Infrastruktur Trittin: Deutschland muss mehr investieren
Nach derzeitigen Plänen soll im Bundeshaushalt an vielen Stellen gespart werden, um die Schuldenbremse einzuhalten. Ein Ex-Grünen-Politiker macht andere Vorschläge.
Göttingen - In die Infrastruktur und Bildung in Deutschland muss nach Meinung des langjährigen Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin mehr investiert werden. „Deutschland galt früher als ein Land, das funktioniert. Und genau das findet zum Teil nicht mehr statt“, sagte das Grünen-Mitglied im Vorfeld der Vorstellung seiner Autobiografie Anfang September in Göttingen. In Deutschland gebe es teilweise sogenannte bad governance, also schlechte Regierungsführung.
Das zeige sich etwa am Sanierungsstau bei Brücken oder den Problemen der Bahn. Um das zu verbessern, müsse mehr investiert werden. „Wir sind jetzt in einer Konfliktkoalition, wo die FDP glaubt, durch die Konzentration auf eine einzige Frage – die Einhaltung der Schuldenbremse – ihr Überleben zu sichern“, sagte Trittin.
Weiter betonte er, dass es einen großen Bedarf an Arbeitskräften in allen Qualifikationen gebe, um Infrastruktur-Investitionen umzusetzen. Dazu brauche es Zuwanderer und deren schnelle Integration. Auch Selbstverwaltungsorgane wie Handwerks- oder Ärztekammern seien gefordert, ausländischen Fachkräften weniger bürokratische Hürden in den Weg zu legen. Am Montag forderte auch ein niedersächsisches Bündnis aus Politik und Zivilgesellschaft eine bessere Integration von Geflüchteten in den niedersächsischen Arbeitsmarkt, wie die Staatskanzlei mitteilte.
Ampel-Regierung in Anfangsphase besser
In der Anfangsphase der Ampel-Koalition hätten Investitionen noch besser funktioniert. Durch die Corona- und Energie-Krise sei Deutschland besser als andere Länder gekommen, meinte Trittin. „Weil wir beispielsweise dafür gesorgt haben, dass Kneipen nicht pleitegehen, weil es Kurzarbeitergeld gab, weil wir die explodierenden Energiepreise mit Staatsknete gedeckelt haben.“
Auch habe die Regierung große Fortschritte beim Solar- und Windkraftausbau gemacht, eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts auf den Weg gebracht, „das uns international wettbewerbsfähig macht“ oder Voraussetzungen geschaffen, um mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Das sei gute Regierungsführung gewesen. „Das ist aber alles darüber zerschossen worden, dass man sich permanent öffentlich angemistet hat.“
Der 70 Jahre alte Grünen-Politiker hatte sich im vergangenen Dezember nach 25 Jahren aus dem Bundestag verabschiedet. Er hatte dort seit dem Jahr 1998 den Wahlkreis Göttingen vertreten. Während seiner politischen Laufbahn war er unter Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in Niedersachsen und später unter Schröder auch Bundesumweltminister. In Göttingen stellte er kürzlich seine Autobiografie „Alles muss anders bleiben“ vor.