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Vornamen Vornamen: Kevin ist faul und frech

Von JULIANE GRINGER 27.11.2009, 16:36

Halle/MZ. - Es gibt Pädagogen - die eigentlich neutral sein müssten, um jedes Kind gleich zu fördern -, die Vorbehalte gegenüber bestimmten Vornamen haben. Das bezeugt eine Studie der Arbeitsstelle für Kinderforschung an der Universität Oldenburg. 500 Grundschullehrer füllten einen Online-Fragebogen aus. Ergebnis: Viele Vornamen klingen für sie entweder sehr positiv oder sehr negativ.

Zu den negativ besetzten Namen gehören neben Kevin und Mandy zum Beispiel auch Justin oder Chantal. Die Lehrer schätzen Kinder mit diesen Namen als verhaltensauffällig, leistungsschwach und sogar weniger freundlich ein. Besonders positiv empfunden werden dagegen Namen wie Charlotte, Sophie, Hannah, Maximilian, Lukas oder Jakob.

"Diese Vorurteile beeinflussen Lehrpersonen in ihrem Verhalten, ihrem Umgang mit den Schülerinnen und Schülern und könnten auch die Leistungsbewertung beeinträchtigen", stellt Julia Kube in ihrer Masterarbeit zum Thema fest.

"So dramatisch hatten wir die Ergebnisse nicht erwartet", sagt die betreuende Professorin Astrid Kaiser. Die Idee zu diesem Projekt ist aus ihrer eigenen Erfahrung heraus geboren. Astrid Kaiser hat viele Jahre als Lehrerin gearbeitet: "Und ich hatte auch Vorbehalte bei Kindern mit bestimmten Namen", erinnert sie sich. "Das ist ganz normal. Ich habe das durchaus auch wahrgenommen und kritisch betrachtet. Aber es gab diese Emotionen einfach." Im Gespräch mit Kollegen kam heraus: Ihnen ging es ähnlich. "Da war natürlich mein Forschungsinteresse geweckt."

Master-Studentin Julia Kube nahm sich schließlich des Themas an. Sie entwickelte einen Fragebogen, in dem die Lehrer gefragt wurden, ob es Vornamen gibt, die sie ablehnen und mit denen sie Verhaltensauffälligkeiten assoziieren und ob sie das jeweils begründen können. "Bei der Begründung wäre genug Platz gewesen, um sich von den eigenen Vorurteilen zu distanzieren", so Kaiser. Die Befragten antworteten jedoch mit Aussagen wie: "Ich habe schlechte Erfahrungen mit Kindern, die diesen Namen haben!" oder "Bei diesen Namen denke ich an verhaltensauffällige Kinder oder besonders auffällige Erziehungsberechtigte." Die Lehrer haben die Fragebögen im Internet beantwortet - eine Möglichkeit, die die Forschung in jüngster Zeit immer stärker nutzt. "Ein großer Vorteil des Mediums ist, dass es anonymer ist, die Befragten antworten ehrlicher", weiß Astrid Kaiser. Gleichzeitig waren die auf diesem Weg befragten Lehrer eher jünger. "Was umso erschreckender ist."

Woher kommen die Vorurteile gegenüber bestimmten Namen? Das sei schlicht Alltagserfahrung, so Astrid Kaiser. Und es sei auch wissenschaftlich belegt, dass die Namenswahl schichtspezifisch ist. Der Name verrät die Herkunft - und gleichzeitig werden Kinder der Unterschicht tatsächlich meist weniger gefördert, auch emotional und sozial.

"Das Schlimme daran ist natürlich, dass nicht jedes Kind aus der Unterschicht ein schwieriges Kind ist", so die Professorin. "Ich weiß das, denn ich bin selbst eines."

Dabei handeln die Eltern bei der Namenswahl aus durchaus positiven Motiven. Exotische Namen wie Kevin oder Chantal zeugen laut Kaiser meist von hohen Erwartungen an diese Kinder: "Der Nachwuchs soll Großes leisten. Eltern aus der Mittelschicht haben diese Erwartungen auch, sie drücken sie aber eher über den Drang nach Individualität aus." So entstehen Namen wie Janek-Korbinian oder Marlena-Sophie. Dabei gebe es kaum Unterschiede zwischen Ost und West: "Namen sind eher dem gesellschaftlichen und historischen Wandel unterworfen. Kevins und Mandys gibt es in ganz Deutschland."