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Ornithologie Viele Vogelarten gefährdet - Fischadler im Aufwind

Der Fischadler ist in Sachsen wieder häufiger anzutreffen. Doch andere Vogelarten sind ausgestorben. Neben dem Mensch bereitet ein Tier Probleme, das hierzulande nicht heimisch ist.

Von Andreas Hummel (Text) und Sebastian Willnow (Fotos), dpa Aktualisiert: 05.07.2024, 14:12
Erfolgreiche Brut beim Fischadler: Dieses frisch beringte Jungtier wird bald flügge. Im Landkreis Zwickau gibt es nur ein brütendes Fischadlerpaar.
Erfolgreiche Brut beim Fischadler: Dieses frisch beringte Jungtier wird bald flügge. Im Landkreis Zwickau gibt es nur ein brütendes Fischadlerpaar. Sebastian Willnow/dpa

Thierfeld - Der Fischadler-Horst thront in gut 20 Metern Höhe auf dem Mast einer Stromleitung. An diesem Tag bekommt das streng geschützte Greifvogelpaar in Thierfeld Besuch: Ornithologen wollen seinen Nachwuchs beringen. Dabei erhalten Jungvögel eine individuelle Nummer, eine Art Personalausweis für Vögel. Wie viele Jungtiere das einzige Fischadlerpaar im Landkreis Zwickau erbrütet hat, ist noch unklar. Nun erklimmen Mitarbeiter des Netzbetreibers den Mast, um einen ersten Blick in den Adlerhorst zu werfen. 

Fischadler sind in Sachsen wieder häufiger anzutreffen. Wurden 2013 noch 45 bis 55 Reviere gezählt, waren es im vergangenen Jahr 100 bis 110, informiert Karin Bernhardt, Sprecherin des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, auf dpa-Anfrage. Hinzu kämen Vögel, die auf dem Durchzug zeitweise in der Region zu beobachten seien. Doch sind die Brutreviere im Freistaat ungleich verteilt. Vor allem in wasserreicheren Regionen wie der Lausitz und Nordsachsen ist der mittelgroße Greifvogel zu Hause. Denn wie sein Name sagt, ernährt er sich ausschließlich von Fisch.

Dabei werden die Vögel bis zu 62 Zentimeter groß und bauen normalerweise große Horste in Baumkronen. Hierzulande sind die Nester meist auf Strommasten zu finden, wo Nisthilfen für die Vögel errichtet werden. Den Winter verbringen sie überwiegend in Afrika und kehren im Frühjahr in hiesige Brutgebiete zurück. In Deutschland gilt die Population als gefährdet.

Schutzzonen um Adlerhorste

In Sachsen werden Vorkommen und Bruterfolg von Fischadlern alljährlich dokumentiert. Zudem werden Nisthilfen angeboten und temporär Schutzzonen um die Nester eingerichtet, damit die Vögel beim Brüten nicht gestört werden. Neben dem Fischadler brütet auch der Seeadler im Freistaat - beide sind nach höchsten Standards geschützt. Derzeit gebe es 85 bis 95 bekannte Reviere des Seeadlers vor allem in der Oberlausitz, so Bernhardt. Als seltene Gäste oder Durchzügler seien hierzulande auch Schrei- und Schlangenadler zu beobachten. 

In Thierfeld wurden 2012 erstmals balzende Fischadler beobachtet, wie Jens Hering, Vogelschutzexperte des Zwickauer Landratsamtes, erzählt. Daraufhin wurde eine Nisthilfe errichtet, 2016 hat sich dann erstmals erfolgreich Brut eingestellt. „Wir hätten früher nie geglaubt, dass hier Fischadler brüten.“ Im Schnitt würden ein bis zwei Junge großgezogen, in guten Jahren sogar drei, berichtet Hering. 

Inzwischen haben die Helfer ein stattliches Jungtier im Horst entdeckt, stecken es in einen Beutel und lassen es an einem Seil hinab. Am Boden wiegt Ornithologe Rico Spangenberg den jungen Vogel, misst seine Flügel und verpasst ihm dann an jedem Bein einen Ring. Ob Junge oder Mädchen lasse sich nicht sagen, so die Experten. Mit dem Ring kann es später etwa per Fernrohr identifiziert werden. „Daher können wir sagen, dass sein Vater 2020 als Küken in Nordsachsen beringt wurde“, erklärt Spangenberg. Er schätzt, dass das Vogeljunge etwa 50 Tage alt ist und in gut einer Woche flügge wird. Schon im August werde es seine weite Reise ins Winterquartier nach Afrika antreten. 

Die Prozedur hat der Vogel rasch überstanden, danach geht es wieder hinauf in den Horst. Nicht weit entfernt kreist bereits ungeduldig eines der Elterntiere. 

Waschbären und Drohnen als Problem für Vögel 

Insgesamt brüten in Sachsen alljährlich rund 180 Vogelarten, von etwa einem Dutzend weiteren gibt es vereinzelte Brutnachweise. Knapp 40 Prozent gelten als gefährdet, wie Karin Bernhardt vom Landesamt für Umwelt erklärt. Dazu gehörten Kiebitz und Bekassine, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Rebhuhn und der Ortolan. Brachpieper und Steinschmätzer, die in vergangenen Jahrzehnten vom Braunkohletagebau profitiert hätten, zählten auch dazu. Sie seien in Bergbaufolgelandschaften zu Hause, doch würden die Habitate durch natürliche Veränderung der Landschaft und neue Flächennutzungen immer kleiner. 

Ein zunehmendes Problem für den Vogelschutz sei die Ausbreitung des Waschbären, erläutert Bernhardt. Denn der plündere Gelege am Boden und in Bäumen. Problematisch sei auch, dass Vögel durch Drohnen beim Brüten und der Aufzucht ihrer Jungen gestört würden, ergänzt Ornithologe Hering. „Das ist ein Riesenproblem.“ Ohne Verstand würden Neugierige mitunter ihre Drohnen nah an die Nester steuern und Vögel so in Panik bringen. 

Einige Vogelarten sind als Brutvögel in den vergangenen Jahrzehnten in Sachsen schon ausgestorben. Dazu zählen nach Behördenangaben das Auerhuhn, der Große Brachvogel und die Uferschnepfe.

Bei Fisch- und Seeadlern hätten gute Schutzmaßnahmen die Zahlen in Sachsen wachsen lassen, bestätigt Hering. Ausruhen dürfe man sich aber auf den Erfolgen nicht. „Das kann auch schnell wieder umschlagen.“ Platz für weitere Brutpaare gibt es auch in Thierfeld: Nur einige Strommasten weiter wartet eine zweite Nisthilfe darauf, von einem Adlerpaar bezogen zu werden.