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Streit um Migrationspolitik Wegner mahnt Union: „Rechte Hetzer profitieren“

Berlins Regierungschef Wegner sorgt sich angesichts der Migrationsdebatte um die Demokratie. Er appelliert an Friedrich Merz und macht eine Ankündigung.

Von dpa Aktualisiert: 30.01.2025, 14:50
Berlins Regierungschef Wegner nimmt im Abgeordnetenhaus Stellung zur Migrationspolitik.
Berlins Regierungschef Wegner nimmt im Abgeordnetenhaus Stellung zur Migrationspolitik. Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin - Berlin stimmt einem von der Union geplanten Gesetz zur Verschärfung der Migrationspolitik nicht im Bundesrat zu, wenn es im Bundestag nur aufgrund der AfD eine Mehrheit gefunden hat. Das kündigte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Berliner Abgeordnetenhaus an.

„Ich habe sehr klar gesagt, dass der Berliner Senat niemals einem Gesetz im Bundesrat zustimmen wird, das nur in Abhängigkeit von den Stimmen der AfD zustande gekommen ist“, sagte der CDU-Politiker, der in einer Koalition mit der SPD regiert. „Mit mir, darauf können Sie sich verlassen, wird es niemals eine Zusammenarbeit, Kooperation oder gar eine Koalition mit den Rechtsextremisten von der AfD geben.“

AfD sorgt für Mehrheit im Bundestag

Gestern hatte der Bundestag einen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und Fraktionslosen beschlossen. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag, gut drei Wochen vor der Bundestagswahl, stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union ab, der konkrete Regelungen zur Eindämmung der Migration enthält. AfD, FDP und BSW signalisierten ihre Zustimmung.

Wegner-Appell an „demokratische Mitte“ 

Mit Blick auf den Beschluss vom Mittwoch rief Wegner dazu auf, die Probleme in Deutschland aus der demokratischen Mitte heraus zu lösen. Alle Parteien der demokratischen Mitte müssten gemeinsam für die Demokratie kämpfen, Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen. 

„Das, was wir derzeit erleben, wird dazu führen, dass rechte Hetzer davon profitieren“, sagte Wegner. „Die Verantwortung der demokratischen Mitte ist es, nach Möglichkeit bis Freitag eine gemeinsame Lösung zu finden, damit am Freitag Gesetze im Deutschen Bundestag aus der demokratischen Mitte beschlossen werden.“ 

Alle Demokratinnen und Demokraten seien jetzt in der Verantwortung. „Ich bitte, lassen Sie uns das gemeinsam tun. Das ist mein Appell auch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, so Wegner.

„Brandmauer steht“

Die Demokratie sei in Gefahr. „Die Brandmauer steht. Sie steht bei mir“, fügte er mit Blick auf die AfD hinzu. „Aber wir retten und schützen unsere Demokratie nicht nur, indem wir über Brandmauern sprechen. Die viel größere Aufgabe ist es, den Brand, der in Teilen unserer Gesellschaft bisweilen besteht, gemeinsam zu löschen.“

Heftiger Streit im Landesparlament 

In der Debatte im Abgeordnetenhaus, die aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz geführt wurde, ging es phasenweise hoch her. Scharfe Kritik am Vorgehen von Merz gab es von Linken und Grünen, aber auch von der SPD. 

„Merz hat die politische Brandmauer nach rechts mit voller Absicht eingerissen“, sagte Linke-Fraktionschef Tobias Schulze zum Bundestagsbeschluss. „Merz hat sich gestern entschieden, den demokratischen Grundkonsens im Nachkriegsdeutschland zu verlassen.“ Und weiter: „Unsere Demokratie steht auf der Kippe.“

Breite Kritik an Merz

Grünen-Fraktionschef Werner Graf sprach wie Schulze von einem Dammbruch. „Gerade wurde im Bundestag sehenden Auges der Schutzwall für unsere Demokratie eingerissen, ohne die Folgen auch nur in den Blick zu nehmen.“ Merz habe mit Nazis gestimmt und man könne nun nicht mehr glauben, dass die Union nach der Wahl keine gemeinsame Sache mit der AfD mache. „Sie holen lieber die AfD aus der Tabuzone, als im demokratischen Spektrum um Lösungen zu suchen“, sagte Graf. 

SPD-Fraktionschef Raed Saleh kritisierte die Union im Bund ebenfalls mit deutlichen Worten: Er sei erschüttert darüber, wie „die Brandmauer gegen den Faschismus“ eingerissen worden sei. „Sie ist gestern im Bund gefallen.“ Wer mit Rechtsextremen und Neonazis paktiere, paktiere mit den Feinden der Demokratie. Vorwürfe richtete Saleh insbesondere an Kanzlerkandidat Merz: Wer gemeinsame Sache mit Rechten mache, dem könne man nicht vertrauen.

CDU-Fraktionschef spricht von Wahlkampfgetöse

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner wies die Kritik zurück und warf insbesondere der Linken vor, das Gedenken an den 80. Jahrestag der Auschwitzbefreiung für „dummes Wahlkampfgetöse“ zu nutzen. Der Versuch, die CDU in die rechte Ecke zu stellen, sei infam. „Die Union ist die bürgerliche Mitte“, sagte Stettner. „Wir werden niemals mit der AfD kooperieren oder koalieren.“ 

Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer nannte die Kritik der Linken „reine Heuchelei“. Auschwitz sei in den vergangenen Jahren allzu oft instrumentalisiert worden, um eine falsche Migrationspolitik zu rechtfertigen. „Die Lehre aus Auschwitz besteht nicht darin, in unbegrenzter Zahl Armutseinwanderer in Deutschland aufzunehmen“, sagte er.

Protestaktion im Plenum

Aus Protest gegen die AfD drehten sich die Mitglieder der Fraktionen von SPD, Grünen und Linken auf ihren Stühlen um. Sie kehrten Trefzer während dessen kompletter Rede demonstrativ den Rücken zu. Die CDU beteiligte sich nicht an der Aktion.