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Weltnichtrauchertag Weltnichtrauchertag: Menschen mit wenig Einkommen greifen öfter zur Zigarette

24.05.2004, 14:11
An der Tür eines «Nichtraucher-Büros» hängt ein Verbotsschild für das Rauchen. (Foto: dpa)
An der Tür eines «Nichtraucher-Büros» hängt ein Verbotsschild für das Rauchen. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - 40 Prozent der 12- bis 17-Jährigen rauchten inzwischen regelmäßig oder gelegentlich - Tendenz steigend.

Der Tabakkonsum in Deutschland hänge direkt von Bildungsgrad,Beruf und Haushaltseinkommen ab, sagte Krebshilfe-Präsidentin Dagmar Schipanski im Vorfeld des Weltnichtrauchertags am 31. Mai. Für sozial benachteiligte Gruppen entstehe durch das Rauchen außer den negativen Folgen für die Gesundheit ein Teufelskreis. «Ein nikotinsüchtiger Mensch mit geringem Einkommen gibt bis zu 20 Prozent seines Geldes für Zigaretten aus. Dieses Geld fehlt dann bei Lebensmitteln oder Kleidung», ergänzte Schipanski.

Um diesem Negativtrend entgegenzuwirken fordert die Krebshilfeunter anderem die Abschaffung von Zigarettenautomaten und einumfassendes Werbeverbot für Tabak in Film und Fernsehen. «Wir wollen schon den ersten Griff zur Zigarette verhindern», betonte Schipanski. Nach Angaben der Krebshilfe sterben jeden Tag 380 Menschen in Deutschland an den Folgen ihres Tabakkonsums. Mit der neuen Plakat-Kampagne «Wer raucht, ist arm dran» wollen die Krebshilfe und das Aktionsbündnis Raucher zum Umdenken bewegen.

Unter allen Männern von 18 bis 59 Jahren rauchen in Deutschland 39 Prozent. 26 Prozent der Männer dieser Altersgruppe sind Ex-Raucher, 35 Prozent haben gar nicht erst mit dem Rauchen angefangen, wie aus dem Bundes-Gesundheitssurvey vom Jahr 2000 hervorgeht. Von den Frauen in der Altersgruppe sind etwa 55 Prozent Nie- und knapp 20 Prozent Ex-Raucherinnen.

Insbesondere gut ausgebildete Menschen kommen von ihrer Sucht los oder fangen gar nicht erst an. Umgekehrt rauchen zunehmend sozial benachteiligte Menschen. Daher hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Weltnichtrauchertag in diesem Jahr unter das Motto «Tabak und Armut - ein Teufelskreis» gestellt.

Menschen in ärmeren Haushalten geben laut WHO im Schnitt 4 bis 5Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Tabak aus. In China rauchen Menschen ohne Schulbildung sieben Mal häufiger als solche mit College-Abschluss. Wenn in Bangladesh zwei Drittel des für Zigaretten ausgegebenen Geldes in Nahrungsmittel investiert würden, könnten dort mehr als 10 Millionen Menschen vor dem Hungern bewahrt werden. Auch in Deutschland rauchen nach Auskunft des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ/Heidelberg) besonders viele ärmere und wenig gebildete Menschen: Unter den 18 bis 19-jährigen Hauptschulabgängern beträgt der Raucheranteil 64 Prozent, bei den gleichaltrigen Gymnasiasten sind es 39 Prozent.

Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts habe eher die Oberschichtgeraucht, erläutert die Leiterin des deutschen WHO-Zentrums fürTabakkontrolle, Martina Pötschke-Langer. Um 1950, als es die ersten Studien zum Zusammenhang von Lungenkrebs und Rauchen gab, habe sich der Anteil allmählich umgedreht. Grund: Gebildete erfahren mehr über Gesundheitsfolgen und nehmen das, was sie gelernt haben, ernster. Pötschke-Langer plädiert daher für staatliche Einschnitte und gezielte Kampagnen in Boulevardzeitungen oder Fernsehprogrammen für sozial Benachteiligte.

Bei einer Preiserhöhung für Zigaretten um 10 Prozent lassen einer Studie der Weltbank zufolge 4 Prozent der Raucher vom Glimmstängel ab. «Bei Jugendlichen und einkommensschwachen Menschen sind es sogar 13 Prozent», sagt Pötschke-Langer mit Verweis auf die Studie. «Tabaksteuererhöhung ist das geeignetste Mittel überhaupt, um insbesondere Jugendliche und einkommensschwache Menschen vom Rauchen abzubringen - auch wenn die Steuererhöhung gestückelt wird, wie in Deutschland.»

Zweitbestes Mittel seien rauchfreie Arbeitsplätze. «Es vergehtvielen die Lust am Rauchen, wenn sie in einer rauchfreien Umgebung arbeiten dürfen. Die Menschen rauchen dann auch oft abends nicht mehr.» Als drittes nennt die Expertin, die auch Medizinerin am Deutschen Krebsforschungszentrum ist, ein Verbot der Tabakwerbung. «Als Einzelmaßnahme kann es eine Konsumreduktion von acht Prozent innerhalb von zehn Jahren bewirken.»

Die beste Art aufzuhören ist laut Pötschke-Langer die so genannte Schlusspunktmethode und nicht die allmähliche Reduktion der Kippen. «Man muss sich ganz klar auf einen Tag festlegen.» Der sollte nach DKFZ-Angaben innerhalb der kommenden zwei bis drei Wochen liegen. Damit arbeite auch die Verhaltenstherapie. «Eine Kombination aus Verhaltenstherapie und Nikotinersatzpräparaten stellt die erfolgreichste Methode dar, wird aber am wenigsten wahrgenommen», sagt Pötschke-Langer. Die Erfolgsrate betrage 30 bis 35 Prozent. Die Methode sei auch eine Investition in die finanzielle Zukunft. Dennein Jahr täglich eine Schachtel Zigaretten zu kaufen, koste 1300Euro.

Die meisten Ex-Raucher haben im Alter von 25 bis 45 Jahren mit dem Rauchen aufgehört. «In dem Alter finden viele es lästig, permanent eine Zigarette zu benötigen», erläutert Pötschke-Langer. Weitere Tipps: Aschenbecher und Feuerzeug verbannen, möglichst verschiedene Säfte trinken, Sport treiben, sich mit dem gesparten Geld kleine oder größere Wünsche erfüllen.

Kostenlose Broschüre, «Ja, ich werde rauchfrei» zu bestellen bei: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 51101 Köln, Fax 0221 8 99 22 57, E-Mail: [email protected]

So viel Prozent der Bevölkerung rauchen täglich (Grafik: dpa)
So viel Prozent der Bevölkerung rauchen täglich (Grafik: dpa)
dpa