Extremismus Weniger islamistische Gefährder in Niedersachsen
Jahrelang war die Gefahr islamistischer Terroranschläge im öffentlichen Bewusstsein allgegenwärtig. Mittlerweile geht die Zahl der Islamisten zurück. Niedersachsens Innenministerin sieht allerdings noch keinen Grund für eine Entwarnung.
Hannover - In Niedersachsen gibt es immer weniger islamistische Gefährder. Das hat Innenministerin Daniela Behrens auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt. „Seit 2018 sinkt die Anzahl dieser Personen in Niedersachsen kontinuierlich“, sagte die SPD-Politikerin. Behrens führte das auf den Niedergang der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), aber auch auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden zurück. Konkret verwies die Ministerin auf das Verbot des Vereins Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim und auf Haftstrafen für Angehörige der islamistischen Szene.
Grund für Entwarnung gebe es jedoch nicht, betonte Behrens. „Der islamistische Terrorismus bleibt eine sehr reale Bedrohung, die wir in Niedersachsen ausgesprochen ernst nehmen“, sagte sie. Auch die Zahl der Gefährder liege noch immer auf einem recht hohen Niveau.
Das Spektrum der Bedrohungsszenarien reiche dabei vom individuell radikalisierten Täter bis zu konspirativ agierenden Terrorzellen. „Unsere Sicherheitsbehörden ergreifen im konkreten Einzelfall und niedrigschwellig alle rechtlich zulässigen Maßnahmen, um dem islamistischen Terrorismus entgegenzuwirken“, sagte Behrens.
Dem sogenannten islamistisch-terroristischen Personenpotenzial in Niedersachsen wurden zuletzt rund 90 Personen zugerechnet, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Die Zahl der Gefährder ist darin enthalten, sie ist allerdings deutlich niedriger. Wie viele Gefährder es genau gibt, teilte das Ministerium aus Sicherheitsgründen nicht mit.
Von den rund 90 Menschen, die dem islamistisch-terroristischem Bereich zugeordnet werden, haben laut Innenministerium 37 Prozent ausschließlich die deutsche und 35 Prozent die deutsche und eine weitere Staatsangehörigkeit. Etwa 9 Prozent sind türkische Staatsangehörige, weitere 6 Prozent sind Syrer.
Im Verfassungsschutzbericht des Landes heißt es, dschihadistische Propaganda sei weiterhin virulent. Das sorge für eine latente Anschlagsgefahr durch islamistische Extremisten und Terroristen - auch durch Einzeltäter, bei denen es für die Behörden besonders schwierig sei, eine Radikalisierung frühzeitig zu erkennen.
Das Personenpotenzial der Salafisten, die den größten Teil der niedersächsischen Islamisten ausmachen, war im Jahr 2022 demnach zwar erstmals rückläufig. Ihr Aktionsniveau allerdings sei deutlich höher gewesen als in den Vorjahren, was der Verfassungsschutz auch auf deutschsprachige Prediger zurückführt, die ihre Ideologie jugendgerecht verbreiten, beispielsweise in sozialen Netzwerken.
So habe etwa die Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft, ein Verein aus Braunschweig, seine Bekanntheit über das Internet massiv ausgebaut und sei mittlerweile eine bundesweiter Anlaufpunkt salafistischer Prediger. Die Gefahr der Selbstradikalisierung sei durch solche digitalen Angebote hoch.
Die Beratungsstelle zur Prävention neo-salafistischer Radikalisierung Niedersachsen teilte auf Anfrage mit, islamistischer Extremismus stelle in all seinen unterschiedlichen Formen nach wie vor eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Die Beratungsstelle verzeichnet nach eigenen Angaben nach Ende der coronabedingten Einschränkungen eine deutlich steigende Zahl von Beratungsanfragen aus dem sozialen Umfeld von vermeintlich Betroffenen sowie von pädagogischen Einrichtungen.
Der CDU-Innenpolitiker André Bock erklärte, durch „ungebremste illegale Zuwanderung“ kämen viele Menschen nach Deutschland, „deren Identität und wahre Herkunft“ ungeklärt seien. Islamistische Terroristen könnten das für ihre Zwecke ausnutzen, so Bock. Trotz rückläufiger Zahlen bestehe daher weiter Grund zur Sorge.