Tödliche Schüsse in Steglitz Tödliche Schüsse im Benjamin-Franklin-Klinikum in Berlin-Steglitz: Charité-Direktor Ulrich Frei: "Wir sind fassungslos"

"Der Täter hat völlig unvermittelt auf den Arzt geschossen, es ist dem keine Bedrohung oder Auseinandersetzung vorangegangen.“ Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité, zu der das Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz gehört, ist erschüttert. Eine Stunde habe man versucht, den Arzt wiederzubeleben: „Doch der Kollege war nicht zu retten. Wir haben einen lieben Kollegen verloren. Wir sind fassungslos, dass so etwas in einem Krankenhaus stattfand.“
Gegen 13 Uhr waren die beiden Schüsse gefallen. Nicht nur die Mordkommission des Landeskriminalamtes rätselt über die Motive, sondern auch das Klinikpersonal.
Schon länger behandelt
Der 72-jährige Rainer B. aus Spandau war von Dr. Thomas B. schon seit Längerem behandelt worden. Er wurde von ihm auch operiert. Der Oberarzt war als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg ein hoch angesehener Spezialist. „Er war auf diesem Gebiet als Operateur ausgewiesen und sehr gesucht“, sagte Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité während einer Pressekonferenz am Abend. „Wir können diese Tat nicht verstehen.“
Die Klinikleitung hatte sich am Dienstag mit Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht zum Motiv des Täters äußern wollen. „Es war wohl weniger Rache als Verzweiflung“, sagte der Ärztliche Direktor Ulrich Frei. Rainer B. soll im Mund an Krebs erkrankt gewesen sein.
Polizisten durchsuchten am Abend in Spandau die Wohnung des Rentners. Sie wollen wissen, wo der 72-Jährige die Waffe her hatte und was ihn zu der Tat trieb.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot an der Klinik angerückt. SEK-Beamte durchsuchten die Räume. Patienten und Personal wurden aufgefordert, in den Zimmern zu bleiben. Das Personal stand unter Schock. Die Betreuung der Patienten war dennoch gewährleistet. „Viele der Mitarbeiter sind über sich hinausgewachsen“, sagte Pflegedirektorin Judith Heepe.
Geschockte Mitarbeiter
Laut Ulrich Frei sind viele Mitarbeiter der Klinik traumatisiert. Deshalb habe man ihnen Hilfe angeboten. Am Mittwoch wird die Ambulanz der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie geschlossen sein. Das Virchow-Klinikum übernimmt akute Fälle.
Die Wissenschaftssenatorin und Charité-Aufsichtsratschefin Sandra Scheeres (SPD) äußerte sich schockiert über den Tod des Kieferorthopäden. „Er wurde im Dienst erschossen, an einem Ort, an dem tagtäglich Menschenleben gerettet werden“, erklärte sie.
Vorfälle wie in Steglitz gibt es selten. Zuletzt war im Februar 2014 ein Arzt in Halensee angegriffen worden. Ein Patient stach in seiner Praxis unvermittelt auf einen Urologen ein. Gleichwohl beklagen sich Ärzte und Pfleger über zunehmende Übergriffe durch aggressive Patienten vor allem in den Notaufnahmen des Krankenhauses Neukölln und des Urban-Krankenhauses in Kreuzberg.
Einhäupl und Frei halten jedoch nichts davon, in Krankenhäusern die Sicherheitsmaßnahmen wie Zugangskontrollen zu verstärken. „Die Logistik eines Krankenhauses lässt es nicht zu, durch Detektoren wie am Flughafen Sicherheit zu schaffen. Krankenhäuser sind offene Häuser.“ (mit cd.)