Steuerschätzung Niedersachsen Weniger Einnahmen: Minister für Reform der Schuldenbremse
Die wirtschaftlich schwierige Lage schlägt sich auch auf den Landeshaushalt Niedersachsens nieder. Finanzminister Heere dringt auf ein Gegensteuern.
Hannover - Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere dringt angesichts deutlich niedrigerer Steuereinnahmen als erwartet auf eine Aufweichung der Schuldenbremse. „Ich bin unbedingt dafür, die Schuldenbremse beizubehalten, aber nicht in der momentanen Form. Wir müssen sie dringend reformieren hin zu mehr Investitionsfreundlichkeit“, sagte der Grünen-Politiker bei der Vorstellung der Steuerschätzung.
Für den Landeshaushalt 2024 fehlen unter Berücksichtigung des kommunalen Finanzausgleichs demnach rund 479 Millionen Euro, für das kommende Jahr rund 465 Millionen Euro. Auch in den Folgejahren muss das Land jeweils mit Hunderten Millionen Euro weniger kalkulieren. Gleichzeitig steige der Bedarf, in die Infrastruktur, in Gebäude, den Klimaschutz und die Digitalisierung zu investieren, sagte Heere.
Minister: Weiterer Nachtragshaushalt nicht nötig
Zwar werde das Land in diesem und im nächsten Jahr die Mindereinnahmen noch ausgleichen können, ohne Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu kürzen, erklärte der Minister. Auch ein weiterer Nachtragshaushalt sei nicht nötig. Für die Jahre von 2026 an werde es aber „echte Einsparvorgaben“ brauchen, sagte Heere, ohne sich auf ein konkretes Sparprogramm festzulegen. „Die Lage ist wie erwartet ernst, die aktuelle Schätzung schränkt die Handlungsspielräume für die kommenden Jahre weiter ein.“
Heere ergänzte, dass er mit einer Reform der Schuldenbremse eher nicht mehr vor der Bundestagswahl 2025 rechne. Zu Beginn der nächsten Wahlperiode werde aber jede Bundesregierung mit den „schwierigen Zahlen“ umgehen müssen. Eine Änderung der Schuldenbremse sei dabei für ihn „relativ naheliegend“.
Geringere Einwohnerzahl wirkt sich negativ aus
Die voraussichtlich geringeren Steuereinnahmen gehen hauptsächlich auf die angespannte Wirtschaftslage zurück. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,2 Prozent. Im kommenden Jahr soll es ein moderates Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,1 Prozent geben.
Negativ zu Buche schlagen für Niedersachsen auch die neuen Einwohnerzahlen nach dem Zensus 2022, denen zufolge etwa 170.000 Menschen weniger zwischen Nordsee und Harz leben als anhand früherer Daten errechnet worden war. Der Anteil Niedersachsens an der deutschen Gesamtbevölkerung sank dadurch leicht. Das führt nun zu jährlichen Mindereinnahmen im unteren dreistelligen Millionenbereich.
Steuerplus für die niedersächsischen Kommunen
Heere betonte, neben einer Reform der Schuldenbremse brauche es auch dringend wirksame Wachstumsimpulse für die Wirtschaft. „Wir werden deshalb die entsprechenden Initiativen des Bundes weiter positiv begleiten.“
Für die niedersächsischen Kommunen ergebe sich aus der Steuerschätzung derweil für dieses Jahr ein Plus von 304 Millionen Euro, für 2025 von 284 Millionen Euro. Grund dafür ist laut Finanzministerium eine gute Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen.
Opposition fordert Sparmaßnahmen und schlankeren Staat
Der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele bezeichnete den Ruf nach einer Aufweichung der Schuldenbremse als falsch. Der Staat müsse schlanker und digitaler werden, forderte Thiele, ansonsten müssten kommende Generationen „für horrende Kredite in den nächsten Jahrzehnten doppelt und dreifach bezahlen“.
Der AfD-Politiker Peer Lilienthal forderte die rot-grüne Regierung auf, „rigoros“ zu sparen. „Das gilt vor allem für Fantasieprojekte wie die Milliardeninvestitionen in die unausgereifte Wasserstofftechnologie“, sagte Lilienthal.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erneuerte dagegen seine Forderung nach einem Investitionsprogramm. Die Antwort auf die Mindereinnahmen könne nicht in „ideologisch motivierten Sparrunden liegen, die sowohl unsere Wirtschaft als auch den sozialen Zusammenhalt in unserem Land schwächen“, sagte DGB-Bezirkschef Mehrdad Payandeh. Der Handlungsbedarf etwa beim Klimaschutz, auf dem Wohnungsmarkt, an Kitas, Schulen und Hochschulen sowie an Krankenhäusern und bei der Sicherheit dürfe durch die aktuelle Lage nicht aus dem Blick geraten.