Vor der Bundestagswahl Was Fischer, Meeresschützer und Co. für die Nordsee fordern
Windparks, Fanggebiete und Urlaubsinseln: Auf der Nordsee kommen viele Interessen zusammen. Wie könnte die Meerespolitik einer neuen Bundesregierung aussehen? Die Forderungen dazu gehen auseinander.
![Naturschützer wünschen sich unter anderem große, fischereifreie Zonen in den Wattenmeer-Nationalparken und anderen Meeresschutzgebieten. (Archivbild)](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/08/2e34c2f6-819c-4c82-aa72-039f6aae6f85.jpeg?w=1024&auto=format)
Emden/Husum/Hamburg - Ausreichende Fanggebiete, besserer Naturschutz und mehr Planbarkeit bei Energie- und Verkehrspolitik: Die Forderungen an die künftige Meerespolitik einer neuen Bundesregierung sind vielfältig. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Nutzern und Anrainern der Nordsee und der Wattenmeerküste in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wenige Tage vor der Bundestagswahl hervor. Ein Überblick über große Baustellen, die Verbände sehen:
Was Fischer und Muschelzüchter fordern
Die Fischerei setzt darauf, dass eine neue Bundesregierung die Fanggebiete in der Nordsee sichert. Das sei das drängendste Thema, teilte ein Sprecher des Deutschen Fischerei-Verbandes auf Anfrage mit. „Immer mehr verschiedene Nutzergruppen erheben Anspruch auf die Gebiete in der Nordsee.“ Anders als in Nachbarländern dürften Fischer in der deutschen Nordsee zurzeit nicht innerhalb von Offshore-Windparks fischen. Eine neue Regierung sollte laut den Fischern deshalb an einer Freigabe arbeiten - denkbar seien demnach etwa passive Formen der Fischerei oder Aquakulturen.
Zudem fordert die Fischerei eine - wie ursprünglich vorgesehen - größere Beteiligung an Erlösen aus der Versteigerung für die Offshore-Windkraft. Die aktuelle Bundesregierung hatte diese Strukturhilfe zuletzt deutlich gekürzt. „Die Fischerei, der die Flächen so dauerhaft verloren gehen, bekommt so gut wie nichts. Das muss eine neue Regierung ändern“, teilt der Fischerei-Verband mit.
Fischereiflotte soll umgebaut werden
Das Geld wird laut dem Verband benötigt, um die Fischerei nachhaltiger zu entwickeln. Beispielsweise sind viele Fischkutter überaltert. Die Umwandlung zu einer klimaneutralen Fischereiflotte werde auch von der EU als Priorität angesehen. „Die dafür notwendigen Mittel können die kleinen Familienbetriebe an der Küste jedoch nicht alleine aufbringen“, hieß es weiter.
Das sieht auch Heinz Maurus, der Vorsitzende der Erzeugerorganisation schleswig-holsteinischer Muschelfischer, so: „Die Kürzung der für die Fischerei vorgesehenen Mittel im Wind-See Gesetz ist für die Erreichung des Ziels kontraproduktiv.“ Es bestehe Korrekturbedarf. Die Bundesregierung müsse die Energiewende im Fischereisektor, etwa hin zu alternativen Antrieben, finanziell mit fördern. Der EU-Aktionsplan solle mit Augenmaß umgesetzt werden. Es sollten „nicht eigene, noch weitergehende Regelungen“ getroffen werden.
Zudem wünschen sich die Muschelzüchter unter anderem Bürokratieabbau, eine Harmonisierung des Rechts in den Nationalparken der Wattenmeeranlieger sowie die Sicherstellung einer intakten Hafeninfrastruktur.
Was die Offshore-Industrie fordert
Strom aus Wind und Sonne spielt für die aktuelle Bundesregierung eine Schlüsselrolle, um Klimaschutzziele zu erreichen - Windenergie auf der deutschen Nordsee gibt es seit 15 Jahren. Doch durch Verzögerungen beim Netzausbau könnte das für 2030 gesteckte Ziel von mindestens 30 Gigawatt aus Offshore-Windenergie scheitern, wie Branchenverbände diese Woche mitteilten. Die Offshore-Industrie fordert deshalb mehr Verlässlichkeit.
„Der Ausbau der Offshore-Windenergie steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Die neue Bundesregierung hat alle Möglichkeiten, um die Rahmenbedingungen so zu verstetigen und zu verbessern, dass die Investitionssicherheit gewährleistet ist und gleichzeitig die Klimaziele erreicht werden“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung mehrerer Organisationen.
Aus Sicht der Branche ist vor allem wichtig: ein Festhalten am gesetzlich geregelten Ausbaupfad, ein besserer Schutz von Offshore-Windparks und ein Ausbau von Häfen als Ausgangspunkte für Montage, Logistik und Wartung von Offshore-Windenergieanlagen.
Was Umweltschützer fordern
„Gesunde Meere und Küsten sind unverzichtbar im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise“, sagte der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros, Hans-Ulrich Rösner, der dpa. Daher müsse die nächste Bundesregierung viel für den Meeresschutz tun und dazu vor allem den Druck der wirtschaftlichen Nutzungen auf die Natur in Nordsee und Wattenmeer verringern.
So sei aus Sicht des WWF eine Umstrukturierung der regionalen Fischerei zu mehr Nachhaltigkeit notwendig und sollte gefördert werden. „Im Gegenzug müssten große fischereifreie Zonen in den Wattenmeer-Nationalparken und den anderen Meeresschutzgebieten geschaffen werden, damit sich die Unterwasserwelt dort wieder erholen kann.“
Der Ausbau der Offshore-Windenergie sei richtig, dieser müsse sich aber nach den ökologischen Belastungsgrenzen richten. „Es ist auch sehr wichtig, beim Bau und Betrieb der Anlagen naturverträgliche Methoden zu verwenden.“ In Meeresschutzgebieten sollen den Angaben zufolge auf keinen Fall Windparks gebaut werden dürfen.
Was die Anrainer fordern
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) setzt darauf, dass die neue Bundesregierung der Sicherheit der Schifffahrt höchste Priorität einräume. Es gelte Havarievermeidung vor Havariemanagement, sagte der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft, Gerd-Christian Wagner, in der sich nach eigenen Angaben rund 200 Mitglieder, darunter Kommunen, Naturschutzvereine und Verbände, zusammengeschlossen haben. Eine einzige folgenschwere Havarie könne ausreichen, die Nordsee mit ihrem Wattenmeer sowie den Mündungsbereichen von Elbe, Weser und Ems als Lebensraum für Menschen und Tiere zu zerstören.
Deshalb ist es aus Sicht der Schutzgemeinschaft nötig, dass die gesamte südliche Nordsee „lückenlos und ausfallsicher“ überwacht werde und ausreichend viele Schiffe zur Schadstoffbekämpfung zur Verfügung stehen.
Außerdem fordert der Verband von einer neuen Bundesregierung mehr Einsatz gegen sogenannte Ewigkeitschemikalien, kurz PFAS, in der Umwelt. „Heute bilden nicht mehr verklappte Dünnsäure oder große Ölmengen das Problem der Meeresverschmutzung, sondern viel mehr Müll in Form von Kunststoffen sowie Ewigkeitschemikalien in Form von PFAS-Mikroteilchen“, sagte Wagner.