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Urteil Urteil: «Wildes Urinieren» auf Video gilt nicht als Beweis

Von Paul Glauben 02.02.2006, 09:25

Karlsruhe/Köln/dpa. - Doch wie gewonnen, so zerronnen: Das Oberlandesgericht(OLG) Karlsruhe befand die verdeckte Videoüberwachung fürrechtswidrig (Az.: 12 U 180/01). Das schöne Beweismittel war vorGericht nicht verwertbar.

Die Karlsruher Entscheidung ist kein Einzelfall. Auch das OLG Kölnverwarf heimliche Videoaufzeichnungen eines Vermieters, der eineMieterin der Sachbeschädigung von Waschmaschinen überführen wollte(Az.; 24 U 12/05). Ebenso urteilte das Landgericht Zweibrücken (Az.:1 O 738/88) in einem Verfahren, in dem ein Grundstückseigentümerbehauptete, sein Nachbar habe seinen Hund vergiftet und einenTannenbaum gestohlen. Eine Videokamera mit Mikrophon sollte denBeweis bei künftigen Straftaten bringen.

Mit einer «offenen Videoüberwachung» des eigenen Grundstückeshaben die Gerichte wenig Probleme. Wird jedoch das Nachbargrundstückmit einbezogen, wird es schwierig. Das Landgericht Itzehoebeispielsweise verlangte in einem Fall, die Kamera so zuinstallieren, dass nur der «eigene Grund und Boden» erfasst werde(Az.: 7 O 51/96). Noch strenger urteilte das Landgericht Berlin. EinVermieter wollte beleidigende Schmierereien an seiner Hauswand undSachbeschädigungen verhindern. Dazu hatte er eine Videokameraanbringen lassen. Auf Klagen von Mietern hin ordnete das LandgerichtBerlin die Beseitigung der Kamera an (Az.: 65 S 279/00).

Ein Hauseigentümer, der den Nachbarn im Verdacht hatte, Unrat aufsein Grundstück zu werfen, ging sogar bis zum Bundesgerichtshof (BGH)in Karlsruhe, um die Videoüberwachung fortsetzen zu können. Doch dieBundesrichter verlangten die Beseitigung der Videokamera, weil sieauch das Grundstück des Nachbarn erfasste (Az.: VI ZR 272/94). DieRichter verwiesen auf den «ständigen Überwachungsdruck», dem derNachbar ausgesetzt sei. Das Landgericht Bonn (Az.: 8 S 139/04) nahmdiesen psychischen Druck sogar bei einer Videokamera-Attrappe an.

Ebenso entschied das Landgericht Darmstadt (Az.: 8 O 42/99). EinVermieter hatte im Treppenhaus eine Videokamera-Attrappe installiert,um die Freier einer Mieterin abzuschrecken, die rechtswidrig derProstitution nachging. Großzügiger urteilte dagegen das AmtsgerichtZerbst (Sachsen-Anhalt). Es gab der Räumungsklage eines Vermietersstatt, der einen Mieter mittels einer ebenfalls verdeckt angebrachtenVideokamera des «wilden Urinierens» in den Kellerräumen überführthatte (Az.: 6 C 614/02).

Auch am Arbeitsplatz sind heimliche Videoüberwachungen nicht immerzulässig. So ließen das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Az.: 11 Sa795/98), das Arbeitsgericht Ludwigshafen (Az.: 4 Ca 827/02) und dasLAG Berlin (Az.: 10 TaBV 2089/02) eine Videoüberwachung zum Schutzdes Arbeitgebers vor Waren- und Gelddiebstählen zu. Ebenso entschieddas LAG Sachsen (Az.: 2 Sa 790/02) bei einer Videoüberwachung zurBekämpfung von Zeiterfassungsmanipulationen. Das LAGBaden-Württemberg aktzeptierte das Video dagegen nicht alsBeweismittel, weil die Überwachung ohne konkreten Tatverdachterfolgte (Az.: 12 Sa 115/97).

Das LAG Niedersachsen vertrat die Ansicht, oft ließen sichEigentumsdelikte auch schon mit sichtbaren Videokameras verhindern,so dass es heimlicher Aufzeichnungen nicht bedürfe (Az.: 6 Sa1376/01). Das meinte auch das Arbeitsgericht Hamburg (Az.: 17 Ca426/03). Die Richter ließen heimliche Videoaufnahmen, die eineMitarbeiterin beim Diebstahl von fünf Stück Fleisch zeigten, alsBeweismittel nicht zu.

Ob ein Video als Beweis herangezogen werden darf oder nicht, hängedavon ab, ob dem Arbeitgeber weniger gravierende Überwachungsmittelzur Verfügung standen (Az.: 5 Sa 157/02), befanden die Richter desLAG Thüringen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt dagegen hälteine offene Videoüberwachung grundsätzlich für zulässig. Es fordertallerdings eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit und dieMitbestimmung des Betriebsrats (Az.: 1 ABR 21/03). Die Bundesrichtermonierten in einem Fall von Videoüberwachung in einem Briefzentrumder Deutschen Post AG, dass die Kameras zwar sichtbar angebrachtwaren, der Mitarbeiter aber nicht wusste, wann gefilmt wurde (Az.: 1ABR 34/03).

   Wer rechtswidrig Videoaufnahmen veranlasst, riskiert nicht nur einso genanntes Verwertungsverbot, sondern auch die Zahlung vonSchmerzensgeld. Das OLG Frankfurt (Az.: 21 U 164/86) sprach einemheimlich gefilmten Betrunkenen 1500 Euro Schmerzensgeld zu. Rund 650Euro Schmerzensgeld bekam eine Mitarbeiterin vom ArbeitsgerichtFrankfurt (Az.: 18 Ca 4036/00) zugesprochen. Das OLG Karlsruhe (Az.:6 U 64/97) dagegen vertrat die Ansicht, dass eine Geldentschädigungnur dann gewährt werden könne, wenn die Persönlichkeitsrechte grobmissachtet worden seien.

   Keine Bedenken haben Rechtsexperten, wenn eine konkrete Straftatfotografiert wird. Der Unterschied zu einem Video sei, dass es beieinem Bild zu keiner ständigen Überwachung komme. Außerdem werde auchkeine Situation aufgenommen, die nichts mit dem Zweck der Überwachungzu tun hätte. Deswegen hielt etwa das Kammergericht Berlin dieFotoaufnahme eines Kindes bei einer Sachbeschädigung für einverwertbares Beweismittel (Az.: 12 U 1277/79).