Verbrechen Verbrechen: Der «Fall Fritzl» schockierte die Welt

Wien/dpa. - Das Bild des düster, fast böse blickenden Mannes ging um die Welt. Sein Verbrechen schockierte selbst abgebrühte Kriminalisten, die seinen Fall untersuchen mussten: Josef Fritzl, inzwischen 73 Jahre alt, hat in der niederösterreichischen Kleinstadt Amstetten seine eigene Tochter 24 Jahre lang in einem abgeschotteten Kellerverlies unter seinem Haus gefangen gehalten, sie wieder und wieder vergewaltigt und dabei sieben Kinder gezeugt. Eines - so dieStaatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift soll er ermordet haben, indem er dessen Tod wenige Tage nach der Geburt «billigend in Kauf» nahm. Fritzl muss sich bei seinem Prozess voraussichtlich im Frühjahr 2009 außerdem wegen Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwerer Nötigung, Sklaverei und Blutschande verantworten.
Der 73-Jährige war Ende April 2008 in Amstetten eher zufälligfestgenommen worden. Für seine unbegreiflich erscheinenden Tatenkönnte er zu lebenslanger Haft beziehungsweise Sicherungsverwahrung bis zu seinem Lebensende verurteilt werden.
Die grausamen Verbrechen des Josef Fritzl kommen am 27. April ansLicht der Öffentlichkeit. Einen Tag zuvor wurde Fritzl in dem bis dahin kaum bekannten Provinzstädtchen Amstetten zusammen mit seiner Tochter festgenommen, die er 24 Jahre zuvor als vermisst gemeldet hatte. Der 73-Jährige hatte seiner Tochter erstmals gestattet, ihr Verlies zu verlassen, um ihre schwer erkrankte Tochter im Krankenhaus zu besuchen. Bei einer Vernehmung der Frau, die wegen ihres schlohweißen Haares deutlich älter wirkt als 42 Jahre, kommt dann die furchtbare Wahrheit an den Tag. Unbemerkt oder ignoriert von den Nachbarn, ja der eigenen Familie, hatte sich in dem Haus Fritzls in der Ybbsgasse das unvorstellbare Verbrechen abgespielt.
Aber bereits einen Tag nach der Aufdeckung der Tat kann der Chefder niederösterreichischen Kripo, Franz Polzer, auf einer in dieganze Welt übertragenen Pressekonferenz verkünden: «Der Fall ist im Großen und Ganzen geklärt». Josef Fritzl, dessen vollen Namen die Beamten entgegen der sonst üblichen Praxis öffentlich nennen, hat weitgehend gestanden. Fritzl schildert den Ermittlern, dass er seine damals 18-jährige Tochter im Jahre 1984 in den Keller seines Hauses gelockt und sie dort in ein von ihm selbst heimlich gebautes und raffiniert gesichertes Verlies gesperrt hatte. Dort hält er sie wie eine Sklavin, die er immer und immer wieder missbraucht.
Gegenüber den allzu naiven Behörden und Nachbarn begründet er das Verschwinden der Tochter mit der angeblichen «Flucht» zu einer religiösen Sekte. Drei der aus seiner Gewaltbeziehung stammenden Kinder nimmt er in den folgenden Jahren zu sich. Die plötzliche Anwesenheit dieser Kinder/Enkel begründet Fritzl raffiniert mit (erzwungenen) handgeschriebenen Briefen der offiziell «vermissten» Tochter, die ihre Kinder vor seiner Tür abgelegt haben soll. Seine Frau, die scheinbar ahnungslos ist, zieht sie an Kindes statt auf. Die anderen drei Kinder müssen bei der Mutter im Keller bleiben und sehen vor ihrer Befreiung nie das Tageslicht.
Die Nachbarn wollen in all den Jahren nichts von den Vorgängen in Fritzls Haus bemerkt haben. Der 73-jährige, das ergeben Befragungen der Polizei, war zeitlebens ein Tyrann, der seine Familie unterdrückte und die eigenen sechs Kinder prügelte. Auch früher soll er bereits wegen Vergewaltigung «gesessen» haben, berichten die Medien. Doch für die Behörden galt Fritzl nach Aussagen der Beamten dennoch stets als rechtschaffener und glaubwürdiger Bürger.
Die Nachricht von Josef Fritzls Taten, das Martyrium seinerTochter und der drei im Kellerverlies groß gewordenen Kinder, locken innerhalb weniger Stunden hunderte Reporter und TV-Teams aus aller Welt nach Amstetten. Das massive Haus wird tagelang belagert. Täglich gibt die Polizei neue Details zu dem Verbrechen bekannt. Fritzls Tochter und zwei ihrer Kinder werden in die psychiatrische Landesanstalt Amstetten gebracht, wo sie - abgeschirmt von der internationalen Presse - von Psychologen und Sozialarbeitern betreut, langsam an ihr neues Leben gewöhnt werden sollen. Dort wird sie auch mit den drei Kindern wiedervereint, die der Vater ihr weggenommen hatte.
Langsam, ganz langsam, machen Fritzls Tochter und ihre Familie«Fortschritte». Ihre Behandlung ist keine leichte Aufgabe. Völlig ungewiss bleibt, ob und wie die Betroffenen das Trauma der grauenvollen Gefangenschaft in völliger Isolation jemals überwinden werden.
Fritzl selbst hat inzwischen einen Staranwalt für seineVerteidigung engagiert. Immer wieder einmal kommen neue Details über seine Verbrechen in die Presse. Fritzl, im Ausland inzwischen als «Monster-Dad» und «Verlies-Vergewaltiger» bekannt, sagt von sich selbst, er sei «zum Vergewaltigen geboren». Die Gutachterin kommt zu dem Schluss: Fritzl sei zwar im eigentlichen Sinne nicht «normal», aber dennoch zurechnungsfähig. Und auf dieser Zurechnungsfähigkeit baut die Staatsanwaltschaft St. Pölten auch ihre Anklage für den Prozess im kommenden Frühjahr auf.