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Kriminalität Tumult: Wie kam Paul nach Jugendfußballturnier ums Leben?

Nach einem Fußballturnier in Frankfurt kommt es zu einer Schlägerei zwischen Jugendlichen. Ein 15-Jähriger aus Berlin stirbt. Der mutmaßliche Angreifer steht nun vor Gericht. Die Eltern des Opfer treten als Nebenkläger auf.

Von Sandra Trauner, dpa 24.01.2024, 17:34
Der Schriftzug "Die Würde des Menschen ist unantastbar" hängt am Frankfurter Landgericht.
Der Schriftzug "Die Würde des Menschen ist unantastbar" hängt am Frankfurter Landgericht. Helmut Fricke/dpa

Frankfurt/Main - Die Mütze der roten Kapuzenjacke tief in die Stirn gezogen, eine grüne Mundschutzmaske vor dem Gesicht: So betritt der jugendliche Angeklagte am Donnerstagmorgen den Verhandlungssaal 10 im ersten Stock des Frankfurter Landgerichts. Dann schließen sich die Türen. Der Prozess um eine tödliche Schlägerei nach einem Jugendfußballturnier findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Der 17-Jährige muss sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor der 3. Großen Jugendkammer verantworten. Ein 15 Jahre alter Junge aus Berlin war nach einem Schlag gegen den Kopf gestorben. Ob der damals 16-Jährige dafür verantwortlich war, muss das Gericht in den acht anberaumten Verhandlungsterminen klären.

Schlägerei zwischen französischen und deutschen Jugendlichen

Der Vorfall ereignete sich am Pfingstsonntag 2023 auf einem Fußballplatz in Frankfurt. Bei einem internationalen Turnier traten eine Mannschaft aus Berlin und eine Mannschaft aus Metz in Frankreich gegeneinander an. Nach Abpfiff kam es zu einer Schlägerei zwischen den französischen und den deutschen Spielern. Die Staatsanwaltschaft spricht von „Tumult“.

Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte zunächst einen Spieler der gegnerischen Mannschaft im Oberkörperbereich mit den Fäusten geschlagen haben. Der Angeklagte sei danach zunächst von einem Mitspieler weggezogen worden. Er habe sich allerdings wieder zu der Menschenansammlung begeben. Er habe den Jugendlichen aus Berlin gegen die Wange beziehungsweise den Hals geschlagen.

Der 15-Jährige brach zusammen und wurde reanimiert. Im Krankenhaus wurden schwerste Hirnverletzungen festgestellt. Drei Tage nach dem Vorfall wurde der Junge für hirntot erklärt. Als Organspender wurde er nach seinem Tod zum Lebensretter für andere.

Eltern würden es „emotional nicht schaffen“

Die Eltern des Verstorbenen treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Sie waren am Donnerstag nicht vor Ort und werden nach Angaben ihres Anwalts auch zu weiteren Terminen nicht kommen. „Der Grund ist, dass jedes Mal, wenn sie darüber reden, Paul ein zweites Mal stirbt. Sie würden es emotional nicht schaffen“, sagte der Berliner Rechtsanwalt René Lau, der die Eltern vor Gericht vertritt.

Von der Nebenklage erhoffen sich die Eltern vor allem mehr Informationen, so der Anwalt. „Sie wollen wissen, was genau vor Ort passiert ist.“ Laut den Eltern war Paul „völlig gesund“, er habe keinerlei Vorerkrankungen gehabt. Zu dem Angeklagten hatte Lau bisher keinen Kontakt. „Ich sehe ihn heute zum ersten Mal.“

Paul - der Name wird auf den Gerichtsfluren genannt, auch sein Fußballverein nannte den Vornamen des Opfers. Der Angeklagte wird nicht namentlich genannt, nicht einmal auf dem Aushang vor dem Saal wird sein Name, wie sonst üblich, abgekürzt aufgeführt. Selbst die Anwälte werden nur mit „NN“ bezeichnet.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Der mutmaßliche Täter befindet sich seit Mai 2023 in Untersuchungshaft in Deutschland. Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit ist das Alter des Angeklagten. Bei Jugendverfahren steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund.

Rund 20 Zeugen sind laut Staatsanwaltschaft geladen, vor allem Spieler und Betreuer der beiden Mannschaften, daher seien auch die meisten Zeugen minderjährig. Zum Prozessauftakt waren laut Aushang sechs Zeugen geladen, ein Dolmetscher und zwei Sachverständige. Der Angeklagte wird von einem Wahl- und einen Pflichtverteidiger vertreten. Beide äußerten sich nicht, bevor sich die Türen schlossen.

Kurz vor zehn Uhr wurde im Saal die Anklage verlesen. Der Angeklagte äußerte sich nach Angaben des Gerichts nicht zur Sache. „Es gibt derzeit keine Einlassung des Angeklagten“, beichtete Gerichtssprecher Daniel Trosch am Mittag. Die Zeugen am ersten Verhandlungstag stammten „überwiegend aus dem Umfeld der Berliner Mannschaft“, sagte Trosch. Befragt würden Spieler, Trainer und Betreuer.

Die Verhandlung unter Vorsitz von Richter Moritz von Schenck wird am kommenden Montag (29. Januar) fortgesetzt. Bei einem der nächsten Termine sollen auch die französischen Mannschaftskollegen gehört werden. Bisher sind in dem Prozess Termine bis Anfang März vorgesehen. Sie alle finden - einschließlich der Urteilsverkündung - unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.