Berlin-Tegel Wandgemälde in Berlin-Tegel: Anwohner mögen Borondo-Streetart in Neheimer Straße nicht
Berlin - Street Art soll verbinden, die Nachbarschaft beleben und Menschen, die sonst wenig mit Kunst zu tun haben, dafür interessieren, heißt es auf der Internetseite des Künstlernetzwerkes Urban Nation. So weit die Theorie.
Schnell übermalen
Das neueste Kunstprojekt, das von Urban Nation in der Neheimer Straße in Tegel-Süd initiiert wurde, sorgt aber vor allem für Ärger: Anwohner fragen sich empört, warum sie sich nun jeden Tag das riesige, düstere Werk des spanischen Künstlers Borondo ansehen sollen. „Einfach abstoßend“ und „deplatziert“, lauten die Kommentare auf der Facebook-Seite der Initiative „I love Tegel“. Gefordert wird: „schnell übermalen“.
Das 42 Meter hohe Bild, das vor Kurzem auf die Fassade eines Gewobag-Hochhauses gemalt wurde, zeigt ein Mädchen, das in einer Blutlache steht. Es blickt auf einen Wald, an einem Baum lehnt ein nackter, von Pfeilen durchbohrter Körper.
Künstlerisch finde er das Bild interessant, sagt Felix Schönebeck von „I love Tegel“. Aber der Ort sei unpassend: gegenüber befinde sich eine Kita, nebenan entstehe eine Flüchtlingsunterkunft für Menschen, die teils Schreckliches erlebt hätten. Das Nachbargebäude sei nach mehreren Selbstmorden als „Suizidhaus“ bekannt.
Fantasie im Großformat
Einige „I love Tegel“-Facebook-Freunde verteidigen zwar die Freiheit der Kunst. Doch die überwiegende Meinung ist ablehnend. Man hätte doch ein schönes Motiv wählen können, heißt es. Eine Frau fragt: „Warum dürfen uns Künstler ihre Fantasie in so einem Großformat aufzwingen?“
Felix Schönebeck sagt, es sei ein „kapitaler Fehler“ gewesen, das Bild nicht vorher mit den Anwohnern zu besprechen. Er hat sich nun an die Gewobag gewandt. Er würde sich wünschen, dass man das Kunstwerk überdenkt und eventuell verändert.
Änderungen werden derzeit nicht erwogen, heißt es dagegen bei der Gewobag. Die Wohnungsbaugesellschaft versucht, Verständnis für das Werk zu wecken. Borondo sei ein renommierter Künstler, der das aktuelle Weltgeschehen aufgreife, so Volker Hartig von der Gewobag. Das Mädchen stehe wohl sinnbildlich für ein Flüchtlingskind. Es blicke auf jemanden, der von Pfeilen getroffen sei, aber aufrecht steht – das sei durchaus ein hoffnungsvolles Bild.
Die Gewobag finanziert über eine Stiftung die Projekte von Urban Nation. Das Netzwerk hat schon viele Künstler eingeladen, um Fassaden zu gestalten, und baut in Schöneberg das erste Street-Art-Museum Deutschlands auf. Borondos Bild ist Teil des Projekts „Artpark Tegel“, zu dem sieben Werke gehören. Fünf sind nun umgesetzt. Die Resonanz auf das gesamte Projekt sei positiv, so Hartig. Es sei aber erwartbar, dass nicht immer alle Werke allen Betrachtern gleich gut gefallen.