Koalition im Bund Welche Chancen Schwarz-Rot für Niedersachsen bietet
Günstigerer Strom, steuerfreie E-Autos, mehr Geld für Investitionen: SPD und CDU in Niedersachsen hoffen auf neue Impulse aus Berlin. Doch nicht alle feiern den Koalitionsvertrag.

Hannover - Niedersachsens designierter Ministerpräsident Olaf Lies sieht im Koalitionsvertrag von Union und SPD im Bund gute Signale für eine wirtschaftliche Erholung. „Wir tun etwas gegen die hohen Energiepreise und damit für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Und wir gehen den Weg hin zur Klimaneutralität konsequent weiter“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Den Bereich Energie und Klima hat der Wirtschaftsminister als leitender SPD-Vertreter selbst mit ausgehandelt.
Zuversichtlich blicken auch Noch-Regierungschef Stephan Weil (SPD) und CDU-Landeschef Sebastian Lechner auf die bevorstehende Zusammenarbeit ihrer Parteien in der Bundesregierung. Weil setzt dabei auf einen neuen Stil im Vergleich zur Ampel: „Ich hoffe sehr, wir kommen raus aus einer Phase, wo es immer nur mit Hauen und Stechen zuging, und kommen hinein in eine Phase, wo es um Lösungen geht.“
Kritik am Koalitionsvertrag üben dagegen die Grünen als Koalitionspartner der SPD im Land, ebenso wie die oppositionelle AfD.
Diese Chancen sehen SPD und CDU:
Investitionen – Aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen, das Schwarz-Rot für die Aufbesserung der Infrastruktur auflegen will, stehen Niedersachsen zwischen 9 und 10 Milliarden Euro zu. Zudem können die Länder mehr eigene Schulden aufnehmen, in Niedersachsen erhöht das den Spielraum um weitere etwa 1,4 Milliarden Euro. „Das wird unserem Staat in den nächsten Jahren die Möglichkeit geben, dringend notwendige Aufgaben zu erledigen“, sagte Weil. „Das ist extrem wichtig, und das ist übrigens auch das Thema gewesen, an dem letztlich die Ampel zerbrochen war.“
Grüne Energie – Regierungschef Weil geht davon aus, dass das Land die Energiewende unter Schwarz-Rot weiter mit Nachdruck vorantreiben kann. „Das machen wir für den Klimaschutz, aber auch, damit wir selber wirtschaftlich stärker werden“, sagte der Ministerpräsident.
„Unser Bundesland steht im Zentrum der Energiewende“, betonte auch Wirtschaftsminister Lies. „Wir haben jetzt die größten Chancen, hier weiter zu profitieren. Der Windenergieausbau bis 2027 bleibt unangetastet – das ist richtig und notwendig.“ Um die Akzeptanz beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zu gefährden, stehe für ihn zudem „unmissverständlich fest, dass beim Netzausbau in Niedersachsen auch künftig Erdkabel den Vorrang vor Freileitungen haben werden“. Energieminister Christian Meyer (Grüne) lobte am Koalitionsvertrag, dass es beim Atomausstieg bleibt.
Günstigerer Strom – Um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde will Schwarz-Rot die Unternehmen, aber auch private Verbraucher dauerhaft entlasten. Dazu sollen unter anderem die Stromsteuer und die Netzentgelte gesenkt werden. Zudem soll ein Industriestrompreis kommen – darauf hatte die Landesregierung schon lange gedrungen. „Ich freue mich darüber, dass insbesondere die Anreize zur wirtschaftlichen Erholung so betont werden“, sagte Weil.
Sein voraussichtlicher Nachfolger Lies bezeichnete die angestrebte Senkung der Energiepreise als „ein starkes Signal für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland“. Die Nutzung etwa von E-Autos und Wärmepumpen werde dadurch noch attraktiver.
Autoindustrie – Die Transformation der nicht zuletzt wegen Volkswagen für Niedersachsen so wichtigen Autoindustrie will Schwarz-Rot mit neuen Kaufanreizen für E-Autos unterstützen. Dabei geht es unter anderem um steuerliche Begünstigungen, darunter eine Befreiung von der Kfz-Steuer für Elektroautos bis zum Jahr 2035. Niedersachsen bleibe damit ein führender Automobilstandort, sagte CDU-Chef Lechner.
Sicherheit – Eine neue Speicherpflicht für IP-Adressen soll dazu beitragen, die Sicherheit zu erhöhen. „Die Vorratsdatenspeicherung ist notwendig, um Kriminalität effektiv zu bekämpfen und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, ohne den Datenschutz zu gefährden“, sagte Lechner.
Bauen – „Mit diesem Koalitionsvertrag kann Deutschland gut bauen“, teilte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mit – vorausgesetzt, es werde eine verlässliche Finanzierung und konkrete Zielmarken dafür geben, etwa beim Bau von Sozialwohnungen. Deren Zahl ist in Niedersachsen zuletzt stark zurückgegangen: von mehr als 85.000 Ende 2016 auf rund 50.000 Mitte 2024.
Diese Kritik üben Grüne und AfD:
Die Grünen halten den Koalitionsvertrag zumindest in Teilen für rückschrittlich. Sorge bereitet Landeschefin Greta Garlichs dabei vor allem der geplante härtere Kurs in der Migration. „Die Beschlüsse der Koalition in der Asyl- und Migrationspolitik kommen einer faktischen Übernahme rechtsextremer AfD-Positionen gleich“, kritisierte sie und warnte, eine Normalisierung rechtsextremer Positionen durch Parteien der Mitte sei „Benzin auf dem lodernden Feuer der Demokratiefeinde“.
Entgegengesetzt fällt die Kritik der AfD aus. „Statt einer echten Migrationswende gibt es halbgare Kompromisse“, sagte AfD-Landeschef Ansgar Schledde. Von einem faktischen Einreisestopp sei keine Rede mehr – ebenso wenig wie von der Kernkraft. CDU-Chef Friedrich Merz habe eine konservative Wende versprochen, liefere aber ein linkes „Weiter so“ ab.