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Unfall Unfall: Schmerz und Trauer nach Gas-Explosion in Lehrberg

Von Klaus Tscharnke 24.09.2006, 13:45

Lehrberg/dpa. - Und auch der ehemalige Orts-Apotheker Gert Hübnerfindet kaum Worte für seine Trauer: «Wir haben Jahrzehnte bei ihnenBrot und Brötchen gekauft. Und dann so was». Nachdem sich der ersteSchrecken über die gewaltige Gasexplosion mit 5 Toten und 16Verletzten im Gebäude einer Dorfbäckerei im mittelfränkischenLehrberg gelegt hat, dominieren am Sonntag Schmerz und Trauer in der2000 Einwohner zählenden Gemeinde nördlich von Ansbach.

Schon in der Nacht haben Nachbarn einen vor dem Unglücksortaufgerichteten Gitterzaun mit fünf Sonnenblumen drapiert - eine fürjedes der Opfer. Bald ist der mit weißer Plastikplane bespannteAbsperrzaun mit einem dutzend Blumengebinden geschmückt. Mit Zettelnbringen Freunde und Verwandte ihre Trauer über den Verlust der zweiAngehörigen der Bäckerfamilie und ihrer drei Angestellten zumAusdruck: «Ohne euch wird es nicht mehr so sein, wie es war.» EinRentner, der weinend vor der Unglücksstelle steht, muss erst voneiner Polizeistreife gebeten werden, die viel befahrene Bundesstraßezu verlassen.

Ein paar Steinwürfe von der Lücke entfernt, die die gewaltigeExplosion am Freitagmorgen in die Straßenflucht gerissen hat, suchenBürger beim Gottesdienst im Gemeindesaal Trost und Besinnung. PfarrerRudolf Keller stellt den Schmerz der Gläubigen mit behutsamen Wortenin den Mittelpunkt seiner Predigt und appelliert an dieDorfgemeinschaft, sich gegenseitig «mit Gastfreundschaft, intensivemZuhören und Mitdenken» zu helfen. Zugleich machten die Bilderdeutlich, wie gegenwärtig solche Katastrophen seien, sagt derGeistliche. «Jeder von uns, der davon verschont geblieben ist, wirdsein Leben mit neuer Dankbarkeit beleuchten.»

Schon am Samstag war Keller durch den Ort gegangen und hatte mitNachbarn und Bekannten der Opfer das Gespräch gesucht, die mit leerenBlicken auf den Trümmerberg schauten, der einst «ihre» Bäckerei war.Messdienst Henninger spricht für viele: «Das war ein alteingesessenerBetrieb. Als Mehl- und Backwarenhandlung bestand er seit 1731»,erzählt der Lehrberger. «Ich habe hier fast jeden Morgen einenschnellen Kaffee getrunken, bevor ich zur Arbeit ging. Das war unserOrtszentrum.»

Noch am Samstagvormittag schien Lehrberg wie in eine Schockstarreversetzt. 24 Stunden nach dem Gasunglück bestand zu dieser Zeit nochimmer Explosionsgefahr, der Ortskern war weitgehend evakuiert. Erstals Helfer einen neben der Unglücksstelle abgestellten Flüssiggas-Tankwagen leergepumpt und den Transporter geborgen hatten, gabFeuerwehreinsatzleiter Walter Schwab Entwarnung. Am Abend konntendann auch schon wieder die ersten Bewohner in ihre beschädigtenHäuser zurückkehren.

Unterdessen rätseln Anwohner, wie das Unglück überhaupt geschehenkonnte. Dabei taucht auffallend oft der Hinweis auf, Gasgeruch habeschon länger in dem Ort im idyllischen Rezat-Tal für Unruhe gesorgt.Das kann Bürgermeister Reiner Grimm zwar nicht bestätigen. Erberichtet aber davon, dass nach einer Befüllung des Gastanks vor zweibis drei Wochen noch «Arbeiten» ausstanden. Diese hatte der Fahrerdes Tankwagens anscheinend am Freitag erledigen wollen - kurz bevores zu einem größeren Gasaustritt und schließlich zur Explosion kam.Für die Polizei sind dies allerdings nur Spekulationen.

Glück im Unglück hatte derweil Harald Krafft. Der 28-Jährige wäream Freitag früh um ein Haar Opfer der Explosionskatastrophe geworden.Wenige Minuten vor der Detonation in Lehrbergs Ortskern wollte ersich in der Bäckerei zwei Frühstückssemmeln holen. «Zum Glück habeich mich bei einem Bauern verquatscht. Wir haben uns lange überBiogasanlagen unterhalten. Dadurch bin ich erst ein paar Minutenspäter in Lehrberg eingetroffen», erzählt er. Da zu diesem Zeitpunktder Ortskern schon gesperrt war, sei er vor Lehrberg in einen Staugeraten und habe kurzerhand gewendet. Der junge Mann: «Wenn man sowill, habe ich dem Bauern mein Leben zu verdanken.»