Archäologie unter Wasser Unterwasserarbeiten am Prahmboot im Arendsee geplant
35 Meter unter der Wasseroberfläche des Arendsees liegt ein mittelalterliches Boot. Mit aufwendiger Technik soll es nun vom Seegrund gelöst werden. Wie sehen die Pläne aus?
Arendsee/Halle - Für die Untersuchung eines rund 800 Jahre alten Prahmboots im Arendsee (Altmark) sind umfangreiche Unterwasserarbeiten notwendig. Der ursprüngliche Plan, das Boot für die Dokumentation direkt zu heben, hat sich als nicht durchführbar erwiesen. Jetzt soll das Ganze in zwei großen Abschnitten erfolgen.
Ein Prahm ist ein Transportschiff mit schlanker und flacher Rumpfform und seit der Römerzeit bekannt. Das Boot im Arendsee besteht aus Eichenholz und stammt aus der Zeit um 1265.
Aufwendige Technik notwendig
„Zunächst wird der Prahm im September vom Seegrund gelöst und einige Zentimeter angehoben“, sagte Projektleiter Sven Thomas vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt der Deutschen Presse-Agentur. „Dadurch wirkt der Wasserdruck nicht mehr ausschließlich von oben, sondern gleichzeitig von allen Seiten, was in einer Tiefe von 35 Metern eine Entlastung um etwa 1000 Tonnen Wasserdruck bedeutet.“
Für das Anheben werden vier Saugschlitten mit jeweils einer eigenen Pumpe sowie umfangreiches Zubehör in Einzelteilen in der Tiefe am Boot in Position gebracht. Taucher werden die Schlitten unter dem Prahmboot mit Seilzügen verzurren.
Zahlreiche Unternehmen aus Halle und Leipzig unterstützen die wissenschaftliche Mission. Hallesche Pumpenhersteller haben die Planungen übernommen und stellen Spezialtechnik bereit. Ein Leipziger Ingenieurbüro berechnete den Einsatz des Hebezeugs. Die Feuerwehr aus Halle liefert Schläuche und eine Reservepumpe.
Als Unterstützung kommt ein Unterwasserroboter mit Kamera, Licht, Sonar und Greifarm vom Fraunhofer-Institut, Institutsteil Angewandte Systemtechnik (IOSB-AST/Ilmenau), zum Einsatz. „Erstmals in Europa hat der Roboter für den Notfall eine 8-Liter-Druckluftflasche für die Unterwasserarbeiter an Bord. Sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen, kann der Roboter den Taucher direkt vor Ort mit Atemluft versorgen. Der Roboter ist als Helfer in der Not dabei sehr viel schneller als jeder menschliche Rettungstaucher“, sagte Thomas.
Spezielles Personal aus ganz Deutschland
Über Wasser wird mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks eine 50 Quadratmeter große Plattform mit Notstromaggregaten und einer Krananlage auf dem Arendsee aufgebaut. Von hier aus werden die Pumpen und die Saugtechnik zentimetergenau am Prahm positioniert.
Das Team vor Ort umfasst insgesamt 20 Mitarbeiter, davon 6 Tauchspezialisten, die aus ganz Deutschland an den Arendsee kommen. Für die Sicherheit bei dieser anspruchsvollen Unterwassermission ist die DRK Wasserrettung Halle verantwortlich. Das Missionsquartier wird beim Tauchclub Arendsee aufgeschlagen.
In einem zweiten Schritt soll das Boot voraussichtlich im April 2025 auf eine schwimmende Plattform auf dem Arendsee gehoben werden. Hochauflösende Kameras erstellen dann eine 3D-Dokumentation. „Die Daten werden Grundlage für die Forschung und für mögliche museale Präsentationen“, sagte Landesarchäologe Harald Meller. „Ich freue mich sehr, dass dieser in Sachsen-Anhalt einmalige Unterwasserfund nun schrittweise umfassend dokumentiert und damit für die Nachwelt gesichert werden kann.“
Prahmboot wird nach Abschluss der Dokumentationen wieder im See versenkt
Nach Abschluss der Dokumentation wird der Prahm mit einem Spezial-Vlies abgedeckt und an einer anderen Stelle im See, in etwa 20 Meter wieder abgesenkt. In dieser etwas geringeren Tiefe kann es zu einem späteren Zeitpunkt leichter geborgen werden. Für eine dauerhafte Konservierung und Lagerung des kompletten Bootes an Land wären erhebliche Finanzmittel notwendig, die derzeit nicht zur Verfügung stehen.
Seltene Verzierungen machen den Fund einmalig
Das Prahmboot gehörte vermutlich zum Kloster am Arendsee, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Die archäologische Einmaligkeit dieses Binnenschiffs sind seine Verzierungen mit Tierköpfen, wie Bär und Vogel an Bug und Heck. Vergleichbare Funde sind bislang nur von Hochseeschiffen bekannt. Wahrscheinlich diente der Prahm zum Transport von Bewohnern und Materialien, wie landwirtschaftlichen Gütern des Klosters. Darauf deutet auch die von den Archäologen gefundene Ladung von Getreide und Bauholz hin. Das Boot wurde durch Ruder und Segel angetrieben. Das 12 Meter lange und 2,50 Meter breite sowie etwa einen Meter hohe Boot versank aufgrund eines Kielbruchs und falscher Beladung.
Das Prahmboot wurde in den 1990er Jahren von Sporttauchern entdeckt. Aber erst jetzt ist es technisch möglich, das Boot zu heben. Mit 55 Metern Tiefe gilt der Arendsee als einer der tiefsten natürlichen Seen in Norddeutschland.