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Unglück Unglück: Neuntes Todesopfer nach Brandkatastrophe in Berlin-Moabit

10.08.2005, 06:13
Polizisten bewachen am Dienstagmorgen (09.08.2005) in Berlin den Eingang des Hauses, das in der Nacht gebrannt hat. (Foto: dpa)
Polizisten bewachen am Dienstagmorgen (09.08.2005) in Berlin den Eingang des Hauses, das in der Nacht gebrannt hat. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - In der Brandnacht waren acht aus Polen und dem Kosovostammende Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen vier Kinder undeine Jugendliche. 15 Menschen hatten bei dem Brand in dem Mietshausin der Nacht zum Dienstag schwere Verletzungen erlitten.

Unterdessen gehen die Ermittlungen der Kriminalpolizei mitZeugenbefragungen weiter. Die Beamten gehen nach wie vor vonBrandstiftung aus. Eine Zündelei im Treppenaufgang des Mietshauseskönnte nach Einschätzung der Ermittler zu dem Unglück geführt haben.Im Erdgeschoss waren zwei verkohlte Kinderwagen entdeckt worden, diemöglicherweise vermutlich mutwillig in Brand gesetzt worden waren.

Das neunte Todesopfer starb nach Angaben des UnfallkrankenhausesBerlin (ukb) an «schwersten Verbrennungen kombiniert mit einermassiven Rauchgasvergiftung». Die Frau war am Dienstag sofort nachihrer Bergung in die Klinik gebracht worden. Ihre Überlebenschancesei von Anfang an als äußerst kritisch eingeschätzt worden, da mehrals 65 Prozent ihrer Hautoberfläche von Verbrennungen dritten Gradesbetroffen waren und die Frau sehr viel Rauch und Brandgase eingeatmethatte, hieß es.

Das Landeskriminalamt (LKA) hat nach eigenen Angaben seitJahresbeginn zu 218 Treppenhausbränden in der Hauptstadt ermittelt.In 33 Fällen waren angezündete Kinderwagen die Brandursache. Die Zahldieser Brände ist damit in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.Von 350 im Vergleichszeitraum des Jahres 2000 sank sie auf 230 imJahr 2004. Angezündete Kinderwagen waren im selben Zeitraum desJahres 2000 in 33 Fällen die Ursache, 2004 waren es 36.

Im brandenburgischen Guben (Kreis Spree-Neiße) kam es am spätenDienstagabend zu einem ganz ähnlichen Brand wie in Berlin-Moabit.Auch dort wurden im Hausflur eines Mehrfamilienhauses zweiKinderwagen angezündet. Sechs Menschen erlitten Rauchvergiftungen,unter ihnen vier Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und siebenJahren. Als Brandstifterin ermittelte die Polizei ein 13 Jahre altesMädchen. Ihr Motiv blieb nach Angaben der Cottbuser Polizei zunächstunklar.

Nach Bergung der Brandtoten in Berlin war Streit darüberausgebrochen, ob mangelnde deutsche Sprachkenntnisse derausländischen Hausbewohner zu der hohen Opferzahl beitrugen. Dazusagte der Chefpsychologe der Berliner Polizei, Karl Mollenhauer,Menschen in Angst- und Paniksituationen nähmen Anweisungen nureingeschränkt oder auch gar nicht wahr. «In solchen Gefahrenmomentenwird der Mensch völlig über seine Instinkte gesteuert, ist über denVerstand kaum ansprechbar», erläuterte der Experte.

Nach Einschätzung der Feuerwehr hätte es vermutlich keine Totengegeben, wenn alle Mieter Anweisungen gefolgt und in ihren Wohnungenauf ihre Rettung gewartet hätten. Stattdessen hatten zwei Familienversucht, sich durch den Hausflur in Sicherheit zu bringen. Sieliefen in den Tod.

«Bei einem Brand drängt es den Menschen ausschließlich zur Flucht- das heißt in Richtung jeder Form von Ausgang, Tür oder Fenster»,sagte Mollenhauer. So sei erklärbar, dass Menschen bei Feuer panischaus dem Fenster springen, selbst wenn die Gefahr objektiv nicht großund keine Lebensgefahr gegeben sei. Einen wirksamen Schutz gegensolche unangemessenen Panikreaktionen brächten nur regelmäßige,mindestens zwei Mal jährlich ausgerichtete Brandschutzübungen.Teilweise könnten auch Brandschutzanweisungen, die in mehrerenSprachen im Hausflur aufgehängt werden, helfen.

Ein Beamter des Brand-Kommissariats zeigt am Dienstag (9. August 2005) in Berlin-Moabit im Treppenhaus des ausgebrannten Wohnhauses auf die Stelle, wo der Brand ausbrach. (Foto: dpa)
Ein Beamter des Brand-Kommissariats zeigt am Dienstag (9. August 2005) in Berlin-Moabit im Treppenhaus des ausgebrannten Wohnhauses auf die Stelle, wo der Brand ausbrach. (Foto: dpa)
dpa
Nachbarn des Hauses, das in der vergangenen Nacht in Berlin gebrannt hat, stehen am Dienstagmorgen (09.08.2005) weinend davor. (Foto: dpa)
Nachbarn des Hauses, das in der vergangenen Nacht in Berlin gebrannt hat, stehen am Dienstagmorgen (09.08.2005) weinend davor. (Foto: dpa)
dpa