amMax-Planck-Institut in Leipzig.
Bisher waren Wissenschaftler überwiegend davon ausgegangen, dasssich im Laufe der Evolution heutige Menschen und Neandertaler vorrund 500 000 Jahren getrennt hätten. Damit wäre der mit rund 300Funden nachweisbare Urmensch, der Europa etwa 300 000 Jahre langbesiedelt hat, nur ein entfernter Verwandter der modernen Menschengewesen.
Das Genom einer lange ausgestorbenen Art zu analysieren stellt dieWissenschaftler vor «ganz besondere Herausforderungen», beschreibendie Leipziger Experten. Die DNA ist im Laufe der Zeit zu winzigenFragmenten zerfallen und zum Teil auch chemisch verändert. Hinzukomme das Problem der Verunreinigung. «Mehr als 95 Prozent der DNA ineiner Probe stammen von Bakterien und Mikroorganismen, die denNeandertaler nach seinem Tod besiedelten», erklärt Pääbo. Auchmenschliche DNA, die bei der Ausgrabung oder im Labor in die Probegelangt, verfälsche die Ergebnisse.
Nach dem ersten Entwurf des Neandertaler-Erbguts wollen dieLeipziger Wissenschaftler in den kommenden Jahren durch DNA-Analysenäheres über die Natur des Neandertalers wie etwa Stoffwechsel,Hirnentwicklung oder Sprachfähigkeit herausfinden. Am LVR-Landesmuseum in Bonn, wo das 1856 entdeckte Skelett des Namenspatronsaller Neandertaler aufbewahrt wird, koordiniert der Archäologe undUrgeschichtler Ralf W. Schmitz die Arbeit von 19 Uni- Instituten zumNeandertaler.

