Uni Mainz testet Verhalten betrunkener Radfahrer Uni Mainz testet Verhalten betrunkener Radfahrer: Trinken für die Wissenschaft

mainz - Plötzlich wird die Kurve zwischen den roten Hütchen immer enger, dann zu eng. Kichernd kippt die Teilnehmerin mit ihrem Fahrrad um. Aber die Versuchsleiterin Katja Luchmann hat aufgepasst und fängt die sichtlich Angetrunkene auf. Nichts passiert. Trotz eines Alkoholgehalts von rund 1,5 Promille im Blut steigt die Versuchskandidatin wieder aufs Rad - zum Wohle der Wissenschaft, quasi, denn ihre Fahrt unter Alkoholeinfluss in einer Sporthalle der Universität Mainz dient der Forschung. Die Medizinstudentin Luchmann will herausfinden, wie Alkohol auf Radfahrer wirkt.
Arbeiten am Alkoholpegel
Auf einem Tisch am Rande der Sprintbahn stehen mehrere Flaschen Wein, Bier ist mit dabei, Schnaps auch. Weitere Testradler arbeiten noch an ihrem Alkoholpegel. Unter anderem hat es sich eine Stammtischgruppe aus Langen bei Darmstadt gemütlich gemacht.
„Wir trinken keinen Alkohol, nur Bier“, sagt Joachim Rosenau und lacht selbst am lautesten darüber. Dann pustet er in ein Alkoholtestgerät, bekommt Blut abgenommen und setzt sich schließlich auf das Fahrrad. Rund 80 Probanden haben schon an der Studie von Luchmann teilgenommen. Die 26-Jährige lässt ihre Testpersonen erst nüchtern und dann in Schritten zunächst mit 0,5 Promille, 1,0 Promille und - falls sie durchhalten - schließlich mit 1,5 Promille durch den Parcours kurven. Auch die angehende Ärztin Susanne Fresenius macht mit: „Mit 0,5 ging es fast besser als nüchtern“, sagt sie. Zustimmendes Nicken am Tisch.
Bislang dürfen Radfahrer im Gegensatz zu Autofahrern bis zu einem Wert von 1,6 Promille Alkohol im Blut straffrei radeln - vorausgesetzt, dass sie weder mit einer unsicheren Fahrweise auffallen noch einen Unfall bauen. Autofahrern drohen schon ab einem Promillewert von 0,5 ein Bußgeld, Punkte und ein Fahrverbot. Falls sie alkoholbedingte Ausfälle zeigen, gilt dies sogar ab 0,3 Promille. Eine Änderung für die Radfahrer ist aktuell kein Thema, ergab eine Anfrage im Bundesverkehrsministerium.
„Notfall“-Eimer steht immer bereit
Erst vor kurzem hatten auch Rechtsmediziner der Universität Düsseldorf Radfahrer gezielt abgefüllt und durch einen Parcours geschickt - im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Das Ergebnis mag für manchen ernüchternd sein: Auch jenseits der 1,6 Promille machten Einzelne weniger Fehler als alle Probanden im Durchschnitt bei ihrer Fahrt ohne Alkohol im Blut. Die Wissenschaftler stellten aber auch fest, dass spätestens ab 1,1 Promille die alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zunahmen.
„Die meisten Leute machen mit, weil sie sich selbst austesten möchten“, sagt Luchmann. Der Mainzer Test besteht aus drei Stationen. Zuerst geht es geradeaus auf eine Ampel zu. Gleichzeitig muss man nicht nur die Signale beachten, sondern auch rollenden Bällen ausweichen. Danach steht eine große Acht mit Richtungswechsel an, abschließend ein Slalom.
Alle Radler sind mit Helm und Protektoren geschützt. Schlägt der Alkohol zu stark an, bricht Luchmann den Versuch ab. Ein gewisses Risiko sei trotzdem dabei. Auch ein „Notfall“-Eimer, der unübersehbar neben dem Tisch steht, kam schon ein paar Mal zum Einsatz. (dpa)

