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Winnenden Winnenden: Folgenschwere Polizei-Panne beim Amoklauf?

04.04.2009, 12:33
Die zerbrochene Scheibe eines zivilen Polizeifahrzeugs, aufgenommen am Mittwoch (11.03.09) in Wendlingen in der Nähe eines Autohauses, wo der 17-jährige ehemalige Schüler Tim K. nach einem Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden gestellt wurde. Der 17-Jährige hat am Mittwoch an der Realschule und in einem Autohaus in Wendlingen insgesamt 15 Menschen erschossen. Anschliessend hat er sich nach jüngsten Erkenntnissen höchstwahrscheinlich selbst erschossen, wie die Polizeidirektion Esslingen und die Staatsanwaltschaft Stuttgart am frühen Mittwochabend (FOTO: DDP)
Die zerbrochene Scheibe eines zivilen Polizeifahrzeugs, aufgenommen am Mittwoch (11.03.09) in Wendlingen in der Nähe eines Autohauses, wo der 17-jährige ehemalige Schüler Tim K. nach einem Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden gestellt wurde. Der 17-Jährige hat am Mittwoch an der Realschule und in einem Autohaus in Wendlingen insgesamt 15 Menschen erschossen. Anschliessend hat er sich nach jüngsten Erkenntnissen höchstwahrscheinlich selbst erschossen, wie die Polizeidirektion Esslingen und die Staatsanwaltschaft Stuttgart am frühen Mittwochabend (FOTO: DDP) ddp

München/Stuttgart/ddp. - Ein Polizeibeamter habe den 17-jährigen Tim K.bereits angeschossen gehabt, ehe dieser in Wendlingen in ein Autohausgelaufen sei und einen Verkäufer und einen Kunden erschossen habe,berichteten die Nachrichtenmagazine «Spiegel» und «Focus» unterBerufung auf Polizeiprotokolle. Die Staatsanwaltschaft Stuttgartbestätigte die Berichte. Bislang hatte es geheißen, der Schusswechselmit dem Polizisten habe erst stattgefunden, nachdem Tim K. imAutohaus die beiden Menschen erschossen hatte.

Die beiden Magazine berufen sich in ihren Berichten auf neueErmittlungsergebnisse. Demnach war Tim K. bereits gestellt, bevor erdas Autohaus erreichte. Bei dem Schusswechsel mit einem Beamten wurdeK. in die Wade und ins Sprunggelenk getroffen und setzte sich auf denBoden. «Nach Aufforderung legte er seine Waffe neben sich auf derStraße ab und hob die Hände über den Kopf», zitiert «Focus» aus denErmittlungsakten. «Daraufhin verließ der Polizeibeamte seine Deckungund ging mit der Waffe im Anschlag einige Meter in Richtung desTäters.»

In diesem Moment stand der scheinbar überwältigte Amokläuferwieder auf, ergriff seine Pistole und eröffnete erneut das Feuer aufden Polizisten. «Der Beamte versuchte, durch weitere Schussabgabenein Flüchten des Täters zu verhindern. Trotzdem konnte dieser in dasdirekt angrenzende Autohaus gelangen», heißt es. In dem Autohauserschoss der Amoktäter, der zuvor in Winnenden 13 Menschen getötethatte, zwei Männer. Mit einem Schuss auf ein Zivilfahrzeug derPolizei verletzte er zwei Beamte schwer.

Die neuen Ermittlungserkenntnisse sind der Staatsanwaltschaft demBericht zufolge seit 20. März bekannt. Auch das Innenministerium seidurch die Polizei unterrichtet worden. Ein Sprecher derStaatsanwaltschaft bestätigte auf ddp-Anfrage die Berichte. Dass dieseine Polizeipanne bedeute, wie es der «Focus» behaupte, sei aber«Interpretation des 'Focus'», sagte er. Er verwies darauf, dass derPolizeibeamte «sehr weit» von dem Amokläufer entfernt gestanden habe,was es schwierig gemacht habe, Tim K. komplett aufzuhalten.

Dass der Schusswechsel schon vorher stattgefunden habe, sei dasErgebnis der Auswertung des Funkverkehrs, der Videoüberwachung desGebäudes sowie der Luftbeobachtung der Polizeihubschrauber, sagte derSprecher. Diese Auswertung habe einfach ihre Zeit gebraucht und seideswegen erst jetzt bekannt geworden. Einen Anlass für Ermittlungengegen den Polizeibeamten sehe er derzeit nicht.

Die Polizeidirektion in Waiblingen stellte klar, dass der gesamteTatverlauf weiter aufgearbeitet werde. So stünden auch nochErgebnisse umfangreicher Tatortvermessungen und ballistischerUntersuchungen aus. Zu dem Geschehen in Wendlingen hieß es vonseitender Polizei, dass der Polizist durch Schüsse versucht habe, Tim K. anseiner Flucht zu hindern, nachdem dieser wieder die Waffe ergriffenhatte. Der Amokläufer sei allerdings in einen für den Beamten nichteinsehbaren Bereich des Autohauses gerannt.

Die baden-württembergischen Grünen beantragten am Samstag eineSondersitzung des Innenausschusses wegen der nach ihrer Ansicht«dramatischen Wende» in dem Fall. Sie forderten InnenministerHeribert Rech (CDU) auf, die Öffentlichkeit unverzüglich darüber zuinformieren, was in Wendlingen wirklich passiert sei. «Wenn eszutrifft, dass der Amokschütze durch Fehler der Polizei seinmörderisches Werk fortsetzen konnte, dann bedeutet dies einedramatische Wende», sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen,Uli Sckerl. Rech müsse auch erklären, seit wann er von denErmittlungsergebnissen wisse.