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USA USA: Spektakulärer Mafia-Prozess in New York

Von Christoph Driessen 08.03.2006, 07:20

New York/dpa. - Und es zeigt: Trotz allerErfolge der Polizei ist die Cosa Nostra, die sizilianische Mafia inNew York, keineswegs geschlagen.

Der Angeklagte vor dem Bundesgericht in Manhattan heißt John GottiJunior (41) und ist nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft derPate (Boss) der Mafiafamilie Gambino. Er wird beschuldigt, denGründer der Bürgerwehr «Guardian Angels», Curtis Sliwa, entführt undangeschossen zu haben, weil dieser seinen Vater, Gotti Senior,kritisiert hatte. Während Gotti bereits vor Gericht stand, gelang derPolizei Ende Februar ein schwerer Schlag gegen den Konkurrenzclan,die Genovese-Familie: 32 Mitglieder wurden angeklagt, darunter einmalmehr der Boss Liborio Bellomo.

Kronzeuge der Anklage im Gotti-Prozess ist der Killer MichaelDiLeonardo. Er berichtete vor einigen Tagen, wie er am Heiligen Abend1988 in die «Ehrenwerte Gesellschaft» aufgenommen wurde: In Anzug undKrawatte erschien er in einer Wohnung in Little Italy, einem derbeliebtesten Touristenziele in Manhattan. Dort erklärte ihm einConsigliere (Berater des Bosses): «Das hier ist kein Club. Es isteine Geheimgesellschaft. Es gibt nur eine Art, auf die man dieseGesellschaft wieder verlassen kann - auf einer Bahre.»

Dann stach er DiLeonardo in den Zeigefinger, ließ etwas Blut aufdas Bild eines katholischen Heiligen tropfen und zündete das Kärtchenin DiLeonardos geöffneter Hand an. Dazu musste dieser sagen: «Wennich den Eid der Omertà (die Schweigepflicht) breche, soll meine Seelein der Hölle brennen wie dieser Heilige.»

Gottis Vater, der «Teflon Don» genannt wurde, weil lange Zeit alleVorwürfe an ihm abperlten, galt als prominentester Gangster der USAseit Al Capone. Als er 2002 im Alter von 61 Jahren in einemGefängniskrankenhaus an Krebs starb, bereitete ihm sein Sohn einspektakuläres Begräbnis: Dutzende schwarzer Limousinen und HundertePrivatautos folgten dem Sarg durch den New Yorker Stadtteil Queens.Damals, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft, übernahm der jungeGotti die Position des Vaters.

Vor drei Monaten ging auch die Führung der Genovese-Familieendgültig in jüngere Hände über: Ebenfalls im Gefängnis starb VincentGigante, «Das Rätsel im Bademantel». Vierzig Jahre lang hatte ereinen psychisch Gestörten gemimt und die Polizei damit an der Naseherumgeführt. Jeden Morgen schlurfte er in Schlafanzug undBadelatschen wirr vor sich hinmurmelnd zu einem schäbigen Club, wo erden ganzen Tag über Karten spielte. Psychiater bescheinigten ihmUnzurechnungsfähigkeit und einen unterdurchschnittlichen IQ.

Die Polizei kam ihm erst auf die Schliche, als sie bemerkte, dasser spät abends in seiner Wohnung elegante Anzüge anlegte und Bücherlas. «Es ist schwer zu begreifen, worin der Reiz eines solchen Lebensliegt», sagt der ehemalige Chefermittler Ronald Goldstock. «Seineeinziger Genuss schien die Macht zu sein, die er ausübte.»

Auch Gotti ist nach eigenen Beteuerungenen die Unschuld in Person.Seine Anwälte stellen die Mafia als Erfindung Hollywoods hin undwerfen den Ermittlern Vorurteile gegen Italo-Amerikaner vor. DerMafiaboss Joseph Massino sagte einmal: «Da gehen ein paaritalienische Jungs zusammen essen, und dann wird behauptet, das seidie Mafia.» Auch dafür, dass in einem Keller von Gotti 350 000 Dollargefunden wurden, haben seine Anwälte eine Erklärung parat: Das Geldbekam er zur Hochzeit geschenkt - «Complimenti, Signor Gotti».